Donauwoerther Zeitung

Gefährder werden schärfer überwacht

Terrorabwe­hr Die Bundesregi­erung will Islamisten, denen sie Attentate zutraut, künftig elektronis­che Fußfesseln verpassen. Doch sind solchen Maßnahmen auch wirksam?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Der Terroransc­hlag auf den Berliner Weihnachts­markt mit zwölf Todesopfer­n soll Konsequenz­en haben: Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizmini­ster Heiko Maas von der SPD haben gestern Nachmittag in Berlin ein härteres Vorgehen gegen sogenannte Gefährder vereinbart. Dies sind Islamisten, denen die Sicherheit­skräfte schwere Straftaten zutrauen. Nach jüngsten Zahlen haben die Behörden mehr als 220 solcher Personen in Deutschlan­d identifizi­ert – so viele wie nie zuvor. 62 islamistis­che Gefährder sind ausreisepf­lichtige Ausländer. Auch der Berlin-Attentäter Anis Amri aus Tunesien, der auf der Flucht von einem italienisc­hen Polizisten getötet wurde, war zuvor als Gefährder bekannt und zur Abschiebun­g ausgeschri­eben gewesen.

De Maizière und Maas kündigten an, dass für Gefährder ein eigener Haftgrund geschaffen werden solle. Zudem solle es erleichter­te Voraussetz­ungen für die Abschiebeh­aft geben. Das Bundeskrim­inalamt werde auch die Möglichkei­t bekommen, Gefährder mithilfe einer elektronis­chen Fußfessel zu überwachen. Die entspreche­nden rechtliche­n Voraussetz­ungen sollten zeitnah geschaffen werden.

Außerdem sei die Einführung einer Residenzpf­licht geplant, also eine verschärft­e Wohnsitzau­flage für „Asylbewerb­er, die über ihre Identität täuschen“, sagte der Innenminis­ter. Bei Verhandlun­gen mit Herkunftsl­ändern über die Rücknahme abgelehnte­r Asylbewerb­er seien „alle Politikfel­der“einzubezie­hen, auch die Entwicklun­gshilfe. Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) lehnte es allerdings bislang ab, Ländern mit dem Entzug von Entwicklun­gshilfe zu drohen, wenn sie aus deutscher Sicht bei der Rücknahme unzureiche­nd kooperiere­n. Stattdesse­n setzt der Kemptener auf diplomatis­chere Mittel, will Anreize für eine bessere Zusammenar­beit schaffen. Zumal ja die Europäisch­e Union etwa auch auf die Länder Nordafrika­s angewiesen sei, wenn es etwa künftig darum geht, im Mittelmeer gerettete Flüchtling­e auf afrikanisc­hen Boden zurückzubr­ingen.

Justizmini­ster Heiko Maas sagte, man wolle mit den Maßnahmen si- cherstelle­n, „dass sich ein Fall Amri in Deutschlan­d nicht wiederholt“. Die Fußfessel sei kein Allheilmit­tel, „aber sie wird unseren Sicherheit­sbehörden die Arbeit erleichter­n“.

Die beschlosse­nen Maßnahmen waren erwartet worden, Sicherheit­skreise diskutiere­n seit Tagen über ihre Wirksamkei­t und vor allem die Frage: Hätte der Anschlag auf den Berliner Weihnachts­markt damit verhindert werden können? Hätte sich Anis Amri aufhalten lassen? Die Antwort fällt nicht eindeutig aus. Wäre er rechtzeiti­g in Abschiebeh­aft genommen worden, lautet die Antwort wohl ja. Doch hätte er auch durch eine elektronis­che Fußfessel gestoppt werden können? Dabei handelt es sich um Sender, die per GPS-Signal den Behörden zeigen, wo sich die Träger gerade befinden.

„Wir wollen sicherstel­len, dass sich ein Fall Amri in Deutschlan­d nicht wiederholt.“

Justizmini­ster Heiko Maas (SPD)

Seit 2011 haben deutsche Gerichte die Möglichkei­t, so festzulege­n, wo sich etwa verurteilt­e Kinderschä­nder aufhalten dürfen, die ihre Haft abgesessen haben, aber noch als gefährlich gelten. Bei Amri hätte per Fußfessel etwa die Einhaltung einer Wohnsitzau­flage kontrollie­rt werden können. Zumindest solange er die Fessel getragen hätte, wäre die Polizei im Bilde gewesen, wo sich Amri gerade aufhält. Nicht aber darüber, mit wem er sich trifft, mit wem er per Internet oder Telefon kommunizie­rt, was er plant. Doch wie ein Kenner der Materie unserer Zeitung sagte, lässt sich das Halteband des Peilsender­s am Knöchel ganz einfach mit einem normalen Kabelschne­ider durchtrenn­en. In der Überwachun­gszentrale werde dann zwar Alarm ausgelöst, doch bis die Polizei reagieren kann, vergehe natürlich einige Zeit.

Zeit, die Amri hätte nutzen können, um abzutauche­n oder einen Anschlag zu begehen. So wie etwa Adel Kermiche. Der Islamist trug eine Fußfessel, als er 2016 in Frankreich mit einem Komplizen während der Morgenmess­e in eine Kirche eindrang und einen 85-jährigen Priester mit dem Messer buchstäbli­ch abschlacht­ete.

 ?? Foto: dpa ?? Der Berliner Attentäter Anis Amri verschwand nach dem Anschlag – eine Überwa chungskame­ra filmte ihn später in Turin.
Foto: dpa Der Berliner Attentäter Anis Amri verschwand nach dem Anschlag – eine Überwa chungskame­ra filmte ihn später in Turin.

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