Donauwoerther Zeitung

Wo die blauen Kraken wohnen

Auf der Suche nach den Schätzen der Tiefsee haben Forscher einzigarti­ge Tiere entdeckt. Doch ihr Lebensraum ist schon bedroht

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Die Tiefsee gehört zu den am wenigsten erforschte­n Gebieten der Erde. Doch mit zunehmende­r Verknappun­g natürliche­r Ressourcen gerät sie immer mehr in das Blickfeld von Forschung, Politik und Wirtschaft. Unter anderem, weil in der Tiefsee große Vorkommen an Metallen vermutet werden. Manganknol­len etwa. Diese auch „Trüffel der Tiefsee“genannten Klumpen liegen vor allem in Wassertief­en von vier- bis fünftausen­d Metern auf dem Grund der Ozeane und bestehen aus Mangan, Eisen, Kupfer, Nickel und einigen anderen Metallen. Sie sind so groß wie Kartoffeln oder Salatköpfe – und wachsen langsam. Sehr langsam. In einer Million Jahre legen sie nur um wenige Millimeter zu. Das heißt im Umkehrschl­uss: Wo Manganknol­len liegen, sind die Bedingunge­n auf dem Meeresbode­n seit Urzeiten mehr oder minder unveränder­t geblieben.

Nun hat ein Team aus deutschen und amerikanis­chen Biologen bei der Untersuchu­ng eines solchen Knollenfel­des im Pazifik entdeckt, dass die urzeitlich­en Knollen nicht nur ein potenziell­es Rohstoffla­ger für die Menschheit sind, sondern auch der Lebensraum für bisher unbekannte Tiefseekra­ken. Im Fachmagazi­n Current Biology berichten die Wissenscha­ftler, dass die Kraken auf die Knollen als Brutstätte angewiesen sind. Demnach heften die neuentdeck­ten Tiere ihre Eier an Schwämme, welche nur auf den Manganknol­len wachsen. Gefilmt haben die Forscher die Kraken in über 4000 Metern Tiefe im Pazifik.

Kurz zuvor hatten bereits deutsche Forscher des Alfred-WegenerIns­titutes, des GEOMAR, des MaxPlanck-Institutes für Marine Mikrobiolo­gie und des Zentrums für Marine Umweltwiss­enschaften (MARUM) im sogenannte­n PeruBecken weitere bislang unbekannte Krakenarte­n gefilmt und fotografie­rt. „Diese Tiere hatten ihre Eier in einer Tiefe von 4000 Metern an die Stängel abgestorbe­ner Schwämme geheftet, welche wiederum auf Manganknol­len gewachsen waren. Die Knollen dienten den Schwämmen als einziger Ankerpunkt auf dem sonst sehr schlammige­n Untergrund. Das heißt, ohne die Manganknol­len hätten die Schwämme an dieser Stelle nicht leben können und ohne Schwämme hätten die Kraken keinen Platz für ihr Gelege gefunden“, heißt es in einer Mitteilung des Alfred-Wegener-Instituts.

Wie sensibel der Lebensraum Tiefsee auf menschlich­e Eingriffe reagiert, beweist auch das sogenannte DISCOL-Experiment aus den späten 1980er Jahren. Wie in der World Ocean Review aus dem Jahr 2014 berichtet, haben deutsche Wissenscha­ftler bei diesem Experiment absichtlic­h große Tiefseegeb­iete durch das Ernten der Manganknol­len mit einer Art Schlitten zerstört, um herauszufi­nden, wie lange das Ökosystem braucht, um sich von dem Eingriff zu erholen. Das Ergebnis ist niederschm­etternd: „Auch nach 26 Jahren haben sich die Bestände ganzer Tiergruppe­n nicht erholt“, schreiben die Wissenscha­ftler von damals in einer aktuellen Publikatio­n. Und weiter: „Die Entnahme der Manganknol­len führte damals dazu, dass die Gemeinscha­ft der fest am Boden siedelnden Tiere, zu der auch Schwämme gehören, fast vollständi­g zusammenge­brochen ist.“

Momentan gibt es an Land noch genügend Vorkommen der Metalle, die in den Manganknol­len lagern. Zudem hemmen gesunkene Rohstoffpr­eise und unterentwi­ckelte Fördertech­nik die Ausbeute. Das muss aber nicht so bleiben. Liegen die Vorkommen der Manganknol­len auf Hoher See, also außerhalb der Hoheitsgeb­iete von Staaten, ist laut World Ocean Review die Internatio­nale Meeresbode­nbehörde (Internatio­nal Seabed Authority, ISA) mit Sitz in Kingston, Jamaika, für ihre Verwaltung zuständig. Sie vergibt die Lizenzen für die Erkundung und Ausbeutung. Aktuell hat unter anderem Deutschlan­d eine Lizenz zur Erkundung erteilt bekommen. Nun wartet auf die Wissenscha­ftler eine kaum lösbare Aufgabe: Wie kann eine künftige Nutzung der Rohstoffe mit einem Schutz der Umwelt in Einklang gebracht werden?

Besonders gefährdet sind die Kraken auch, weil sie nur sehr wenige Eier legen und außergewöh­nlich lange Reprodukti­onszyklen haben: Der Nachwuchs von Kraken, die bei einer Wassertemp­eratur von drei Grad Celsius laichen, schlüpft erst vier Jahre später. Am Grund des Peru-Beckens aber beträgt die Wassertemp­eratur gerade mal 1,5 Grad Celsius. Krakenembr­yos könnten hier viele Jahre benötigen, um sich vollständi­g zu entwickeln. (maz-)

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Fotos: ROV Team/ GEOMAR, NOAA Of fice of Ocean Explo ration and Research/ Hohonu Moana 2016(2), Jason 2 ROV team, Alfred Wegener Institut/ OFOS Team Auf dem Grund des Pazifiks in einer Tiefe von drei bis viertausen­d Me tern haben ameri kanische und deut sche Forscher neue Krakenarte­n entdeckt.
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