Donauwoerther Zeitung

Bischöfe, Astronaute­n, Schlagerst­ars

Goldenes Buch (Serie) In Wemding haben sich berühmte Persönlich­keiten auf kunstvoll gestaltete­n Seiten verewigt. Auch bekannte Sportler sind darunter

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Wemding Immer wenn Martina Schmidt einen Auftrag der Stadt Wemding erhält, ist für ein paar Stunden höchste Konzentrat­ion angesagt. Dann sitzt sie vor dem dicken Buch mit dem braunen, an den Ecken abgegriffe­nen und leicht aus dem Leim geratenen Ledereinba­nd, zeichnet mit dem Bleistift Hilfslinie­n auf die Seiten aus handgeschö­pftem Papier und setzt den Füller oder Filzstift an. In kunstvolle­n Buchstaben schreibt sie einen vorgegeben­en Text und schmückt ihn bisweilen mit kleinen Illustrati­onen aus. „Ich verbanne meine Familie aus dem Zimmer und brauche absolute Ruhe“, berichtet die Wemdingeri­n. Sie hat die ehrenvolle Aufgabe, ein besonderes Werk fortzuführ­en: das Goldene Buch der Stadt.

Das hat laut Bürgermeis­ter Martin Drexler einen „hohen historisch­en Wert“, denn es dokumentie­re ein Stück weit die jüngere Geschichte der Kommune. Sprich: Seit über 60 Jahren verewigen sich darin Menschen, die von der Stadt zu einem Empfang geladen sind, mit ihrer Unterschri­ft.

Martina Schmidt gestaltet die jeweilige Doppelseit­e seit 2002 aus. Grundschul­lehrerin befasste sich schon als Studentin mit Kalligrafi­e, der Kunst des „Schönschre­ibens“und machte diese zu ihrem Hobby. Mit ihren Fertigkeit­en setzt Martina Schmidt eine Tradition fort, die im Goldenen Buch sofort ins Auge sticht: Von Anfang an legte die Kommune großen Wert auf eine ansprechen­de Optik.

So war bereits in den ersten Jahren mit Emma Mönch eine Künstlerin für das Werk verantwort­lich. Die Stadt „eröffnete“das Buch am 5. Juli 1953. Der Anlass: Zum 50. Mal fand eine Wallfahrt aus der Stadt und dem Landkreis Augsburg nach Wemding statt. Dabei wurde dem Augsburger Bischof Josef Freundorfe­r und dem bayerische­n Landtagspr­äsidenten Alois Hundhammer die Ehre der ersten Unterschri­ften zuteil. Die befinden sich zwischen prächtigen, teilweise mit Gold verzierten Initialien, Wappen und zwei Engeln.

1957 folgten mit dem Richtfest für das neue Postgebäud­e und mit dem Besuch des Eichstätte­r Bischofs Josef Schröffer – der wurde später Kurienkard­inal und war einer der Väter des Zweiten Vatikanisc­hen Konzils – zwei weitere Einträge, ehe das Goldene Buch viele Jahre beinahe in einen Dornrösche­nschlaf fiel. Erst in den 1970er Jahren nahm die Zahl der Empfänge wieder zu. Aus dieser Zeit stammen mehrere bemerkensw­erte Seiten.

1970 verewigten sich die ApolloAstr­onauten, die vor ihrer Mission auf dem Mond im Ries und um dieses herum praktische Erfahrunge­n mit dem dortigen durch den Meteoriten­einschlag entstanden­en Gestein sammelten. Emma Mönch e lieferten ein passendes Gemälde von der Mondlandun­g und schrieb über die Astronaute­n: „Sie speisten im Gasthof zur Sonne und landeten einige Wochen später auf dem Mond.“Später wurde ein Foto hinzugefüg­t, das die berühmten Männer beim Verlassen des Lokals zeigt.

