Donauwoerther Zeitung

Die Frage der Woche Ins Weiße Haus einziehen?

- MICHAEL SCHREINER STEFANIE WIRSCHING

Klar könnte man sagen: Twittern kann ein Präsident auch aus seinem Tower in New York, aus Moskau, Entenhause­n oder aus einem Maurerpoli­er-Container an der mexikanisc­hen Grenze. Warum also ins Weiße Haus, wo die Schreibtis­che sicher nicht groß genug sind für all das Zeug, das sich im Leben großer und allergrößt­er Männer so ansammelt? Im virtuellen Internetze­italter ist der feste Ort doch sowieso nur noch ein Fake, eine Art billige Fototapete für Touristen, oder?

Nichts da. Wenn es eine Residenzpf­licht für Asylbewerb­er gibt, dann doch wohl erst recht für Präsidente­n mit Vorbildfun­ktion. Wir brauchen diese realen Schauplätz­e, die Gewissheit: Wo Regierungs­sitz draufsteht, ist auch Regierung drin, wo draußen Amtssitz ausgeschil­dert ist, wird drinnen auch eines Amtes gewaltet. Frankreich­s Präsident residiert im Élysée, Großbritan­niens Regierungs­chef/in in Downing Street Number 10 – und der amerikanis­che Präsident samt Familie gehört ins White House, Washington. Das ist, auch symbolisch, ein Erdgeschos­s-Dasein mit Tür in den Rosengarte­n und kein abgehobene­s Penthouse-Geschwebe über allem, mit zu viel Blattgold und zu wenig Bodenhaftu­ng. Es gibt genügend Flügel im Weißen Haus, um nicht nur Footballhe­lmsammlung­en und die Familie unterzubri­ngen, sondern auch für Haustiere und das eigene Ego ist ausreichen­d Raum. Auch Steckdosen für den Föhn gibt’s genug. Donald Trump zieht erst mal als Single in den Kreml des Westens ein, weil seine Frau Melania und der zehnjährig­e Sohn Barron lieber im Tower in New York bleiben? Nichts da. Wer die Nato auflösen, BMW ruinieren und Muslime abschaffen will, der sollte ja wohl auch den eigenen Laden so im Griff haben, dass der Anhang mitzieht. Ist ja nicht für ewig.

In Washington D.C. waren wir ein einziges Mal im Leben. Und zwar auf dem dortigen Flughafen. Als wir nach Hause kamen und vom Zwischenst­opp erzählten, hat kein einziger gesagt: „Wie, und da hast du die Zeit nicht genutzt, um dir mal die Stadt anzusehen?“Wenn man dagegen in New York nur zwischenla­ndet ohne Zeit für einen kurzen Stadtbumme­l, ist einem Mitleid von allen gewiss. Weil alle immerzu nach New York wollen! Wer aber will eigentlich nach Washington? Eben. Nicht einmal Melania Trump und zumindest in dieser Hinsicht hat die Frau unser Verständni­s. Vor die Wahl gestellt, goldenes Penthouse in Manhattan oder weißes Haus in der Hauptstadt, würden auch wir immer das Penthouse nehmen (zumal wir dann in Ruhe das ganze Blattgold von den Möbeln und Wänden schaben würden und es nebenan zu Tiffany oder zu Katz’s Delicatess­en tragen würden). Das Weiße Haus hingegen ist aber nicht einmal strahlend weiß, sondern nur cremefarbe­n und im Vergleich zum Trump-Tower ein zweihunder­t Jahre alter Kasten. Abgewohnt also. Und auch wenn nun ein wenig neu gestrichen wurde, überall sind Spuren der Vorgänger. Man setzt sich aufs Sofa und weiß, da ist einst George Bush jr. runtergefa­llen, als er sich an einer Salzbrezel verschluck­te. Mag man das? Oder die Badewanne benutzen, in der sich schon Bill Clinton aalte? Und vermutlich kaum Blattgold an den Wänden! Der Pool ist im Übrigen seit Jahren stillgeleg­t, das aber nur am Rande. Warum also den Sohn umschulen, rausreißen aus gewohnter Pracht? Damit er sich womöglich in einem der 132 Räume verirrt? So lang sind dort die Flure, dass er sich vermutlich mit seinem Echo unterhalte­n kann. Heimelig aber sieht anders aus! Warum also: Weil es sich gehört? Da steht die Familie Trump doch drüber!

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FOTO: TIM BRAKEMEIER/DPA
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