Nach der Lawine helfen alle zusammen
Italien I Die Retter arbeiten rund um die Uhr, um mehr als 20 Vermisste zu bergen. Überlebende erzählen von den Stunden in Todesangst: „Wir haben uns von Schnee ernährt“
Rom Nach dem Lawinenunglück am zerstörten Berghotel Rigopiano suchen die italienischen Rettungskräfte weiter nach Vermissten. Die Einsatzkräfte hätten am Wochenende durchgearbeitet, um die 24 noch verschütteten Menschen zu finden, sagte die oberste Krisenmanagerin des nationalen Zivilschutzes, Immacolata Postiglione, am Sonntag. Bis zum Samstagabend waren neun Personen lebend aus Trümmern und Schnee geborgen worden. Mindestens fünf Menschen kamen ums Leben, als die gewaltige Lawine am Mittwoch das auf 1200 Metern Höhe am Fuße des Gran-SassoMassivs in Farindola gelegene VierSterne-Hotel verschüttet hatte.
* Bisher konnten die Helfer unter anderem vier Kinder retten. Der neunjährige Edoardo Di Carlo sagte örtlichen Medien, er sei mit zwei anderen Kindern im Billardzimmer des Hotels gewesen, als die Lawine kam. Die Kinder fanden Wasserflaschen und kleine Frühstücksportionen Nutella, dank derer sie bis zu ihrer Rettung 40 Stunden lang im Schnee durchhielten. Die Mutter eines sechsjährigen geretteten Mädchens zitierten italienische Medien mit den Worten: „Wir haben es schon nicht mehr geglaubt, wir hatten keine Hoffnung mehr.“Wieder in Sicherheit, sei der erste Satz der kleinen Ludovica gewesen: „Ich möchte meine Kekse haben.“
* Die 22-jährige Studentin Georgia Galassi sagte etwas anderes, als sie die Retter kommen hörte: „Ich bin Georgia, und ich lebe“, waren der Zeitung Corriere della Sera zufolge ihre ersten Worte: „Es war das Schönste, was ich jemals gesagt habe.“Galassi musste mit ihrem Freund Vincenzo Forti noch weitere 18 Stunden ausharren, bevor sie Samstag früh schließlich geborgen wurde – die Retter hatten sich zu- nächst auf die Bergung der Kinder konzentriert. Die Lawine sei „wie eine Bombe“gewesen, sagte Forti. Experten der Forstpolizei verglichen ihre Wucht mit der von 4000 Lastwagen. Gemeinsam mit zwei weiteren sei Forti auf etwa einem Quadratmeter Platz eingeschlossen gewesen. „Wir haben uns umarmt und von Schnee ernährt.“
* Den Rettern hat sich am Wochenende eine Gruppe von Flüchtlingen aus Afrika angeschlossen. Die aus dem Senegal und aus Guinea stammenden jungen Schutzsuchenden hätten gefragt, ob sie helfen könnten, sagte eine Sprecherin des Roten Kreuzes, Enza D’Alessandro. Die Flüchtlinge seien bereits seit zwei Jahren freiwillige Helfer der Organisation. Nahe des Hotels wurde ein Zelt für die Rettungskräfte eingerichtet. Dort sollten die jungen Männer in Schichten arbeiten und beim Kochen helfen.
* Papst Franziskus hat währenddessen gemeinsam mit tausenden Gläubigen auf dem Petersplatz für die Opfer der jüngsten Erdbeben in Mittelitalien gebetet. Zum Abschluss des traditionellen AngelusGebets bekundete er allen Betroffenen Verbundenheit und Mitgefühl. Anschließend betete er ein „Ave Maria“für die Erdbebenopfer sowie die Helfer.
* Auch andernorts in Mittelitalien ist die Not weiter groß: Wegen des vielen Schnees sind tausende Haushalte seit Tagen ohne Strom, einige Orte sind von der Außenwelt abgeschnitten. Die Menschen in den Abruzzen werden seit August immer wieder von starken Erdbeben heimgesucht – die vier Erdstöße vom Mittwoch hatten eine Stärke von 5 auf der Richterskala. Sie lösten wohl auch die Lawine aus. Experten rechnen mit weiteren Beben.