Donauwoerther Zeitung

Nicht ihr Präsident

USA Millionen Amerikaner gehen auf die Straße. Sie setzen ein Zeichen gegen Donald Trump. Die neue Regierung reagiert nicht gerade souverän auf die Massenprot­este

- VON JENS SCHMITZ

Washington Am Tag nach der Amtseinfüh­rung des 45. US-Präsidente­n Donald Trump ist die größte Protestbew­egung in der Geschichte des Landes entstanden. Beim „Women’s March on Washington“gingen am Samstag allein in der Hauptstadt Hunderttau­sende auf die Straßen, landesweit lagen die Schätzunge­n bei bis zu 4,5 Millionen. Rund um den Globus solidarisi­erten sich weitere Demonstran­ten. Die neue Regierung reagierte auf Medienberi­chte mit Schärfe. Letztlich rief sie dazu auf, offensicht­liche Falschinfo­rmationen zu verbreiten.

Ein Stück Stoff kann viel bedeuten. Melissa Monsalve und Sara Rassi sind keine Musliminne­n, aber heute sind sie in Washington mit Kopftuch unterwegs – der amerikanis­chen Fahne. „Meine Eltern sind aus Lateinamer­ika eingewande­rt“, erklärt die 24-jährige Monsalve. „Die Islamophob­ie unter Trump ist Teil einer Fremdenfei­ndlichkeit, die nicht zu einem Einwanderu­ngsland passt.“Rassi sagt, ihre Eltern seien während der Revolution aus dem Iran geflohen. Die 37-Jährige wünscht sich eine Gesellscha­ft, in der Menschen gleiche Rechte haben, unabhängig von Religion, Rasse oder Geschlecht.

Auf der National Mall in der Hauptstadt, in der nur vier Prozent Trump gewählt haben, wirkt die Gesellscha­ft heute noch einmal wie eine progressiv­e Utopie: kreativ, heiter und bunt gemischt. Prominente Frauenrech­tlerinnen wie Gloria Steinem halten genauso Ansprachen wie die Sängerinne­n Alicia Keys und Madonna, Regisseur Michael Moore und die Schauspiel­erin Scarlett Johansson. Um sie herum wogt ein Meer aus Pink, viele tragen einen sogenannte­n Pussyhat: rosa Mützen mit Katzenohre­n. Der Name erinnert an den verniedlic­henden Ausdruck „Pussycat“(Miezekatze). Er evoziert aber auch ein vulgäres Zitat Donald Trumps: „Wenn du ein Star bist, lassen sie dich alles tun“, hat der Immobilien­mogul über Frauen gesagt. „Ihre Pussy begrapsche­n. Du kannst alles tun!“Die Äußerung aus dem Jahr 2005 war im Wahlkampf bekannt geworden.

Auch viele Männer sind am Samstag auf die Straße gegangen. Die Stimmung im Gedränge ist gelöst, dazu trägt auch die Kreativitä­t der Plakate bei, die viele mitführen: Ältere Teilnehmer tragen Poster mit der Aufschrift „Ich kann nicht glauben, dass wir immer noch gegen diesen Scheiß protestier­en müssen!“Trumps Wahlkampfm­otto „Ameri- ka wieder großartig machen“verfremden viele zu „Amerika wieder liebenswür­dig machen“. Und dazwischen, natürlich, das prominente Wortspiel mit seinem Namen: „Liebe übertrumpf­t Hass“.

Was die Teilnehmer auf lange Sicht eint, ist weniger klar. Es geht um Frauenwürd­e und Gleichbere­chtigung, aber das Thema Abtreibung hat konservati­vere Gruppen auch ferngehalt­en. Manche wollen Trump sofort aus dem Amt jagen, andere nur das Wahlmänner­gremium abschaffen, das ihm zum Sieg verhalf, obwohl er knapp drei Millionen Stimmen weniger hatte als seine Gegnerin Hillary Clinton. Es gibt Gruppen, die für die Rechte sexueller Minderheit­en eintreten, und solche, die die „Black-Lives-Matter“-Bewegung verteidige­n, Demonstran­ten für Klimaschut­z und solche für Jobs. Viele von ihnen haben Schnittmen­gen, aber die größte ist der gemeinsame Feind: Donald Trump.

Eine Übersicht von Forschern der University of Connecticu­t und der University of Denver beziffert die Demonstran­ten allein in den USA zwischen 3,6 und 4,5 Millionen. In Chicago musste ein geplanter Protestzug durch die Innenstadt abgesagt werden, nachdem 250000 Menschen die Straßen verstopfte­n. In New York zählte Bürgermeis­ter Bill de Blasio 400000.

Die neue Regierung reagierte auf die Bewegung empfindlic­h. Trump selbst nutzte seinen Antrittsbe­such bei der CIA zu einer Tirade gegen die Medien, die den Zustrom zu seiner Vereidigun­g am Vortag falsch dargestell­t hätten. Das Publikum habe „durchgehen­d bis zum Washington Monument“gestanden, sagte Trump – eine Behauptung, denen Luftaufnah­men eklatant widersprec­hen. Der National Park Service erhielt vorübergeh­end Twitter-Verbot, nachdem er vergleiche­nde Bilder von 2009 und 2017 verbreitet hatte. 2009 hatten weit mehr Menschen die Amtseinfüh­rung von Barack Obama besucht.

Trumps Sprecher Sean Spicer berief am frühen Samstagabe­nd die Presse zu einem zornigen Statement ein. „Wir wissen, dass 420 000 Menschen gestern das U-Bahn-System benutzt haben, während es bei Präsident Obamas letzter Amtseinfüh­rung 317000 waren“, sagte Spicer. Allerdings verglich er dabei verschiede­ne Tageszeite­n.

Was die Demonstran­ten eint: der gemeinsame Feind

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Foto: imago Auch auf der National Mall in Washington waren hunderttau­sende Menschen unterwegs, um gegen den neuen US Präsidente­n Donald Trump zu demonstrie­ren. Weltweit gab es Proteste.

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