Es geht nicht in jeder Branche
Es hört sich erst einmal ganz simpel an: Warum sollte ein älterer Mensch denn nicht, wenn er im Rentenalter ist, einfach weiterarbeiten? Die Menschen werden älter heutzutage, die Gesundheitsfürsorge ist vielleicht so gut in unseren Breiten wie noch nie zuvor in der Geschichte. Und die demografische Lage erfordert es ja auch.
Nun ja, ganz so simpel ist die Rechnung dann aber doch nicht. Es gibt sie, diejenigen, die länger, sogar bis weit über das Rentenalter hinaus arbeiten. Weil sie es möchten, weil sie fit sind, weil sie ihre Tätigkeit sinnhaft sehen oder sie gar Inhaber eines eigenen Geschäftes sind, das fortgeführt werden soll. Weil sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen wollen. Das ist wunderbar, denn, wie einst Martin Luther zu sagen pflegte, der Mensch ist ja schließlich zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen. All das ist löblich, oder wie man heutzutage in der Politik zu sagen pflegt „richtig und wichtig“.
Dennoch, es gibt ein zu beachtendes Aber: Es geht nun einmal nicht bei jedem Menschen gleichermaßen, dass er seiner gelernten Tätigkeit über das Renteneinstiegsalter hinaus nachgehen kann. Im Gegenteil, in einigen Branchen des Handwerks oder in der Pflege sind viele der Beschäftigten bereits Jahre vor dem Renteneintritt körperlich kaum noch in der Lage, allen Anforderungen auf ihren jeweiligen Posten nachzukommen. Insofern verbieten sich oftmals Generalisierungen – das muss allem voran die Politik beherzigen.
Der Renteneintritt müsste wahrscheinlich nach den jeweiligen Tätigkeiten gestaffelt sein, um einigermaßen fair zu sein. Warum muss etwa ein Dachdecker nach Jahrzehnten im Beruf mit Mitte 50 Sozialhilfe beantragen, wenn es körperlich nicht mehr geht? Ähnlich die Situation in der Pflegebranche.
Es geht eben auch um die Würde des Menschen im Alter. Jemanden noch schuften zu lassen, der nicht mehr kann, nur damit die vielerorts völlig überzogene Miete noch bezahlt werden kann ... nein, hier ist wirklich etwas mehr Zusammenhalt in unserem Land gefragt, letztlich auch der viel zitierte Sozialstaat. Es ist nicht fair, alle blind über einen Kamm zu scheren.
Das präsentierte Bild trügt oftmals, wenn in Fernseh-Talkshows stromlinienförmige Manager mit 75 Jahren davon salbadern, dass sie die Leistungsträger seien, denen all die anderen Unwissenden doch einfach nur nacheifern sollten. Jene so unermüdlichen fleißigen Bienen müssen meist aber nicht mehr auf Dächer steigen oder Rollstuhlfahrer in Krankenbetten hieven.