Warum Gymnasien wieder neun Jahre Zeit wollen
Bildung Die Politik diskutiert und diskutiert. Dabei ist an den Schulen längst klar: Eine große Mehrheit der Schüler und Eltern wünscht sich das G9 zurück. Viele Lehrer auch. Wir haben Meinungen aus der Region gesammelt
Augsburg Die Entscheidung ist in Sicht. Wohl bis Ende Januar will Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) die Zukunft des Gymnasiums festklopfen. Alles sieht danach aus, als solle jede Schule selbst entscheiden können, ob sie das Abitur in acht oder neun Jahren anbietet. Auch beide Wege in einem Haus sind denkbar. Aber was wollen Lehrer, Schüler und Eltern in der Region?
Augsburg Schulleiter Herbert Hofmann vom Rudolf-Diesel-Gymnasium positioniert sich für das G9: „Bildung und eine entsprechende Reifung der Schüler brauchen Zeit“, sagte er kürzlich unserer Zeitung. Wilhelm Kugelmann vom JakobFugger-Gymnasium sieht das genauso. G8 und G9 parallel anzubieten, hält er für falsch. „Die meisten Gymnasien bieten zwei oder drei Zweige an und zwei verschiedene Sprachen für den Einstieg. Wenn jetzt auch noch zwei verschiedene Wege zum Abitur dazukommen, dann wird das zu viel.“
Schwabmünchen Am LeonhardWagner-Gymnasium (Kreis Augsburg) sprechen sich Kollegium, Schüler und Elternbeirat eindeutig für ein neunjähriges Gymnasium aus. Sobald das Konzept der Regierung vorliegt, will Schulleiter Alexander Pfaffendorf die nächsten Schritte zur Umsetzung einleiten.
Aichach Gerhard Haunschild, Schulleiter des DeutschherrenGymnasiums, sagt, viele Schüler kämen mit dem G8 nicht zurecht. Er ist Befürworter des G 9 und wünscht sich eine klare Regelung.
Friedberg Schulleiter Bernhard Gruber hofft auf „eine einheitliche Vorgabe zugunsten eines an Bildungsinhalten und Kompetenzen orientierten G 9, das auch in acht Jahren durchlaufen werden kann.“Elternbeiratsvorsitzender Markus Bubmann: „Die Elternschaft ist gespalten.“G 8 und G 9 an einer Schule sehe man kritisch.
Mering Direktor Josef Maisch in Mering (Kreis Aichach-Friedberg) sieht es positiv, dass keine schnelle Entscheidung für das G9 fällt. „Bei der Einführung des G 8 hat man sich zu wenig Zeit gelassen, es ist besser, wenn nun eine offene Diskussion stattfindet. Das G8 kommt bei der Bevölkerung nicht an.“
Günzburg Peter Lang, Schulleiter des Günzburger DossenbergerGymnasiums, könnte sich die Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 durchaus an seiner Schule vorstellen. Ein verbindliches Meinungsbild gebe es am Dossenberger-Gymnasium noch nicht – und Lang selbst will dem „Diskussionsprozess im Lehrerkollegium, in der Elternschaft und unter den Schülern nicht vorgreifen“.
Krumbach „Ich denke, dass die Mehrheit der Eltern das G9 bevorzugt“, sagt Norbert Rehfuß, Rektor des Simpert-Kraemer-Gymnasiums in Krumbach (Kreis Günzburg). Auch er wünscht sich „mehr Zeit zum Üben und Vertiefen“.
Ursberg Georg Gerhardt, Schulleiter am Ringeisengymnasium Ursberg (Kreis Günzburg), sieht an seiner Schule einen Trend zum G 9. „Ich war noch nie für die kürzere Variante, weil die Schüler die Zeit vor allem im Endspurt brauchen.“
Landsberg Am Dominikus-Zimmermann-Gymnasium kommt das G8 gut an. Unter Kollegen und El- tern werde durchaus unterschiedlich diskutiert. Bei einer Rückkehr zum G 9 müsse man sich organisatorisch wie baulich Gedanken machen, sagt Schulleiter Bruno Bayer.
Neuburg Auch am DescartesGymnasium gibt es die Mittelstufe Plus. Zwei Drittel der Schüler trugen sich zuletzt für die längere Variante ein. Das ist für Schulleiter Peter Seyberth ein deutliches Zeichen für das neunjährige Gymnasium.
