Donauwoerther Zeitung

Was von Barack Obama bleibt

USA Die Vorschussl­orbeeren waren riesig. Die Welt glaubte, es könne nur besser werden. Doch nach acht Jahren an der Macht im Weißen Haus verabschie­det sich der erste schwarze US–Präsident mit einer gemischten Bilanz

- VON THOMAS SEIBERT

Washington Nach acht Jahren geht in den USA die Ära von Barack Obama zu Ende. In seiner Abschiedsr­ede in Chicago nahm der Präsident gestern Nacht von den Wählern Abschied. Schon vor der Amtsüberga­be an Donald Trump nächste Woche ist ein Streit darüber entbrannt, was von Obamas teilweise ehrgeizige­n Zielen und von seinen Erfolgen Bestand haben wird. Am Ende könnten ganz andere Dinge in Erinnerung bleiben, als sich der scheidende Präsident wünschen würde: nicht Menschenre­chte und Verständig­ung, sondern der verstärkte Kampfdrohn­en-Einsatz und das Thema Cyber-Angriffe.

Gesellscha­ft Obamas größte Leistung bestand möglicherw­eise in seinem ersten Amtseid im Januar 2009: Die Tatsache, dass Amerika zum ersten Mal einen Afroamerik­aner zum Präsidente­n machte, ist eine historisch­e Wegmarke. Die bloße Amtsüberna­hme Obamas sei dessen „wichtigste­s Vermächtni­s“, sagte der damals unterlegen­e republikan­ische Präsidents­chaftskand­idat John McCain am Wochenende im Fernsehsen­der NBC. Selbst Kritiker räumen ein, dass der redegewand­te und telegene Obama und seine Frau Michelle würdige Repräsenta­nten der USA waren. Allerdings hat Obama die Spannungen zwischen Schwarz und Weiß in seinem Land nicht entscheide­nd entschärfe­n können. Nach wie vor sind Afroamerik­aner auf dem Arbeitsmar­kt benachteil­igt und werden von der Polizei häufiger kontrollie­rt, eingesperr­t und erschossen als Weiße.

Gesundheit­sreform Das Herzstück von Obamas innenpolit­ischen Erfolgen ist die nach ihm benannte Gesundheit­sreform „Obamacare“. Sie soll vor allem den Millionen von unversiche­rten Normalbürg­ern zu einer bezahlbare­n Krankenver­sicherung verhelfen. Mit der Durchsetzu­ng des Pakets war Obama auf einem Gebiet erfolgreic­h, auf dem andere Präsidente­n vor ihm scheiterte­n. Heute liegt die Zahl der Unversiche­rten nach Regierungs­angaben dank Obamacare auf dem historisch­en Tiefstand von 11,9 Prozent der 18- bis 64-Jährigen. Kritiker bemängeln, das System sei kompli- ziert, teuer und gebe dem Staat eine zu große Rolle. Im Wahlkampf kündigte Trump die Abschaffun­g von Obamacare an, doch trotz der republikan­ischen Mehrheit im Parlament dürfte das nicht einfach werden. Zum einen gibt es bei den Republikan­ern internen Streit über die Abtreibung­sfrage, die ihre Mehrheit ins Wanken bringen könnte. Zum anderen sind Teile von Obamacare – etwa die Mitversich­erung erwachsene­r Kinder bei ihren Eltern – auch bei vielen Trump-Wählern beliebt. Viele Beobachter erwarten deshalb, dass zumindest einige Bestandtei­le von Obamacare erhalten bleiben. Es ist aber offen, wie Trump das Kunststück schaffen will, populäre Teile des Systems zu erhalten, ohne die Kosten völlig aus dem Ruder laufen zu lassen.

Außenpolit­ik Nach der Amtszeit von George W. Bush, die der Welt die Kriege in Afghanista­n und im Irak brachte, trat Obama mit dem Verspreche­n besserer Zusammenar­beit und mehr Verständig­ung an. Die Bilanz des gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit dem Friedensno­belpreis geehrten Obama fällt aber durchwachs­en aus. Zwar wurden amerikanis­che Truppen aus Afghanista­n und dem Irak abgezogen, doch gleichzeit­ig verstärkte­n die Amerikaner unter Obama weltweit den Einsatz von Kampfdrohn­en zur Tötung von Terrorverd­ächtigen und anderen Gegnern. Ein US-Spezialkom­mando erschoss auf Obamas Befehl im Jahr 2011 den Al-KaidaChef Osama bin Laden in Pakistan. Das Straflager Guantanamo wurde entgegen Obamas Wahlverspr­echen nicht geschlosse­n.

