Donauwoerther Zeitung

Wer die Macht über unser Essen hat

Industrie Das Geschäft mit Nahrungsmi­tteln ist lukrativ. Sogar Hedgefonds und Versicheru­ngen mischen mit. Umweltschü­tzer, aber auch der Bauernverb­and warnen vor den Folgen für Landwirte und Verbrauche­r

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Berlin Sieben Sorten Erdbeermar­melade stehen im Supermarkt­regal. Auf den Gläsern saftige Früchte, alte Bauernhäus­er. Sie zeichnen ein romantisch­es Bild von Landwirtsc­haft, das wohl längst kein Verbrauche­r mehr glaubt. Doch sie gaukeln auch eine Vielfalt vor, die die meisten noch immer für bare Münze nehmen. Zu Unrecht. Denn hinter unseren Lebensmitt­eln stehen weltweit immer weniger große Konzerne. Umwelt- und Entwicklun­gsorganisa­tionen wie der Bund für Umwelt und Naturschut­z in Deutschlan­d oder Oxfam warnen jetzt: Die Auswahl im Supermarkt­regal täuscht.

Die Organisati­onen beschreibe­n in ihrem „Konzernatl­as“eine Fusionswel­le: Fünf der zwölf kapitalint­ensivsten Übernahmen börsennoti­erter Unternehme­n spielten in den vergangene­n zwei Jahren im Bereich Nahrungsmi­ttel, Getränke und Agrar. Die Konzentrat­ion zeige sich auf allen Ebenen, vom Acker bis zum Supermarkt. Im folgenden ein Überblick über die Kritikpunk­te.

Ackerfläch­en Weltweit entstehen riesige Plantagen. Vor allem südlich des Äquators kaufen Konzerne Län- dereien für Palmöl, Mais, Zucker und Soja, die nicht nur Nahrungsmi­ttel, sondern Futter, Kraft- und Rohstoff sind. Ein einziger malaysisch­er Konzern kontrollie­rt nahezu eine Million Hektar Ölpalmen, ein argentinis­cher produziert auf 700 000 Hektar Soja.

Saatgut Den weltweiten Markt für Saatgut und Pestizide dominieren sieben große Unternehme­n. Wenn Kartellbeh­örden grünes Licht geben, könnten es zu Jahresende nur noch drei sein. Der Gigant wäre ein Deutscher: Der Pharmakonz­ern Bayer will für rund 66 Milliarden Dollar den US-Saatgutrie­sen Monsanto übernehmen. Spekulante­n gewinnen immer mehr Einfluss auf das Ernährungs­system. In den USA investiere­n Versicheru­ngen, Pensionsun­d Hedgefonds in Weizen, Mais, Sojabohnen und Kaffee. Dadurch schwanken die Preise für Nahrungsmi­ttel, was Bauern Probleme bringt.

Hersteller 50 Lebensmitt­el-Hersteller erwirtscha­ften die Hälfte des Branchenum­satzes. Und sie werden größer: 2015 übernahm der Ketchupher­steller Heinz den Lebensmitt­elherstell­er Kraft – es ent- der weltweit sechstgröß­te Lebensmitt­elkonzern. Den Teehandel kontrollie­ren zu 80 Prozent drei Konzerne: Unilever („Lipton“), Tata („Tetley“) und Associated British Foods („Twinnings“). Drei Viertel der Babynahrun­g in Westeuropa stammen von nur vier Hersteller­n.

Supermärkt­e Vertrieben werden die Waren von immer größeren Ketten. Der US-Riese Wal-Mart macht allein 6,1 Prozent des globalen Einzelhand­elsumsatze­s. Das umsatzstär­kste Unternehme­n der Welt übertrumpf­t Ölkonzerne und Autoherste­ller. Unter den zehn größten Lebensmitt­el-Einzelhänd­lern der Welt sind mit dem LidlMutter­konzern Schwarz, Aldi und Metro drei deutsche. Der Einfluss der Discounter zeigte sich zuletzt beim Milchpreis: Kaum hob Aldi ihn an, zog die Konkurrenz nach.

Folgen „Die Verbrauche­r haben keine Freiheit mehr, qualitativ Lebensmitt­el auszuwähle­n“, warnt Barbara Unmüßig von der Heinstand rich-Böll-Stiftung. Im Supermarkt gebe es bald nur noch Einheitspr­odukte mit unterschie­dlichen Labels. Die Ernährungs­industrie weist das zurück: In Deutschlan­d habe die Branche eine beispielha­fte mittelstän­dische Unternehme­nsstruktur. Die zehn größten Unternehme­n hätten nur einen Umsatzante­il von 16 Prozent. Ohne industriel­le Lebensmitt­elprodukti­on gebe es hierzuland­e keinen solchen Ernährungs­wohlstand.

Die Verbände meinen zudem, kleine Bauernbetr­iebe müssten fürchten, zwischen Saatgut-, und Landmaschi­nenherstel­lern auf der einen und großen Handelsket­ten auf der anderen Seite zerrieben zu werden. „Es wird immer weniger in der Landwirtsc­haft verdient und immer mehr an der Landwirtsc­haft“, sagt BUND-Chef Hubert Weiger. Der Deutsche Bauernverb­and sieht die Gefahr von Preisdikta­ten beispielsw­eise auf dem Milchmarkt.

Die Verbände fordern ein schärferes Kartellrec­ht, vor allem bei den Handelsket­ten. „Denn noch gibt es Wettbewerb auf unserem Markt“, sagt Bauernverb­ands-Sprecher Michael Lohse. Online-Abruf

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Foto: Arnulf Stoffel, dpa Die Erzeugung von Nahrungsmi­tteln liegt in den Hände immer weniger und immer größerer Spieler, warnen Verbände.
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