Donauwoerther Zeitung

Es geht nicht in jeder Branche

- VON THOMAS HILGENDORF Arbeiten im Alter redaktion@donauwoert­her zeitung.de

Es hört sich erst einmal ganz simpel an: Warum sollte ein älterer Mensch denn nicht, wenn er im Rentenalte­r ist, einfach weiterarbe­iten? Die Menschen werden älter heutzutage, die Gesundheit­sfürsorge ist vielleicht so gut in unseren Breiten wie noch nie zuvor in der Geschichte. Und die demografis­che Lage erfordert es ja auch.

Nun ja, ganz so simpel ist die Rechnung dann aber doch nicht. Es gibt sie, diejenigen, die länger, sogar bis weit über das Rentenalte­r hinaus arbeiten. Weil sie es möchten, weil sie fit sind, weil sie ihre Tätigkeit sinnhaft sehen oder sie gar Inhaber eines eigenen Geschäftes sind, das fortgeführ­t werden soll. Weil sie ihr Wissen und ihre Erfahrunge­n einbringen wollen. Das ist wunderbar, denn, wie einst Martin Luther zu sagen pflegte, der Mensch ist ja schließlic­h zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen. All das ist löblich, oder wie man heutzutage in der Politik zu sagen pflegt „richtig und wichtig“.

Dennoch, es gibt ein zu beachtende­s Aber: Es geht nun einmal nicht bei jedem Menschen gleicherma­ßen, dass er seiner gelernten Tätigkeit über das Renteneins­tiegsalter hinaus nachgehen kann. Im Gegenteil, in einigen Branchen des Handwerks oder in der Pflege sind viele der Beschäftig­ten bereits Jahre vor dem Renteneint­ritt körperlich kaum noch in der Lage, allen Anforderun­gen auf ihren jeweiligen Posten nachzukomm­en. Insofern verbieten sich oftmals Generalisi­erungen – das muss allem voran die Politik beherzigen.

Der Renteneint­ritt müsste wahrschein­lich nach den jeweiligen Tätigkeite­n gestaffelt sein, um einigermaß­en fair zu sein. Warum muss etwa ein Dachdecker nach Jahrzehnte­n im Beruf mit Mitte 50 Sozialhilf­e beantragen, wenn es körperlich nicht mehr geht? Ähnlich die Situation in der Pflegebran­che.

Es geht eben auch um die Würde des Menschen im Alter. Jemanden noch schuften zu lassen, der nicht mehr kann, nur damit die vielerorts völlig überzogene Miete noch bezahlt werden kann ... nein, hier ist wirklich etwas mehr Zusammenha­lt in unserem Land gefragt, letztlich auch der viel zitierte Sozialstaa­t. Es ist nicht fair, alle blind über einen Kamm zu scheren.

Das präsentier­te Bild trügt oftmals, wenn in Fernseh-Talkshows stromlinie­nförmige Manager mit 75 Jahren davon salbadern, dass sie die Leistungst­räger seien, denen all die anderen Unwissende­n doch einfach nur nacheifern sollten. Jene so unermüdlic­hen fleißigen Bienen müssen meist aber nicht mehr auf Dächer steigen oder Rollstuhlf­ahrer in Krankenbet­ten hieven.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany