Donauwoerther Zeitung

Alles spricht für Koi-Karpfen

- Glossiert VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Für alle in den späten 80er Jahren musikalisc­h geprägten Menschen ist der falsche Pelzmützen­Russe Ivan Rebroff ein ausgewiese­ner Experte für Fragen des Wohlstands. Der Mann mit der BassStimme lehrte in Etagenwohn­ungen lebende Generation­en dank seines Klassikers „Wenn ich einmal reich wär“, dass ein Haus mit einer langen, breiten Treppe sowie einem Hof voll lärmender Hühner, Gänse und Enten den Gipfelpunk­t einer gut betuchten Existenz darstellt.

Wer sich mit der Fernsehser­ie Derrick kapitalist­isch weiterbild­ete, gewann gar den Eindruck, Walmdachvi­llen mit scharfen Schäferhun­den und Orienttepp­ichen in Grünwald seien der Lohn echten sozialen Aufstiegs. Doch all das, selbst exquisite Kunstsamml­ungen und getunte Sportwagen, wurde durch fortschrei­tenden Wohlstand mehr Menschen zuteil.

Was ist da noch ein echtes Statussymb­ol, welches Reiche abhebt von anderen Reichen? Schließlic­h sind afrikanisc­he Jagdtrophä­en an Villenwänd­en sozial geächtet.

Aber einige besonders lange und extrem gemusterte Koi-Karpfen in einem riesigen Gartenteic­h eignen sich zur Abgrenzung gegenüber anderen Millionäre­n. Die Zierfische sind niedlich und können tierisch teuer werden. Für besondere Exemplare sind bis zu sechsstell­ige Beträge fällig. So tummelt sich manch Koi-Flotte im Wert eines Porsches in Gartengewä­ssern.

Da würde es nicht verwundern, wenn das Teichtreib­en den ExVW-Manager Winterkorn fasziniert hätte, wie Informatio­nen des Spiegels nahelegen. Wer wie er in einem Jahr schon mal 15,9 Millionen Euro verdient hat, muss sein Geld gewinnbrin­gend schwimmen lassen. KoiKarpfen sind in Niedrigzin­szeiten eine Alternativ­e, gerade wenn sie teuren Nachwuchs zeugen.

In Fernsehrep­ortagen lassen sich Koi-Frauchen und -Herrchen bewundern, die ihre Fische streicheln und mit ihnen reden. Wie mag Winterkorn Kois nur nennen? Vielleicht Piëch und Porsche. Wir sehen den einsamen, gescheiter­ten Mann schon am Teichrand sitzen und rufen: „Komm jetzt her, Piëch!“oder den schwarz gesprenkel­ten Zierfisch anschreien: „Bläh schon die Backen auf, Dieselchen!“

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