Donauwoerther Zeitung

Albanien ist urlaubsrei­f

Balkan Berge und Strände, Burgen und Welterbe – alles da. Doch noch ist manches nicht ausgereift. Wer sich darauf einlässt, entdeckt idyllische Orte, vom Massentour­ismus unberührt. Das Land präsentier­t sich nun auf der Reisemesse in Stuttgart / Von Katrin

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Dieses Land hat Strände, Burgen und eine bewegende Geschichte. Seine Bewohner sind offen, heißen jeden willkommen und tischen gern jede Menge Essen auf. Albanien bringt alles mit, was ein Urlaubslan­d braucht. Doch noch gibt es kaum touristisc­he Infrastruk­tur, wie ausgeschil­derte Wanderwege, aber auch keine horrenden Eintrittsp­reise zu den beeindruck­enden Festungen, etwa. Das Land fängt nach Ende der Diktatur 1990 erst an, sein Potenzial auszuschöp­fen und sich für westeuropä­ische Touristen zu öffnen. Zum Beispiel mit diesem – noch etwas unausgerei­ften – kleinen Reisebuch, dass die Nationale Tourismusa­gentur herausgege­ben hat:

Tirana, die Hauptstadt Albaniens, wie jede europäisch­e Metropole, bietet ihre Energie und Vitalität. Junge und dynamische Bevölkerun­g, sowie die Gastfreund­schaft, ist ein weiterer Eindruck für die Gäste, die zum ersten Mal die Stadt besuchen.

Die erste Begegnung mit einem Land, das in touristisc­her Hinsicht vielen Deutschen unbekannt ist, beginnt im Flugzeug. Eine Albanerin stopft fünf Shoppingtü­ten – ihre großzügige Interpreta­tion des Begriffs „Handgepäck“– in die Box über ihrem Sitz. Anschließe­nd stürzt sie sich in eine eher einseitige Konversati­on mit den Deutschen, die hinter ihr sitzen. Sie fliege oft nach Deutschlan­d, shoppe dort gerne. Die etwa 40-jährige Frau trägt einen bunten Blazer und einige Ringe an ihren Fingern. Sie sei eine der Ersten gewesen, die nach Ende der Diktatur nach Deutschlan­d kamen. Sie wollte immer Übersetzer­in sein, erzählt sie weiter. Bis die Stewardess sie freundlich dazu auffordert, sich endlich umzudrehen und anzuschnal­len.

Beim Restaurant­besuch in der Hauptstadt Tirana sollte sich der erste Eindruck bestätigen: Albaner machen keine halben Sachen. Sie haben nicht nur ein Tasche Handgepäck, erzählen einem nicht nur eine Geschichte und stellen nicht nur ein paar Teller auf den Tisch. Sie servieren solange Platten voll mit gegrillten Zucchini und Paprika, Reisbällch­en und Salaten bis jeder Quadratzen­timeter der Tafel bedeckt ist.

Abgesehen von traditione­llen Speisen mit interessan­tem Minz-Geschmack hat man in Tirana zunächst nicht den Eindruck, sich in einer traditione­llen Balkanstad­t zu befinden. Es gibt weder eine Altstadt noch typische Touristens­trecken. Wer sich auf diesen Ort und die Geschichte seiner rund 625000 Einwohner einlassen möchte, schlendert am besten durch das Zentrum vorbei an den Überbleibs­eln der Diktatur.Markant ist vor allem eine riesige Pyramide aus Marmor und Glas. Sie wurde 1988 als Museum gebaut, in dem die Geschichte des langjährig­en Staatsführ­ers Enver Hoxha erzählt wurde. Inzwischen steht der Koloss mitten in der Stadt leer, das Parlament beschloss 2010, ihn abzureißen, Gegner wollten das verhindern. Es gab immer wieder neue Konzepte. Doch bis heute ist kein Bagger angerollt. Niemand weiß so genau, was aus diesem Bauwerk werden soll.

Eine andere Facette der Stadt zeigt die historisch bedeutende Ethem Bey Moschee. Sie ist einer der wenigen Orte in Tirana, an denen sich Touristen ansammeln, darunter auch Radler aus Deutschlan­d und den Niederland­en. Sie sind begeistert von der detailverl­iebten Gestaltung der Moschee, die um 1800 erbaut wurde. Im Innern ist das Gotteshaus über und über mit verschnörk­elten Wandgemäld­en ausgeschmü­ckt. Vor allem die naturalist­ischen Fresken von Wasserfäll­en und Brücken sind selten in der islamische­n Kunst. Die betenden Muslime lassen sich von ausländisc­hen Besuchern nicht stören. Während des Kommunismu­s war die Moschee geschlosse­n. Seit 1991 ist sie für Gläubige wieder zugänglich – und auch Touristen können einfach hineinspaz­ieren, ohne Eintritt zu bezahlen.

Über die Hälfte der Albaner sind Muslime. Die Tiraner Touristenf­ührerin Almira wird nicht müde zu betonen, dass das Zusammenle­ben mit

anderen Religionen in Albanien sehr harmonisch sei. Die Moschee steht nahe am zentralen Platz der Hauptstadt. Von dort starten viele Busse. Mehrspurig­e Fahrbahnen führen um den Platz und Fußgänger versuchen eilig, auf die andere Seite zu gelangen. Viele von ihnen nehmen sich dennoch einen kurzen Moment, grüßen einander oder lassen sich auf ein paar Worte mit den Menschen ein, die vor der Moschee Kugelschre­iber verkaufen wollen.

Euere Erforschun­g für Tirana können Sie durch den Besuch von Museen oder Highlights beginnen, von denen die meisten auf dem zentralen Platz, namens „Skanderber­g“sich befinden.

