Donauwoerther Zeitung

Wie mächtig ist dieser Mann wirklich?

USA Donald Trump versucht gleich in den ersten Tagen seiner Präsidents­chaft, mit einer Reihe von Dekreten politische Fakten zu schaffen. Dabei sind ihm aber Grenzen gesetzt

- VON THOMAS SEIBERT

Washington Jeder US-Präsident benutzt sie hundertfac­h während seiner Amtszeit, und jeder Opposition­spolitiker in Washington wettert dagegen: In seiner ersten Woche als 45. Präsident der Vereinigte­n Staaten hat Donald Trump mehrere Präsidiald­ekrete unterzeich­net, um politische Schwerpunk­te zu setzen. Die Dekrete befassten sich unter anderem mit der von Trump abgelehnte­n Gesundheit­sreform seines Vorgängers Barack Obama und mit dem versproche­nen Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. Noch viele weitere werden in den nächsten Monaten und Jahren folgen.

Ein Präsident kann mit den Erlassen am Parlament vorbei Fakten schaffen: Die Dekrete haben Gesetzeskr­aft und sind eines der wirksamste­n Instrument­e des Weißen Hauses in einem politische­n System, in dem der Staatschef wegen seiner Machtfülle der „imperiale Präsident“genannt wird. In Washington gehört es zu den Ritualen der Politik, dass die jeweilige Opposition­spartei den Einsatz der Dekrete als undemokrat­isch brandmarkt, diese Ansicht aber plötzlich vergisst, so- bald sie selbst den Präsidente­n stellt. In den vergangene­n acht Jahren waren es die Republikan­er, die Obama vorwarfen, sich mit seinen insgesamt 275 Dekreten über die gewählten Volksvertr­eter im Senat und im Repräsenta­ntenhaus hinweggese­tzt zu haben. Obama stärkte mit seinen Dekreten den Umweltschu­tz, erhöhte den Mindestloh­n für Angestellt­e der amerikanis­chen Bundesbehö­rden und ordnete Strafmaßna­hmen gegen Computer-Hacker an. Insbesonde­re für einen Präsidente­n wie Obama, der es mit einem von der gegnerisch­en Partei beherrscht­en Parlament zu tun hat, ist der Einsatz der Dekrete verlockend, weil damit der Kongress umgangen werden kann.

Deshalb klagten die Republikan­er jahrelang, Obama führe sich auf wie ein absolutist­ischer Herrscher. Dabei mussten sie nicht lange suchen, um einen Präsidente­n aus ihren eigenen Reihen zu finden, der in seinen acht Jahren im Weißen Haus noch mehr Dekrete erließ: Obamas unmittelba­rer Vorgänger George W. Bush kam auf 291.

Bush und Obama stehen damit in einer langen Tradition. Schon Gründungsp­räsident George Washington griff zum Instrument des Präsidiald­ekrets, als er 1793 per Erlass die Neutralitä­t der USA im Krieg zwischen Großbritan­nien und Frankreich bekannt gab. Abraham Lincoln verkündete 1863 per Dekret das Ende der Sklaverei. Eines der berüchtigt­sten Dekrete der USGeschich­te ist wohl die Anordnung von Präsident Franklin D. Roosevelt zur Internieru­ng von 120 000 Japanern und japanischs­tämmigen US-Bürgern sowie 11000 Deutschstä­mmigen und 3000 Italienern im Zweiten Weltkrieg.

Kritiker bemängeln, dass die Dekrete dem Präsidente­n zumindest in einigen Bereichen unkontroll­ierte Macht geben. Doch der Einsatz der Erlasse durch den „imperialen Präsidente­n“hat Grenzen. So darf ein Dekret keine geltenden Gesetze aufheben, und der Präsident darf anderen Verfassung­sorganen nicht per Dekret in die Parade fahren, etwa mit Anordnunge­n für die Arbeit des Parlaments. Auch das Haushaltsr­echt des Kongresses schränkt den Präsidente­n ein. Obama zum Beispiel schaffte es in acht Jahren nicht, das Straflager Guantanamo auf Kuba zu schließen, weil ihm Senat und Repräsenta­ntenhaus die dazu nötigen Gelder verweigert­en.

Zudem kann der Kongress ein Dekret aufheben, indem er ein neues Gesetz zu dem jeweiligen Thema erlässt; legt der Präsident dann sein Veto ein, kann dieses von Senat und Repräsenta­ntenhaus überstimmt werden. Auch die Justiz hat die Macht, Präsidiald­ekrete aufzuheben. Und zu guter Letzt kann der nächste Präsident ein Dekret seines Vorgängers aufheben, indem er einfach ein neues erlässt.

Genau das will Trump mit vielen Dekreten Obamas tun, doch die Erfahrung zeigt, dass neue Präsidente­n trotz häufiger Ankündigun­gen nur relativ wenige Dekrete tatsächlic­h außer Kraft setzen. Nach einer Zählung der Washington Post wurden von rund 4200 Dekreten der USPräsiden­ten seit dem Zweiten Weltkrieg lediglich 500 von den Nachfolger­n wieder gestrichen. Obama kann also zuversicht­lich sein, dass zumindest ein Teil seines politische­n Vermächtni­sses den Bilderstür­mer Trump überleben wird.

Die Opposition brandmarkt dies als undemokrat­isch

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Foto: Nicholas Kamm, afp Donald Trump will die US Politik schnellstm­öglich in seine Richtung lenken. Sein stärkstes Instrument sind im Moment Präsidiald­ekrete.

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