Die Flutpolder sind nicht das Problem
Interview Hubert Mayer und Michael Audibert geben ihren Widerstand nicht auf, aber warum?
Diese zwei geben nicht auf: Hubert Mayer und Michael Audibert sind bei fast jedem Hochwasserdialog anzutreffen, schreiben Briefe an Ämter, Behörden und die Zeitung. Sie engagieren sich in der Bürgerinitiative „Rettet das Donauried“. Warum sind Sie so entschlossen gegen die geplanten Flutpolder? Mayer: Es ist gar nicht klar, ob wir welche brauchen. Es fehlt jede Grundlagenberechnung dafür – obwohl es um einen bayernweiten Hochwasserschutz geht. Audibert: Zwei Studien hat die Technische Universität München erstellt, mehr nicht. Und da geht es nur um die Donau.
Was fehlt genau? Mayer: Es müssen auch die Zuflüsse untersucht werden. Das Hochwasser in Deggendorf ist schließlich nicht in Deggendorf entstanden. Doch statt einer umfassenden wurde eine auf Polder ausgerichtete Studie bevorzugt. Audibert: Ich bin Geologe. Ich habe die beiden Studien gelesen. Die Modellierungen, die dafür vorgenommen wurden, basieren auf stark vereinfachten Grundlagen. Man hat die Donau in vier Abschnitte eingeteilt und die Zuflüsse weggelassen. Außerdem fehlte die Hardware: Um eine einzelne Simulation für einen Abschnitt im Modell zu erstellen, benötigte der Rechner an der Uni eine Woche.
Doch inzwischen haben sich die Ergebnisse ja geändert. Statt Polder im Norden, wie in der Studie, werden nun Polder im Süden bevorzugt. Mayer: Noch ein Zeichen dafür, dass die Studie nicht so toll gewesen sein kann. Warum engagieren Sie sich überhaupt so stark? Mayer: Ich betreibe einen Ackerbaubetrieb in den Schwaighöfen. Kommt der 1800 Hektar große Flutpolder, fallen mir sicher 2,4 Hektar weg, im schlimmsten Fall noch ein Acker mit 20 Hektar. Schon jetzt ist der Preisdruck für Flächen extrem. Für Landwirte ist die aktuelle Planung eine Katastrophe. Audibert: Vor sechs Jahren habe ich das Haus hier gekauft. Die alten Siedlungskerne und die Schwaighöfe hier sind vor einem HQextrem sicher. Aber ein Flutpolder ändert die Druckverhältnisse im Untergrund und den Grundwasserfluss, was zu Problemen führen wird. Als man hier den Grundwasserspiegel im Zuge des Straßenbaus absenkte, folgten Setzungen, und die Häuser bekamen Risse. Deswegen wäre eine hydraulische Untersuchung im Vorfeld so notwendig gewesen. Die läuft jetzt wohl. Aber ob unsere Themen, Ideen und Probleme darin behandelt werden, wissen wir nicht. Nachdem mir das Wasserwirtschaftsamt nie erschöpfend antwortete, sehe ich keinen Sinn in einer weiteren fachlichen Diskussion.
Zurück zu den Flutpoldern: Es gibt eine sofortige Entschädigung für die beanspruchte Fläche in Höhe von 20 Prozent des Grundstückswerts. Audibert: Wie hoch die Entschädigung ausfällt, ist noch gar nicht sicher. Es gibt einen großen Spielraum zwischen dem Verkehrswert (etwa zehn Euro) eines Grundstücks und dem Ertragswert, der deutlich darunter liegt. Außerdem müssen die Eigentümer den Betrag versteuern, unter Umständen bleibt also kaum etwas – aber man hat eine nachhaltige Wertminderung. Mayer: Uns fehlt auch die Verhältnismäßigkeit. In Schwaben sind zwölf Polderstandorte untersucht worden, in Oberbayern vier, an den Zubringern keine. Wir sehen nicht ein, dass wir das Hochwasser anderer aufnehmen sollen. Wir haben seit 1965 den Riedstrom. Für den regionalen Hochwasserschutz für ein HQ100 braucht man ein paar kleine Maßnahmen, aber keine Polder. Aber die Flutpolder sollen doch nur im Extremfall geflutet werden. Umweltministerin Ulrike Scharf sagte in Höchstädt: Wir bauen etwas, das wir im besten Fall gar nicht brauchen. Audibert: Wenn die Polder da sind, werden sie genutzt, auch wenn andernorts Gefahr droht. Das Wasserwirtschaftsamt hat uns sogar schriftlich bestätigt, dass das auch gilt, wenn zum Beispiel am Lech ein Hochwasser ist. Von regionalem Hochwasserschutz kann also keine Rede sein. Und bei einem HQextrem bringt ein Flutpolder auch gar nichts, haben wir in Höchstädt bei einem Dialogforum vom WWA erfahren.
Aber was ist denn dann die Alternative zum Flutpolder? Audibert: Ein HQ100 und ein HQextrem gefährdet Menschen. Es fehlt eine bayernweite, umfassende Studie mit Modellierung und ganzheitlichem Hochwasserschutzkonzept. Diese Hausaufgabe ist erst mal zu erledigen, bevor man in die Planung einsteigt. Mayer: Man muss an die Bauordnungen ran. In den großen Städten wird viel zu viel Raum versiegelt. Es gibt ja nur noch winzige Gartenstreifen, wo Regenwasser versickern kann, der Großteil wird in den Kanal eingeleitet. Auf Kosten der Landbevölkerung findet eine Gewinnmaximierung in den Städten statt. Audibert: Ein HQextrem gefährdet auch Menschen. Die müsste man jetzt schon umsiedeln. In den Niederlanden wird das schon so gemacht. Aber wie gesagt, es fehlen die nötigen Untersuchungen.