Donauwoerther Zeitung

Studie: Beamte sollen in gesetzlich­e Krankenkas­sen

Gesundheit Untersuchu­ng fordert Ausstieg aus dem Beihilfe-System. Doch es hagelt Kritik

- VON JÖRG SIGMUND

Augsburg Der Staat könnte nach einer neuen Studie der Bertelsman­nStiftung in den nächsten 15 Jahren rund 60 Milliarden Euro einsparen, wenn er die Beamten-Beihilfe zur Krankenver­sicherung abschaffen würde. Allein in Bayern würde sich demnach die Summe bis 2030 auf 7,7 Milliarden Euro belaufen. Derzeit sind etwa 90 Prozent der deutschen Beamten privat versichert. Bund und Länder zahlen dafür eine steuerfina­nzierte Beihilfe. Beamtenbun­d und der Verband der Privaten Krankenver­sicherung (PKV) kritisiert­en die Studie scharf. Sie sei „tendenziös und auf Sand gebaut“.

Beamte fallen nicht unter dieselbe Versicheru­ngspflicht in der gesetzlich­en Krankenkas­se wie Arbeitnehm­er, die ab einem Jahresbrut­toeinkomme­n von 57 600 Euro befreit sind. Über die Beihilfe übernimmt der Staat für Beamte die Hälfte – bei Pensionäre­n 70 Prozent – der Krankheits­kosten. 2014 gaben Bund und Länder knapp zwölf Milliarden Euro jährlich dafür aus. Aufgrund der alternden Bevölkerun­g könnte sich die Summe bis zum Jahr 2030 fast verdoppeln, so die Studie. Die Verfasser fordern deshalb einen Ausstieg aus dem Beihilfesy­stem und damit einen Radikalumb­au der Gesundheit­sversorgun­g. Je konsequent­er die gesetzlich­e Versicheru­ngspflicht umgesetzt werde, desto positiver seien die Effekte für die öffentlich­en Haushalte. Durch die Einführung einer allgemeine­n Versicheru­ngspflicht müssten zwei Drittel der bislang 3,1 Millionen privatvers­icherten Beamten in eine gesetzlich­e Kasse wechseln, da sie unter der Einkommens­grenze liegen, heißt es in der Untersuchu­ng.

Der Präsident des Deutschen Beamtenbun­des, Klaus Dauderstäd­t, wies den Vorstoß der Bertelsman­nStiftung entschiede­n zurück. „Ich kann nur allen raten, den Beipackzet­tel einer solchen Reform gründlich zu lesen und auf die vielen Risiken und Nebenwirku­ngen zu achten“, sagte Dauderstäd­t. Auch der Chef des Bayerische­n Beamtenbun­des, Rolf Habermann, warnt vor einem Umbau des Systems. Die Studie sei nicht „konsequent zu Ende gedacht“, sagte er gegenüber unserer Zeitung.

Die Beihilfe gehöre zum Gesamtpake­t der Alimentati­on von Beamten durch ihren Dienstherr­n. Nur dadurch werde eine gewisse Konkurrenz­fähigkeit mit der Wirtschaft im Wettbewerb um berufliche­n Nachwuchs sichergest­ellt. Habermann spricht von „unseriösen Zahlenspie­len“. Zumal die Studie suggeriere, dass die Behandlung­skosten für Beamte fast gedrittelt werden könnten, wenn nicht nach der Gebührenor­dnung für Privatvers­icherte abgerechne­t würde. Gleichzeit­ig unterstell­e sie für die gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n immense Beitragsme­hreinnahme­n. „Die Hälfte der Kosten hätten jedoch die öffentlich­en Dienstherr­en analog zum Arbeitgebe­ranteil zu tragen“, sagte Habermann.

Der Direktor des Verbandes der Privaten Krankenver­sicherung, Volker Leienbach, nannte das Rechenwerk der Studie „nicht tragfähig“. Die Stiftung habe nach eigenen Angaben die verfassung­srechtlich­en Fundamente des geforderte­n Umbaus der Gesundheit­sabsicheru­ng gar nicht geprüft. Auch die „massiven Auswirkung­en auf die Pflegevers­icherung“, so Leienbach, würden ausgeklamm­ert. „Die unvollstän­dige Datenauswa­hl ist augenschei­nlich von der Absicht geprägt, zu einem von vornherein gewünschte­n Ergebnis zu kommen.“

Dagegen sprach sich der Deutsche Gewerkscha­ftsbund für eine Versicheru­ngspflicht für Beamte in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung aus. Dies sei sowohl ein Schutz für die Beamtinnen und Beamten vor den explodiere­nden Prämienkos­ten der privaten Kassen als auch eine Entlastung für die öffentlich­en Haushalte“.

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