Donauwoerther Zeitung

Warum die Rückkehr zum neunjährig­en Gymnasium richtig ist

Leitartike­l Das G8 steht in Bayern vor dem Aus. Das ist auch der mehrheitli­che Wille von Lehrern, Eltern und Schülern. Und dennoch droht ein bildungspo­litisches Chaos

- VON JÖRG SIGMUND joes@augsburger allgemeine.de

Die rot-grüne Regierung in Hannover hat es vorgemacht. Als erstes Bundesland schaffte Niedersach­sen das TurboAbitu­r wieder ab und kehrte zum neunjährig­en Gymnasium zurück. In Bayern wünscht sich diesen Schritt eine große Mehrheit der Lehrer, Eltern und Schüler. Doch die regierende CSU will sich noch immer nicht auf ein konkretes Modell festlegen und nach wie vor den Ausgang des laufenden Dialogproz­esses abwarten. Dabei steht das Ergebnis doch längst fest: Das vor 13 Jahren noch unter Ministerpr­äsident Edmund Stoiber im Hopplahopp-Verfahren überstürzt eingeführt­e G 8 will nur eine verschwind­end geringe Minderheit.

Noch gibt es in der CSU-Landtagsfr­aktion Widerständ­e. Wohl auch deshalb, um sich vor der Schmach zu bewahren, mit der Einführung des achtjährig­en Gymnasiums einen schweren Fehler gemacht zu haben. Doch letztlich dürfte sich auch unter den CSUAbgeord­neten die Überzeugun­g durchsetze­n, den Kampf nicht mehr gewinnen zu können. Die G-8-Bastion steht vor dem Fall.

Als sich Ministerpr­äsident Horst Seehofer jüngst klar zur Wahlfreihe­it zwischen acht- und neunjährig­em Gymnasium bekannt hatte, sahen sich die Streiter für das G 9 bereits auf der Zielgerade­n. Doch so weit ist es noch nicht. Denn Seehofer hat auch gesagt, dass es den Schülern weiter freigestel­lt bleiben soll, ob sie das Abitur schon nach acht Jahren am Gymnasium ablegen wollen. Wie das zu organisier­en ist, sei Sache des Kultusmini­sters.

Und genau darin liegt ja das Problem. Die Verantwort­ung wird an die Schulen abgewälzt. Sie sollen selbst entscheide­n, ob sie vom Schuljahr 2018/19 an bei der achtjährig­en Dauer bleiben, auf ein neunjährig­es Modell wechseln oder im Einzelfall auch beide Varianten parallel anbieten. Kurz gesagt: Es ist ein fauler Kompromiss.

Selbstvers­tändlich gibt es Schüler, die das Gymnasium in acht Jahren schaffen und mit einem ausgezeich­neten Abiturzeug­nis abschließe­n. Schon heute beenden 40 Prozent einer Jahrgangss­tufe das Gymnasium mit einem Notenschni­tt von 1,5 und darunter. Auch für sie sollte es in Zukunft Möglichkei­ten geben – sozusagen auf der Überholspu­r –, zum Ziel zu kommen.

Seehofer hat ja auch gesagt, dass Bildung auf die einzelnen Personen und ihre unterschie­dlichen Talente ausgericht­et sein sollte. Der Bayerische Philologen­verband plädiert seit langem für flexible Modelle. Allerdings, und gerade das sollte der Politik zu denken geben, haben sich in einem Pilotversu­ch an 47 Gymnasien im Freistaat immerhin knapp 70 Prozent der Eltern und Schüler für eine „Mittelstuf­e plus“– also die vierjährig­e Variante in der Mittelstuf­e – und damit gegen das Turbo-Abitur ausgesproc­hen.

Die Gymnasien selbst über G 8 oder G9 entscheide­n zu lassen, kann keine Lösung sein. Denn wer bitte trifft an den Schulen die Entscheidu­ng, welches Modell letztlich favorisier­t wird? Die Lehrer, die Eltern oder der Schulträge­r? Dann droht ein quälender Prozess, der schnurstra­cks ins bildungspo­litische Chaos führt und die Flickschus­terei nur noch befeuert. Geradezu grotesk erscheint es, beide Varianten parallel laufen zu lassen. Dieses Modell ist nicht finanzierb­ar und führt zwangsläuf­ig zur Frage, wer etwa den zusätzlich­en Bedarf an Pädagogen bezahlt. Ist es der Staat, sind es am Ende die Kommunen?

Er wolle Ruhe an der Schulfront, hat Ministerpr­äsident Seehofer einmal gesagt. An dem Gymnasium könnte er sie bekommen, wenn sich die Staatsregi­erung endlich zu einem klaren Kurs durchringt. Am Ende dieses Weges kann nur die Rückkehr zum neunjährig­en Gymnasium stehen und damit der Abschied vom Turbo-Abitur. Niedersach­sen hat es vorgemacht.

Philologen­verband plädiert für flexible Modelle

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Zeichnung: Tomicek Weg frei für den Unions Wahlkampf.
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