Kernpunkte des Bayerischen Integrationsgesetzes
Das Erlernen der deutschen Sprache dies soll vor allem hinsichtlich der Kinder überprüft und bei elterlicher Verweigerung auch als Ordnungs widrigkeit gesehen werden. Die Siedlungs und Bewohnerstruk tur müsse ausgewogen sein. Die Einhaltung der Rechts und Werte ordnung müsse auch formell ver
ge Werteordnung einzugliedern. So ist es gesetzlich beabsichtigt. Was ist daran falsch, Herr Riedelsheimer? Riedelsheimer: Nichts spricht gegen eine Eingliederung in die hiesige Werteordnung. Wir stehen da als Grüne auch dahinter – etwa, was die Frage der Zwangsheirat angeht. Auch die ersten Sprachkurse wurden ja unter Rotgrün beschlossen. Es geht vielmehr um das Wie, um die Art und Weise, wie Integration eingefordert wird. Es geht um die Beachtung des Einzelfalls, um die konkreten Feinheiten – da liegen die Probleme, wie ich es bei meiner Arbeit in der Asyl-Erstaufnahme in Donauwörth erlebe. Etwa wenn jemand schwanger ist und einen Kurs nicht besuchen kann. Das ist der Alltag in der Asylarbeit. Oder wenn – wie es jüngst der Fall war – ein 20-Jähriger in Mertingen eine Ausbildung macht und fortan in Nördlingen untergebracht wird, weil seine Unterkunft im benachbarten Bäumenheim geschlossen wird. Der Mann hat kaum eine Chance, zu seiner Arbeit zu kommen. Das sind Knackpunkte bei der Integration. Fackler: Es wird immer wieder vermengt zwischen laufendem Asylverfahren und Integration. Wirkliche Integration setzt doch bei bereits Anerkannten an – es muss also in einigen Punkten abgewartet werden, wie der Status sein wird. Um es klar zu sagen: Das Integrationsgesetz gilt für dauerhaft Bleibende. Riedelsheimer: Das ist doch zu technisch. Wer hierher kommt, der muss integriert werden. Zwei Jahre wartend in einer Unterkunft rumzuhängen, bevor man arbeiten darf oder die Sprache erlernt, das darf nicht sein. Dann kann man nun mal nicht erwarten, dass jemand nach dieser Zeit hoch motiviert ist. Das ist bei unseren Landsleuten nicht anders.
Herr Fackler, es gibt durchaus Fragen aus den eigenen Reihen zur praktischen Umsetzung des Gesetzes, zuletzt von Landrat Stefan Rößle. Wie sollen die Forderungen des Gesetzes vor Ort konkret kontrolliert werden? Fackler: Der Freistaat hat jüngst über 5000 Stellen in der inneren Verwaltung, bei Justiz, Polizei und pflichtend gelten, sie soll mittels Grundkurs vermittelt werden. Wer sich dem verweigert, kann mit einem Bußgeld belangt werden. Landes leistungen erhält nur derjenige, der sich identifizieren lässt. Kommu nen haben die Möglichkeit, Belehrun gen vor der Nutzung öffentlicher Einrichtungen auszusprechen. (hilg)
weiteren Behörden geschaffen. Es soll an bestehende Gesetze angeknüpft werden. Kommt jemand seinen Pflichten nicht nach, etwa bei der Identifikation, dann erhält die zuständige Behörde eine Meldung und die Leistungen werden gekürzt. Wir greifen auf bestehendes Recht zurück. Geht ein Kind nicht zur Schule, wird auch das weitergemeldet – die Leistung wird gekürzt.
Ein regionales Beispiel wäre die Frage der Wohnung. Es sollen Gettos vermieden werden, es soll laut Gesetz eine „ausgeglichene Bewohnerstruktur“geben. Der Wohnraum bei uns ist knapp. Wie lässt sich das Gesetz auf dem freien Markt umsetzen? Fackler: Im Bayerischen Wohnungsbindungsgesetz wird hierzu ein neuer Paragraf einfügt. Der Wohnungsinhaber – etwa die Baugenossenschaft – ist demnach aufgefordert, bei neuen Vermietungen Einseitigkeit durch Migranten bei der Bewohnerstruktur zu vermeiden. Riedelsheimer: Das entspricht doch nicht der Lebenswirklichkeit. In der Donauwörther Parkstadt etwa behilft man sich eines Besseren. Da gibt es viele Menschen mit Migrationshintergrund – das dortige Quartiersmanagement kümmert sich aber lokal und vor Ort um die wichtige Fragen, gerade auch um Probleme. Fackler: Das Quartiersmanagement ist ein weiterer wichtiger Baustein, vor allem, wenn solche einseitigen Strukturen bereits vorhanden sind. Durch das Gesetz wollen wir aber schon präventiv gegen diese Einseitigkeiten vorgehen. Riedelsheimer: Das sehe ich anders. Wir brauchen viel mehr ein flächendeckendes Quartiersmanagement in unseren Vierteln – in Donauwörth beispielsweise auch im Bereich Zirgesheimer Straße oder später im neuen Alfred-Delp-Quartier.