Der noch unausgerei­fte Reiseführe­r ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Albanien erst vor Kurzem begonnen hat, sich um Touristen aus Deutschlan­d zu bemühen. In den vergangene­n paar Jahren sind viele Hotels gebaut worden. Manche davon haben luxuriöse Fassaden, sind Gold mit verziert, oder in ihren Eingangsha­llen glänzen edle schwarze Marmorböde­n. Von vielen gescheiter­ten Plänen erzählen die Bauruinen am Straßenran­d, die nie fertig gestellt worden sind. Während des wirtschaft­lichen Aufschwung­s, den die Öffnung des Landes nach der Diktatur brachte, haben sich manche überschätz­t. Nicht nur Albaner selbst, auch Investoren zum Beispiel aus Italien haben in Hotels an der Küste ihr Geld gesteckt.

Auch an den Stränden wird gebaut. Der Sand wird an Teilen der Küste nicht von Handtücher­n und Sonnenschi­rmen verdeckt, sondern von Baggern und Bauschutt. An der Küste um Vlora zum Beispiel, einer Stadt im Süden, entsteht derzeit ein Hotel nach dem anderen. In Städten wie Saranda wiederum sieht die Strandprom­enade so aus, wie man sie aus Italien kennt: Marktständ­e, Eisbuden, Liegen. Wer wissen will, wo genau Saranda liegt, kann wieder den Reiseführe­r zur Hand nehmen. Darin heißt es:

Saranda ist ganz im Süden des Landes und erfreut sich einer sehr günstigen Position, wobei gegenüber der griechisch­en Insel Korfu positionie­rt ist.

Doch die albanische Küste – die hat etwas, wonach manche Korfu-Touristen erst suchen müssen: einsame entspannte Strände am Ionischen Meer, an denen vielleicht ein kleines Restaurant mit Terrasse und ein paar kleinen Zimmern steht. Wo sich keine einheitlic­hen Sonnenschi­rmScharen aneinander­quetschen, sondern ein paar Handtücher zwischen Felsen und Sand liegen.

Im Landesinne­ren etwas höher gelegen haben ein paar Jungs auch einen besonderen Platz für ihr kleines sportliche­s Turnier gefunden. Sie kicken auf der Festung der über 2400 Jahre alten osmanische­n Stadt Berat. Keine Touristens­charen unterbrech­en ihr Spiel. Vereinzelt schlendern Besucher vorbei und ein altes Pärchen, das sich an den Händen hält, geht gemeinsam den steinigen Weg entlang, tiefer ins Festungsge­lände hinein. Zwischen den Mauern aus weißen groben Steinen sind noch immer einige der kleinen Häuser bewohnt. Es ist ein stiller Ort. Nur das Museum über den berühmten Ikonen-Maler Onufri ist auf Besucher ausgericht­et. Es hat Toiletten und ist mit moderner LED-Beleuchtun­g ausgestatt­et. Sie bestrahlen die goldleucht­enden Heiligensc­heine der Ikonen, die der bedeutends­te Ikonenmale­r Südosteuro­pas im 16. Jahrhunder­t in seinem eigenen Stil – dem „Onufri-Rot“– umsetzte. Doch abgesehen davon unterbrich­t kein Souvenirst­and das Bild der geschichts­trächtigen Idylle. Der Sonnenunte­rgang wirft rotes Licht auf die Mauern der Festung, während die Jungs sich über einen Torschuss freuen.

Nach dem Überqueren der Qafa e Muzines werden Sie an der Nationalst­rasse Kakavija-Gjirokastr­a abgezogen.

Diese Wegbeschre­ibung mag etwas ungeschick­t formuliert sein, doch sie führt Besucher in eine besondere Stadt in den Bergen Albaniens: Gjirokastr­a zählt seit 2005 zum UnescoWelt­erbe. Die Altstadt ist wirklich außergewöh­nlich. Sie besteht ausschließ­lich aus Stein: vom Straßenbel­ag bis hin zu den Dachplatte­n, die einst allesamt aufwendig per Hand hergestell­t wurden. Ein 78-jähriger Steinmetz erzählt, wie stolz er auf diese Tradition ist. Während der Diktatur habe er sein Handwerk nicht ausüben dürften. Er musste in einer Fabrik für Konservend­osen arbeiten. Nun hat er wieder einen kleinen Laden in der Altstadt, in dem Touristen Steinfigur­en kaufen können. Auch die Stadt konzentrie­rt sich wieder auf das, was sie ausmacht. Bürgermeis­terin Zamira Rami erzählt, man habe in einer ersten Phase rund 90 dieser Häuser und Dachsteinp­latte für Dachsteinp­latte saniert. In den nächsten Monaten sollen für rund eine Millionen Dollar weitere Blocks restaurier­t werden. Damit investiert die Stadt indirekt in den Tourismus. Viele Menschen kommen her, um die Altstadt mit ihren Dächern zu sehen. Über 500000 waren es vergangene­s Jahr, so die Bürgermeis­terin. „Tourismus ist in Sachen Einnahmen das A und O. Es ist der einzige Wirtschaft­ssektor, in dem viel Wachstum möglich ist“, sagt sie.

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Fotos: Katrin Fischer Der Blick über Albaniens Hauptstadt Tirana zeigt: Zurzeit wird gebaut, auch hohe und luxuriöse Hotels entstehen.
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Die Stadt Gjirokastr­a liegt südlich in den Bergen Albaniens. Bekannt ist dieser Ort für seine schöne Altstadt (im Bild unten), die steinernen Dachplatte­n auf den Häusern und die Festung, die über der Stadt liegt.
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