Der amerikanis­che Truppenrüc­kzug aus dem Irak ging nach Einschätzu­ng von Kritikern zudem mit einer politische­n Abwendung vom Nahen Osten einher, die am Ende zu mehr Instabilit­ät führte und dem globalen Gegenspiel­er Russland eine Einflussau­sweitung erlaubte. Amerikanis­che Partner in der Region wurden unter anderem dadurch verunsiche­rt, dass Obama zuerst einen Chemiewaff­en-Einsatz des syrischen Regimes als „rote Linie“bezeichnet­e, dann aber auf den angedrohte­n Militärein­satz gegen Damaskus verzichtet­e. Auch Obamas Einsatz gegen den Islamische­n Staat wird als halbherzig kritisiert. Der republikan­ische Senator Lindsey Graham sagte NBC am Wochenende, Obama habe das Land aus einer „Position der Stärke zu einer Position der Schwäche“geführt. . Wirtschaft Obamas Regierung hat die USA aus der schweren Finanzkris­e von 2008 geführt und mehr als elf Millionen neue Jobs geschaffen. Mit neu eingeführt­en Regeln wollte die Regierung eine Wiederholu­ng der Bankenkris­e verhindern. Gleichzeit­ig engagierte­n sich die Vereinigen Staaten für den Abschluss neuer Freihandel­sabkommen und warben für den Kampf gegen den Klimawande­l.

Trump und die Republikan­er haben zum Großangrif­f auf Regularien und auf den Freihandel geblasen. Die Republikan­er im Parlament und Ministerka­ndidaten des neuen Präsidente­n haben angekündig­t, viele der Vorschrift­en aus der ObamaZeit so schnell wie möglich wieder abzuschaff­en. Das pazifische Freihandel­sabkommen TPP wird nicht ratifizier­t; Trump will auch das seit mehr als 20 Jahren bestehende Abkommen für die nordamerik­anische Freihandel­szone Nafta von USA, Kanada und Mexiko neu verhandeln. Trump bezweifelt zudem die Existenz des Klimawande­ls und will Umweltschu­tzvorschri­ften abbauen. Trumps umstritten­er Chefberate­r Steve Bannon bezeichnet sich selbst freimütig als „wirtschaft­lichen Nationalis­ten“, während der designiert­e Präsident selbst offen mit Strafzölle­n gegen Unternehme­n droht, die Autos und andere Produkte in Mexiko herstellen lassen, um sie in den USA zu verkaufen. Allerdings droht Trump hier der Widerstand von Republikan­ern im Kongress, die sich dem Freihandel verpflicht­et fühlen.

Spionage In den letzten Wochen seiner Amtszeit reagierte Obama mit Sanktionen und der Ausweisung mutmaßlich­er russischer Spione auf Versuche Russlands, die US-Präsidents­chaftswahl mit Hackerangr­iffen und anderen Methoden zu beeinfluss­en. Kritiker werfen Obama vor, jahrelang nicht genug gegen ausländisc­he Hackerangr­iffe getan zu haben. Zudem müssen sich die USA vorwerfen lassen, selbst seit Jahrzehnte­n immer wieder in Wahlen und politische Prozesse in anderen Ländern einzugreif­en. So intervenie­rten die USA unter anderem im Iran und in Chile, wenn ihnen die dortigen Wahlergebn­isse nicht passten. Auch Obama selbst ist kein Unschuldsl­amm. Unter seiner Präsidents­chaft wurde ein groß angelegtes Abhörprogr­amm amerikanis­cher Geheimdien­ste bekannt, das bis zum Handy von Kanzlerin Angela Merkel reichte.

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Foto: Shawn Thew, dpa Barack Obama kurz nach seiner ersten Wahl bei einem Auftritt in seiner Heimatstad­t Chicago: Bestand seine größte Lebensleis tung allein im historisch­en Triumph von 2008?
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Demonstrat­ion gegen Rassendisk­rimi nierung: Probleme nicht entschärft.
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Gesundheit­sreform „Obamacare“: Viele scheiterte­n zuvor an dem Projekt.
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Zerstörte syrische Stadt Aleppo: Position der Schwäche statt der Stärke?
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Fotos: dpa Abhörposte­n in Deutschlan­d: Der Präsi dent war kein Unschuldsl­amm.
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Geretteter Autokonzer­nriese GM: Elf Mil lionen neue US Jobs seit der Finanzkris­e

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