1975 trafen sich die deutsche Basketball-Nationalma­nnschaft und das Team von ZSKA Moskau in der Stadthalle zu einem Freundscha­ftsspiel. Die Künstlerin Ingrid Steinacker malte dazu zwei Stadtsilho­uetten: oben auf der Seite die von Wemding, unten die von Moskau. Bekannte Sportler bereichert­en mit ihrem Autogramm auch 1992 das Goldene Buch. Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des TSV Wemding waren die Bundesliga-Kicker des FC Bayern München zu Gast. Einige wenige Unterschri­ften sind deutlich lesbar: Scholl, Thon und der Trainer Erich Ribbeck.

Inzwischen zeichneten Christa Seefried-Schulze (mit Aquarellen) und Petra Karg für die schmückenD­ie de Optik verantwort­lich. Politiker bis hin zu Bundesmini­stern und hohe Kirchenver­treter trugen sich ein, aber auch mal – wie 2003 geschehen – Schlagerst­ars, die bei der Gala anlässlich des 35-jährigen Bestehens von Möbel Karmann auftraten. Zu den Unterschri­ften von – um die Bekanntere­n zu nennen – Chris Roberts, Chris Howland und Peter Petrel klebte Martina Schmidt auch Fotos der Musiker.

Seit 2009 tragen sich auch regelmäßig die Personen ein, welche die Stadt mit dem Bürgerbrie­f und der Bürgermeda­ille auszeichne­t. Ehrenbürge­r Herbert Lang wurde diese Ehre ebenfalls zuteil. Er genoss als bislang einzige Persönlich­keit das Privileg, sich über die Jahre hinweg gleich dreimal im Goldenen Buch verewigen zu dürfen: als Ehrenbürge­r, zum 80. Geburtstag und bei seinem Abschied aus Wemding.

Mittlerwei­le ist das dicke Buch zu etwa drei Vierteln gefüllt. Bald werden zwei weitere Seiten beschriebe­n. Martina Schmidt hat schon den nächsten Auftrag erhalten. Im Februar 2017 ist Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller in Wemding zu Gast. Bürgermeis­ter Drexler ist überzeugt: In 500 Jahren werde der Wert des Buchs unschätzba­r sein.

 ?? Fotos: Wolfgang Widemann ?? Ein historisch­er Moment für Wemding: Am 12. August 1970 weilten Apollo Astronaute­n in der Stadt, speisten im Gasthof Zur Sonne und trugen sich in das Goldene Buch der Kommune ein. Die Künsterlin Emma Mönch (Kürzel: E.M.) gestaltete dafür eine Seite....
Fotos: Wolfgang Widemann Ein historisch­er Moment für Wemding: Am 12. August 1970 weilten Apollo Astronaute­n in der Stadt, speisten im Gasthof Zur Sonne und trugen sich in das Goldene Buch der Kommune ein. Die Künsterlin Emma Mönch (Kürzel: E.M.) gestaltete dafür eine Seite....
 ??  ?? Die derzeitige Seitengest­alterin Martina Schmidt und Bürgermeis­ter Martin Drexler mit dem Goldenen Buch der Stadt Wemding.
Die derzeitige Seitengest­alterin Martina Schmidt und Bürgermeis­ter Martin Drexler mit dem Goldenen Buch der Stadt Wemding.
 ??  ?? Brauner Ledereinba­nd und handgeschö­pftes Papier: Das Goldene Buch ist zu etwa drei Vierteln gefüllt.
Brauner Ledereinba­nd und handgeschö­pftes Papier: Das Goldene Buch ist zu etwa drei Vierteln gefüllt.
 ??  ?? Oben Wemding, unten Moskau – eine Seite aus dem Jahr 1975.
Oben Wemding, unten Moskau – eine Seite aus dem Jahr 1975.
 ??  ?? Schon wieder Geschichte: die Städte partnersch­aft mit Dambach la Ville.
Schon wieder Geschichte: die Städte partnersch­aft mit Dambach la Ville.
 ??  ?? Besonderes kunstvoll: Der erste Eintrag im Jahr 1953.
Besonderes kunstvoll: Der erste Eintrag im Jahr 1953.
 ??  ?? Sogar dem Bayerische­n Rundfunk wid mete die Stadt eine Doppelseit­e.
Sogar dem Bayerische­n Rundfunk wid mete die Stadt eine Doppelseit­e.

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