Wären Sie offen dafür, Herr Fackler? Fackler: In der Parkstadt hat sich das Quartiersmanagement bewährt. Wir müssen aber auch unsere Finanzsituation im Blick haben. Aber natürlich können wir, wenn es notwendig ist, über eine Ausweitung des Quartiermanagements diskutieren. Das Gesetz nennt unsere Leitkultur als Kompass für die Integration. Wie ist das in der Praxis zu verstehen? Fackler: Der Begriff steht in der Präambel. Er bedeutet, dass es in Bayern einen identitätsstiftenden Grundkonsens gibt, eine christlichabendländische Grundkultur. Daran gibt es doch nichts zu kritisieren. Und indem wir das betonen, betreiben wir gelebte Integration. Wer bleiben möchte, muss sich auch einfügen. Dabei geht es weder um Gleichmacherei noch um Zwangstaufen. Es geht um ein Ja zu Deutschland, zu unserer Kultur, unseren Traditionen und Bräuchen. Wir müssen spüren, dass sich jemand mit Deutschland identifiziert. Riedelsheimer: In dem Begriff steckt aber eine Wertigkeit – andere Kulturen gelten doch demnach als minderwertig. Das stößt einem vor den Kopf. Eine ganz praktische Frage: Bekommt man demnächst einen Strafzettel auf die Burka geklebt? Es geht doch vielmehr um einen Prozess, um ein Hinführen zu den hiesigen Gepflogenheiten, letztlich um Entscheidungen aus freien Stücken. Fackler: Naja. Irgendwann stellt sich uns aber doch die Frage, wer sich integrieren muss. Wir in den Islam? Das doch eher nicht.
Angesichts der aktuellen Debatte allerorts: Sind Sie für ein Mehr oder Weniger an „Multikulti“? Riedelsheimer: Ich sehe das nicht so schwarz oder weiß. Es wird mehr davon geben, das ist Fakt. Es geht doch eher darum, wie man Multikulturalität gestaltet. Es gibt künftig mehr Religionen hier, mehr ausländische Restaurants – aber muss mich das in meinem Alltag stören, wenn ich bei uns sonntags unbehelligt in die Kirche gehen kann? Fackler: Der Begriff ist zu ideologisch besetzt – er wurde gar zu einem Idol gekürt. Da haben die Leute doch eher Sorge. Es geht mir um ein klar definiertes Miteinander. Riedelsheimer: Mir ist auch wichtig, dass beispielsweise generell Deutsch gesprochen wird. Aber warum sollte es in Zukunft nicht die Option für Arabisch als Schulfach geben? Wir müssen in den Dialog treten. Wo ist Vermischung möglich? Was schaffen wir gemeinsam, was getrennt? Man sollte vielleicht erst mal gemeinsam ein Herbstfest feiern, bevor man Weihnachten zusammen feiert ... Fackler: Also erst einmal: Arabisch als Schulfach, das entspricht nicht unserer christlich-abendländischen Tradition. Und diese Umbenennungen, etwa von Weihnachts- oder Christkindlesmärkten: Nein. Aber wir sollten uns als Deutsche schon auch fragen: Wie wichtig ist uns das Christentum? Die CSU sagt: Es ist uns wichtig. Ich habe Sorge, wenn ich andernorts diejenigen in der Politik sehe, die das Leben fundamental ändern wollen, die christliche Traditionen radikal umbenennen, verändern wollen. Riedelsheimer: Moment, da will ich nicht nicht missverstanden werden. Es soll keine Umbenennungen geben. Der Riedlinger Kindergarten soll weiterhin St. Martin heißen. Aber die Frage ist, wenn ich mit Muslimen rede: Wie fange ich einen Dialog an? Fange ich mit dem christlichen Kreuz an? Ich als Katholik rede ja mit einem Protestanten auch nicht zuerst über das unterschiedliche Abendmahlsverständnis.
Herr Riedelsheimer, wo liegen denn die Grenzen des Zumutbaren bei der Integration, die Grenzen der Integrationskraft – bei uns, in der Region? Es gibt viele freiwillige Helfer, aber wohl nicht für jeden Migranten einen ... Riedelsheimer: In Donauwörth haben wir eine hohe Zahl an Asylbewerbern, was aber an der hiesigen Erstaufnahme liegt. Die Ehrenamtlichen müssen besser betreut und stärker gehört werden. Sie brauchen eine gute Begleitung durch die Sozialarbeit. Hier hat sich viel getan, viele sind engagiert. Ich nenne hierzu beispielsweise die Aktion Anker in Donauwörth, aber auch Johanniter bei der Nothilfe. Es gibt natürlich Grenzen, wir würden einen Zuzug von jährlich drei Millionen Menschen in Deutschland jährlich nicht verkraften. Wir brauchen europäische Lösungen und zivile Krisenprävention – das merken wir nun auch bei uns, hier im Lokalen.
Herr Fackler, sie fordern eine Obergrenze beim Thema Asyl. Was ist, wenn diese überschritten ist? Fackler: Wir vergessen manchmal, dass nur ein bis zwei Prozent der Antragsteller tatsächlich asylberechtigt nach dem Grundgesetz sind. Asyl auf dem Landweg ist in Deutschland nach dem Dublin-Verfahren nicht möglich. Fast alle sind Geduldete. Auch damit müssen wir uns eingängig beschäftigen und praktikable Lösungswege finden.
Die viel zitierte Integration – schaffen wir das nun oder nicht? Riedelsheimer: Wir schaffen das, aber es ist Arbeit damit verbunden. In Europa ist das aktuell schwierig, weil jeder Eigeninteressen verfolgt. Wir dürfen nicht gegeneinander ausspielen, sollten Chancen sehen. Fackler: Wir werden das schaffen müssen. Deswegen haben wir ja auch das Integrationsgesetz gemacht und Gelder in den Sozialhaushalt eingestellt. Aber das Phänomen sollte sich so nicht mehr wiederholen.