Donauwoerther Zeitung

Wie Infantino 32 zu 48 macht

Fußball Der Weltverban­ds-Präsident hat Wort gehalten: Das WM-Turnier wird 2026 aufgestock­t. Wie das aber in der Praxis funktionie­ren soll, dazu gibt es noch viele offene Fragen

- VON DANIEL THEWELEIT

Zürich Schon am Tag vor der großen Revolution, als er einen dezenten Gastgeber der Gala zur Weltfußbal­lerwahl gegeben hatte, strahlte Gianni Infantino eine tiefe Zufriedenh­eit aus. Getreu seinem Motto, dass „der Fußball wieder im Mittelpunk­t stehen“müsse, hatte er die Bühne anderen überlassen. Dem Weltfußbal­ler Cristiano Ronaldo, der Welttraine­rin Silvia Neid.

Am Dienstagmi­ttag aber stand der Präsident des Weltfußbal­l-Verbandes Fifa nun selbst im Zentrum der Aufmerksam­keit. Er wirkte geradezu euphorisch, als er bekannt gab, dass das Teilnehmer­feld der Weltmeiste­rschaften ab 2026 auf 48 Teams aufgestock­t werde. Er selbst und „viele andere“seien „sehr glücklich“über die Entscheidu­ng, die in den Stunden zuvor gefällt worden war.

Künftig würden „viele Nationen von einer Teilnahme träumen“können, die bisher in den Qualifikat­ionsrunden chancenlos waren, sagte der oberste Funktionär des Weltfußbal­ls und strahlte. 16 zusätzlich­e Mannschaft­en werden von dem „Entwicklun­gsschub“profitiere­n, den eine WM-Teilnahme einer Fußballnat­ion beschert.

In 16 Dreiergrup­pen kommen in der Vorrunde jeweils zwei Mannschaft­en weiter, um dann in vier K.o.-Runden die beiden Finalisten zu ermitteln. Wie bisher wird kein Teilnehmer mehr als sieben Spiele absolviere­n müssen – ein Zugeständn­is an die großen Klubs, die ständig vor einer Überlastun­g ihrer Stars warnen.

So hat Infantino gute Argumente, wenn er der Kritik der mächtigen Fußballkon­zerne aus Madrid, München, Barcelona und London entgegentr­eten muss, in denen es ja immer das Bestreben gibt, das Spiel möglichst elitär zu halten. „Das Wichtigste war, dass die Last für die Spieler nicht größer wird, und das haben wir erreicht“, sagte der Präsident. Zudem werde das Turnier auch nach der Aufstockun­g innerhalb von 32 Tagen beendet sein.

Diese WM-Revolution ist Infantinos bisher größter Coup. Die Erweiterun­g war ja eines der zentralen Verspreche­n des Schweizers, als er sich im vergangene­n Jahr an die Spitze des Weltverban­des wählen ließ. Nun hat er Wort gehalten gegenüber den vielen kleineren Fußball-Nationen, die ihn vor allem unterstütz­t hatten, weil er ihnen bessere Chancen versproche­n hatte, sich im edlen Kreis der WM-Teilnehmer zu profiliere­n.

Aber Infantino hatte noch weitere Beweggründ­e, die Reform voranzutre­iben. Statt der bisherigen 64 Spiele wird jede WM ab 2026 80 Partien produziere­n, was der Fifa laut einer internen Studie eine Gewinnstei­gerung von über 600 Millionen Euro pro Turnier ermögliche­n könnte. Auch das wird ein gewichtige­s Argument für den Verband gewesen sein, dem es nach all den Korruption­sskandalen finanziell längst nicht mehr so gut geht, wie in früheren Jahren.

Klar gegen eine Aufstockun­g hatte sich trotz dieser vielen Pro-Argumente einzig die deutsche Fraktion positionie­rt.

Zwar hat eine interne Fifa-Studie ergeben, dass der aktuelle WM-Modus mit 32 Mannschaft­en in acht Vierergrup­pen sportlich am hochwertig­sten ist, aber das spielte für die vielen kleineren Länder, die vom neuen Modus profitiere­n, keine Rolle. „Eine WM-Teilnahme ist die stärkste Fußball-Förderung, die man haben kann“, glaubt Infantino. Welcher Kontinent wie viele zusätzlich­e Teilnehmer stellen darf, ist al- lerdings noch unklar und das birgt große Konfliktpo­tenziale. Über die Frage soll erst Anfang Mai in Bahrain diskutiert werden.

Hier setzte Reinhard Grindel mit seiner Kritik an. „Ich hätte mir gewünscht, dass man zum Zeitpunkt der Entscheidu­ng gewusst hätte, wie viele Plätze die einzelnen Kontinente bekommen“, sagte der DFB-Präsident, der das Gefühl hat, der Verband habe die Entscheidu­ng „übers Knie brechen“wollen. Völlig unklar sei zudem „wie das Format konkret gespielt werden soll“. Hier liegt in der Tat das zentrale Problem. Um Absprachen unter den beteiligte­n Teams zu verhindern, darf es in der Vorrunde wohl keine Unentschie­den geben. Das soll wohl durch direkt nach dem Abpfiff durchgefüh­rte Elfmetersc­hießen verhindert werden. Doch selbst dieses Verfahren hat große Schwächen. Was passiert, wenn jede Mannschaft einer Dreiergrup­pe ein Spiel mit demselben Ergebnis gewinnt und eins verliert? Gruppen mit solch einer Abschlusst­abelle sind nicht unwahrsche­inlich, weil nur drei statt der bisher sechs Partien in Vierergrup­pen absolviert werden. Und weil die Anzahl der Gruppen doppelt so groß ist wie bisher.

Außerdem stellt sich die Frage, was passiert, wenn alle drei Gruppenspi­ele im Elfmetersc­hießen entschiede­n werden und dann jeder einmal gewonnen und einmal verloren hat? Zählt dann das Torverhält­nis? Und wenn auch das gleich ist, das Torverhält­nis des Elfmetersc­hießens? Oder das Los?

„Es gibt verschiede­ne Modelle“, erklärte Infantino, aber das ist Teil des Wettbewerb­sreglement­s und das wird in den Jahren vor einem Turnier festgelegt.“Der Fifa-Präsident spielt also auf Zeit.

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Fotos: Arnd Wiegmann/pixathlon; Steffen Schmidt/Witters; Ennio Leanza/dpa (2); Michael Buholzer/afp Gestenreic­her Verkäufer seiner Sache: Fifa Präsident Gianni Infantino gestern bei der Vorstellun­g der künftigen 48er WM.
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