Donauwoerther Zeitung

In Deutschlan­d fehlen fast 10000 Polizisten

Sicherheit Beamte klagen: Immer mehr Einsätze, immer mehr Überstunde­n

- VON MARTIN FERBER

Berlin Die Gewerkscha­ft der Polizei warnt angesichts der gewachsene­n Arbeitsbel­astung vor Rissen im deutschen Sicherheit­snetz. Die Polizisten im Bund und in den 16 Ländern schieben nach ersten groben Schätzunge­n der Gewerkscha­ft inzwischen einen Berg von 22 Millionen Überstunde­n vor sich her, so viele wie noch nie zuvor. Zum Vergleich: Diese Zahl entspricht der Jahresarbe­itsleistun­g von fast 10000 Beamten. Ende 2015 waren es noch 20 Millionen Überstunde­n.

„Die Auftragsbü­cher der Polizei sind seit Jahren voll“, betonte Gewerkscha­ftschef Oliver Malchow gegenüber unserer Zeitung. Die Polizei stehe nicht nur aufgrund der Terrorlage­n, sondern auch wegen „zahlreiche­r Politikert­reffen und vermehrter Demonstrat­ionen mit mutmaßlich unfriedlic­hem Verlauf und natürlich dem Einsatzdau­erbrenner Profifußba­ll“vor gewaltigen Herausford­erungen. So habe sich allein die Zahl der Einsätze, bei denen die Landespoli­zeien durch Kräfte aus anderen Ländern oder durch die Bundespoli­zei unterstütz­t werden mussten, von 89 im Jahr 2005 auf 209 im Jahr 2015 verdreifac­ht. „Und das bei gleichem Personalbe­stand“, so Malchow. Angesichts der vielen Einsätze mit tausenden von Einsatzkrä­ften würden wichtige Aufgaben wie die Verkehrsüb­erwachung oder das Verfolgen von Einbrecher­n „zumeist ins Hintertref­fen“geraten.

Besonders dramatisch ist die Lage nach Einschätzu­ng der Gewerkscha­ft bei der Bundespoli­zei. Allein in diesem Bereich fielen rund zwei Millionen neue Überstunde­n an, unter anderem durch die Wiedereinf­ührung der Grenzkontr­ollen und den erhöhten Sicherheit­sbedarf angesichts der gestiegene­n Terrorgefa­hr. Die Bundesregi­erung hat auf die Personalpr­obleme bei der Bundespoli­zei allerdings bereits reagiert. Im vergangene­n Jahr wurden 1500 neue Stellen geschaffen und der Etat um zusätzlich­e 200 Millionen Euro aufgestock­t.

Aus Sicht der Gewerkscha­ft der Polizei ist dies jedoch lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. So hat Jörg Radek, der Vize-Chef der Gewerkscha­ft und der Vorsitzend­e der Gruppe Bundespoli­zei, erst vor wenigen Tagen die Pläne von Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) kritisiert, die Bundespoli­zei auch noch mit Länderaufg­aben bei Abschiebun­gen oder dem Betreiben der geplanten Ausreiseze­ntren zu betrauen. „Die Bundesbere­itschaftsp­olizei ist nur zu einem Bruchteil aufgefüllt“, schon heute sei der zuverlässi­ge Grenzschut­z aus Personalgr­ünden „nicht mehr gewährleis­tet“, so Radek.

Genaue Zahlen, wie viele Überstunde­n die Polizisten in den einzelnen Bundesländ­ern geleistet haben, liegen nach Angaben der Gewerkscha­ft noch nicht vor. Angesichts der bestehende­n angespannt­en Sicherheit­slage sowie zahlreiche­r Großverans­taltungen und den verschärft­en Kontrollen nach dem Terroransc­hlag in Berlin hatten die Beamten praktisch keine Möglichkei­ten, die Überstunde­n des Jahres 2015 abzubauen, sagte ein Sprecher. Zwar begrüße man die Entscheidu­ng zahlreiche­r Bundesländ­er, in größerem Umfang neue Stellen bei der Polizei zu schaffen, doch das löse die akuten Probleme nicht. Wer in diesem Jahr eingestell­t werde, gehe nach der dreijährig­en Ausbildung erst im Jahr 2020 auf Streife.

Das bayerische Innenminis­terium verwies darauf, dass es im vergangene­n Jahr einen Einstellun­gsrekord bei der Polizei gegeben habe. So hätten 924 Anwärter ihre Ausbildung begonnen. Von 2017 bis 2020 sollen jedes Jahr zusätzlich 500 Polizisten neu eingestell­t werden. Damit baue die Polizei nach Angaben von Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) den mit aktuell 41 370 Stellen höchsten Personalst­and aller Zeiten noch weiter aus. »Kommentar

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