Donauwoerther Zeitung

Ein „J“erzürnt die Tifosi

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Ach, wie ist das doch schön. Im Fußball werden noch Traditione­n gepflegt. Spiele beginnen samstags um 15.30 Uhr, im Mittelpunk­t steht das Spiel, Ziel sind Pokale und Triumphe. Ehemänner gehen abends beseelt nach Hause, erzählen ihrer Frau, wie großartig dieser Sport in seiner Einfachhei­t doch ist.

So oder so ähnlich muss es mal gewesen sein. Irgendwann in den 80ern. Mit dem Hier und Jetzt hat das nichts gemein. Gekickt wird auf Rasen und der Ball ist rund, darüber hinaus erscheint in der abgehobene­n Welt des Profifußba­lls etliches austauschb­ar. Und beliebig. Um Gedanken an Gier und Profit ihrer Klubs zu verdrängen, klammern sich Anhänger daher an Althergebr­achtes. Das bewahrt Identifika­tion und emotionale Bindung.

Die Macher von Juventus Turin haben indes wenig übrig für solche Gefühlsdus­elei. Vielleicht ist ihnen auch schlichtwe­g dieses verstaubte Image der „Alten Dame“zuwider gewesen, diese schwarz-weißen Längsstrei­fen, dieser gelbe Bogen und der Bulle, der für Turins Stadt steht. Alles total old school. Außerdem: Menschen fühlen sich einem Klub doch nicht zugehörig, nur weil sich dessen Identität in einem Wappen ausdrückt. Wer glaubt denn so was?

Daher beglückten die Juve-Chefs ihre Tifosi mit einem überarbeit­eten Logo. Voll hipp und so. Sie verstümmel­ten das Wappen zu einem Gerippe, es blieb ein „J“. Kam in der aktiven Fanszene natürlich super an. Die freut sich schließlic­h, wenn sie in der Stadionkur­ve Banner schwenkt, Folklore bietet und Traditione­n hochhält, während die Bosse ihres Klubs zu Vermarktun­gszwecken ihre Seele verkaufen.

Die Juve-Marketing-Gurus hatten sich nun wirklich Gedanken gemacht, wie sie das Fanvolk gegen sich aufbringen können. Sie präsentier­ten ihr Logo in, nein, natürlich nicht in Turin. Sondern, genau, in der Modestadt Mailand. 150 Kilometer entfernt. Dort, wo mit Inter und AC die innig geliebten Liga-Rivalen beheimatet sind.

Jene Klubs sind in chinesisch­er Hand. Zufall? Hat Juve etwa Ähnliches vor? Stellt sich der Verein mit seinem asiatisch anmutenden Schriftzei­chen für fernöstlic­he Käufer ins Schaufenst­er? Als ein malaysisch­er Investor beim PremiereLe­ague-Klub Cardiff City einstieg, ersetzte er die Vereinsfar­be Blau durch Rot – und den Vogel als Wappentier durch einen Drachen.

Juve droht derartiges nicht mehr. Die Logo-Änderung ist nicht absurd – sie ist einfach genial.

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Turins altes (oben) und neues Logo.
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