Dillingen Das Sailer-Gymnasium Dillingen ist ebenfalls MittelstufePlus-Schule. Zum laufenden Schuljahr wählten 75 Prozent der Siebtklässler die längere Variante. Die Tendenz pro G9 ist offensichtlich.
Nördlingen Robert Böse vom Theodor-Heuss-Gymnasium schätzt, dass 75 Prozent seiner Schüler für eine Rückkehr wären. Sie würden es begrüßen, wenn sie wieder weniger Unterricht am Nachmittag hätten.
Vöhringen Ralf Schabel, Direktor des Illertal-Gymnasiums (Kreis Neu-Ulm), hält es an Schulen mit über 1000 Schülern für möglich, G 8 und G 9 anzubieten – an einer kleineren Landschule wie seiner nicht. Man überlege, Eltern, Schüler und Lehrer abstimmen zu lassen, wie die Schule ausgerichtet werden soll.
Weißenhorn Für das NikolausKopernikus-Gymnasium, mit 800 Schülern die größte Schule im Kreis Neu-Ulm, seien G8 und G9 denkbar, sagt Schulleiter Klaus Schneikart. Eine totale Durchmischung sei aber unmöglich. Die Schule habe mit dem G8 gute Erfahrungen gemacht. Von Eltern und Grundschulkräften hat Schneikart allerdings gehört, dass das G8 viele abschreckt, aufs Gymnasium zu wechseln.
Türkheim Für Schulleiter Josef Reif in Türkheim (Kreis Unterallgäu) brächte das G9 Vorteile. „Gerade für uns als Landschule ist das G8 mit seinen Unterrichtszeiten bis spät in den Nachmittag hinsichtlich der Busanbindung komplizierter.“
Mindelheim Gottfried Wesseli, Leiter des Gymnasiums am Maristenkolleg (Unterallgäu), spricht sich „im Namen der Lehrerkonferenz, des Elternbeirates und des Schulforums dafür aus, das neunjährige Gymnasium wieder einzuführen.“
Kaufbeuren Im Marien-Gymnasium spricht sich die Lehrerschaft klar für G 9 aus. Für die Eltern stehe ein Wechsel von acht auf neun Jahre nicht im Vordergrund, erklärt Direktor Andreas Merz. „Den Eltern geht es vor allem darum, dass die längere Lernzeit gut genutzt wird, falls die Entscheidung für G 9 fällt.“Bei den Schülern werde kontrovers diskutiert. Ihre Meinungen seien wichtig für die Entscheidung.
Memmingen Zustimmung für die Rückkehr zum G 9 herrscht laut Schulleiter Burkhard Arnold am Vöhlin-Gymnasium. Genauso sieht es an den anderen Gymnasien aus, berichten seine Kollegen in Memmingen und Umgebung.
Kempten Lothar Wagner, Schulleiter des Allgäu-Gymnasiums, favorisiert ein modernes G 9: „Mir wäre eine für alle Gymnasien einheitliche
Zwei Wege an einer Schule? Kaum möglich Ein Schulleiter sagt: „Reife braucht Zeit“
Entscheidung am liebsten, wodurch etwa für Familien bei einem Umzug in eine andere Stadt am wenigsten Probleme aufträten.
Sonthofen Am Gymnasium Sonthofen (Kreis Oberallgäu) „tendieren Schulleitung, Lehrer und Eltern in Richtung neunjährige Lernzeit“, sagt Schulleiter Joachim Stoller. Schüler, die schneller lernen, könnten ein Jahr überspringen.
Hohenschwangau Auch im Kreis Ostallgäu sind probeweise beide Wege möglich. Zuletzt hätten sich 85 Prozent für das G9 entschieden, sagt Schulleiter Thomas Schauer. Nach Gesprächen mit dem Elternbeirat, Schülern und Lehrern scheint es Schauer zufolge eine Mehrheit für das G9 zu geben.
Marktoberdorf Schulleiter Wilhelm Mooser sagt, dass am Marktoberdorfer Gymnasium (Ostallgäu) die Stimmung eindeutig in Richtung G 9 geht – und zwar bei Elternbeiräten, Lehrern und Schülern.
Lindau Waldemar Schmitt, Schulleiter des Valentin-Heider-Gymnasiums, spricht sich für das G9 aus. So hätten Schüler mehr Zeit, um emotionale Reife zu erlangen. „Über Lehrpläne kann man diskutieren. Aber Reife braucht Zeit.“(AZ)