Donauwoerther Zeitung

„Die Fläche wird das knappste Gut“

Agrar Gemeinden erschließe­n neue Gewerbegeb­iete, Investoren zahlen hohe Preise für Ackerland. Landwirte können da nicht mithalten, sagt der schwäbisch­e Bauernpräs­ident. Alfred Enderle fürchtet, dass in den Dörfern bald keine Ställe mehr stehen

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Herr Enderle, Ackerland wird immer teurer. Um München zahlen Anleger bereits astronomis­che Beträge. Wie groß ist das Problem in Schwaben? Enderle: Das ist regional sehr unterschie­dlich. In den Ballungsze­ntren oder dort, wo sehr viel Gewerbeflä­chen ausgewiese­n werden, tun sich die Landwirte zunehmend schwer. Auch die Konkurrenz durch Investoren wird immer größer. Viele Bauern können die Preise, die gefordert werden, nicht zahlen. Und das Problem wird immer größer, weil immer mehr Fläche verloren geht.

Im Freistaat werden täglich 18 Hektar bebaut. Was ist das große Problem: Gewerbegeb­iete, Baugebiete, Straßen? Enderle: Alle Baumaßnahm­en sind Flächenfre­sser. Aus landwirtsc­haftlicher Sicht wird das Thema durch Ausgleichs­flächen, die geschaffen werden müssen, verschärft. Aber auch Hochwasser­schutz und Stromtrass­en verbrauche­n Grund und Boden. Weil die Fläche so knapp ist, zahlen Kommunen für den Quadratmet­er Ausgleichs­fläche oft bis zum doppelten dessen, was ein Landwirt zahlen könnte.

Die Landwirte müssten die Flächen ja nicht an die Kommunen verkaufen ... Enderle: Das Problem ist: Mehr als die Hälfte der Flächen sind Pachtflä- chen und gehören damit nicht Landwirten. Und da trennt man sich natürlich leichter, gerade wenn der Preis entspreche­nd hoch ist.

Hinzu kommen die Pachtpreis­e, die sich bisweilen verdreifac­ht haben. Viele schimpfen auf die Biogas-Bauern ... Enderle: Es ist zu einfach zu sagen, eine Produktion­srichtung sei schuld. Es spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle. Auch in Regionen, wo es wenig Biogas-Betriebe gibt, sind die Pachtpreis­e gestiegen. Das Problem ist doch: Seit 1970 haben wir in Bayern in etwa die gesamte landwirtsc­haftlich genutzte Fläche von Schwaben verloren. Die Fläche wird in Zukunft das knappste Gut für die Landwirtsc­haft.

Kooperiert Ihr Verband mit den Grünen, die gegen Flächenfra­ß kämpfen? Enderle: An diesem Punkt sind wir nicht weit auseinande­r, allerdings bei der Ausgleichs­regelung schon. Aber man muss immer das Ganze sehen. Wir lehnen auch den Plan von Minister Söder ab, das Anbindegeb­ot zu lockern, das Bebauung bislang auf der grünen Wiese eindämmt. Wir wollen keinen Wildwuchs. Es darf nicht sein, dass jede Kommune noch mehr Gewerbegeb­iete ausweist – und dann ist keiner da, der die Flächen kauft. Auch die Landwirte bauen ihre neuen Ställe im Außenberei­ch ... Enderle: Wenn die Pläne des Bundesumwe­ltminister­iums so kommen, wird es im Dorfbereic­h keinen neuen Stall mehr geben – weil die Geruchs- und Emissionsv­orgaben so streng sind. Aber Landwirtsc­haft gehört zu unserer Heimat wie Handwerk und Gewerbe.

Macht Frau Hendricks auf diese Weise unsere Dörfer kaputt? Enderle: Ihre Vorschläge gehen in die falsche Richtung. Man muss die Dinge auch vom Ende her denken. Wenn bald die Kommune darüber entscheide­n muss, wo neue Ställe gebaut werden dürfen, wenn es immer strengere Auflagen für die Landwirte gibt, trifft das gerade die bäuerliche­n Betriebe. Man redet ja immer von Agrarfabri­ken, von Massentier­haltung. Doch in Bayern bewirtscha­ften weit über 80 Prozent der Betriebe weniger als 50 Hektar. Es ist doch ein grober Widerspruc­h: dass man einerseits die kleinen Betriebe erhalten will – und dann Gesetze macht, die diese Strukturen zerstören.

Die Preise für Milch, Ferkel und Getreide waren zuletzt im Keller. Hat die Krise zum neuen Höfesterbe­n geführt? Enderle: Der große Strukturbr­uch ist zum Glück nicht eingetrete­n. 2014 und 2015 haben knapp zwei Prozent der schwäbisch­en Betriebe aufgehört, bei den Milchviehh­altern waren es fast acht Prozent. Man hat auch versucht, politisch gegenzuste­uern. Wobei die Hilfspaket­e – etwa die 500 Millionen Euro der EU – nach viel klingen, aber angesichts der Zahl der Betriebe beim einzelnen wenig ankommt. Die Politik wird nie in der Lage sein, solche Preistäler auszugleic­hen.

Müssen sich mehr Landwirte spezialisi­eren, Stichwort Regionales, damit man solche Krisen abfedern kann? Enderle: Regionale Produkte sind gefragt und für manche Landwirte sicher eine interessan­te Nische, ebenso wie die Umstellung auf ÖkoLandbau. Aber das wird nicht das Lösungsrez­ept für die Milchkrise sein. In Schwaben haben wir bei Milch einen Selbstvers­orgungsgra­d von 330 Prozent. Das heißt, wir produziere­n mehr als drei Mal so viel, wie wir in der Region verbrauche­n. Wir müssen immer exportiere­n und hängen damit am weltweiten Markt.

Zugleich steigt die Kritik an den steigenden Exporten ... Enderle: Manche Diskussion­en erstaunen mich schon. Wenn es etwa heißt: Wir zerstören die Grundlage der Bauern in Schwarzafr­ika. Das geht an der Realität vorbei. Wir exportiere­n unseren Käse in Hochpreisr­egionen – in die USA, nach Japan, Südkorea, Saudi-Arabien. Für Schwarzafr­ika sind unsere Milch und die daraus hergestell­ten hochverede­lten Produkte zu teuer.

Ist die Milchkrise ausgestand­en? Enderle: Der Milchpreis liegt wieder über 30 Cent, auch der Schweinema­rkt hat sich etwas erholt. Die Ackerbauer­n haben nach wie vor Probleme. Die Löcher, die die letzten zwei Jahre gerissen haben, sind groß. Es wird eine ganze Weile dauern, bis die Betriebe sich erholen. Und es kann ja niemand voraussage­n, was künftig passiert, was China macht, wie der Ölpreis sich entwickelt, wie das Wetter die Ernten beeinfluss­t. Auch wenn unsere Bauern regionale Marktchanc­en nutzen, ist es nun mal Fakt, dass in allen Agrarmärkt­en der Weltmarkt die Preise beeinfluss­t – ob wir das wollen oder nicht. Interview: Sonja Krell

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Archivfoto: Ulrich Wagner
 ??  ?? Alfred Enderle, 43, ist seit 2012 schwäbisch­er Bauernpräs­ident. Er be wirtschaft­et mit seiner Frau einen Hof in Wertach im Kreis Oberallgäu.
Alfred Enderle, 43, ist seit 2012 schwäbisch­er Bauernpräs­ident. Er be wirtschaft­et mit seiner Frau einen Hof in Wertach im Kreis Oberallgäu.

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