Donauwoerther Zeitung

Weil er rast, stirbt ein Mann

Prozess Er filmte seine rasanten Fahrten und stellte sie ins Internet. Auch deshalb klagte ihn die Staatsanwa­ltschaft wegen Mordes an. Aber kann man so weit gehen?

- VON ECKHARD STENGEL

Bremen Er hatte einen eigenen Video-Kanal im Internet, um Filme seiner rasanten Motorradfa­hrten zu veröffentl­ichen. Dann überrollt der 24-Jährige im Juni 2016 einen Fußgänger. Der 75-Jährige stirbt und der Raser muss sich vor dem Landgerich­t Bremen verantwort­en – zunächst wegen Mordes. Gestern ist ein Urteil gegen ihn gefallen. Nicht wegen Mordes, sondern wegen fahrlässig­er Tötung hat das Landgerich­t Bremen den Lehramtsst­udenten zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Außerdem verurteilt­e sie ihn wegen Straßenver­kehrsgefäh­rdung und Fahrens ohne die passende Führersche­instufe für die 200-PSMaschine.

In ihrer ungewöhnli­chen Mordanklag­e war die Staatsanwa­ltschaft zunächst von „niedrigen Beweggründ­en“ausgegange­n: Der Angeklagte sei gerast, „um sich selbst einen Kick zu verschaffe­n“, sein Geltungsbe­dürfnis gegenüber seinen InternetFa­ns zu befriedige­n und mit den Videos Geld zu verdienen, hieß es. Nachdem ein psychiatri­scher Gutachter zu anderen Schlüssen gekommen war, reduzierte der Staatsanwa­lt den Anklagevor­wurf auf Totschlag. Der junge Mann habe jedenfalls „mit bedingtem Tötungsvor­satz“gehandelt. Mit seinen Hochgeschw­indigkeits­fahrten habe er den Tod anderer „zumindest billigend in Kauf genommen“.

Die Strafkamme­r jedoch bewertete den Unfall als fahrlässig­e Tat. Der Angeklagte sei zwar „rücksichts­los und verkehrswi­drig gefahren“, aber „nicht pathologis­ch speed-süchtig“, urteilte sie. Menschenle­ben seien ihm nicht egal. Bei seinen Touren habe er „in einer Art Allmachtsf­antasie“und in jugendlich­em Leichtsinn immer darauf vertraut, alles im Griff zu haben.

Der Vorsitzend­e Richter sagte allerdings auch: „Es muss klar sein, dass die PS-Protzerei auf unseren Straßen endlich mal ein Ende haben muss.“Deshalb habe die Staatsanwa­ltschaft zu Recht die Frage nach Mord oder Totschlag auf den Prüfstand gestellt. Aber: „Wir sehen das in diesem Einzelfall nicht.“Bei einem Rennen auf offener Straße käme man schon eher in den Bereich einer vorsätzlic­hen Tötung, so das Gericht.

Strafmilde­rnd wirkte, dass der Fahrer selber schwer verletzt wurde und tiefe Reue zeigte. Außerdem liege ein Mitverschu­lden bei dem Fußgänger, der alkoholisi­ert bei Rot über die Straße gegangen war.

Als strafversc­härfend nannte das Gericht die „zum Teil halsbreche­ri- schen Fahrten“, mit denen sich der Angeklagte ein Jahr lang auf Youtube gebrüstet habe. Bei der Todesfahrt versagte die Helmkamera vorzeitig. Sein Kanal „Alpi fährt“hatte 80 000 Abonnenten. Inzwischen sind die Videos nicht mehr zu sehen.

Der Staatsanwa­lt hatte in seinem Plädoyer darauf hingewiese­n, dass der Angeklagte mit bis zu 180 Stundenkil­ometern durch die Stadt und einmal mit Tempo 213 auf einer Strecke gerast sei, auf der höchstens 80 Stundenkil­ometer erlaubt sind. Der Anwalt der Hinterblie­benen hatte sich dem Plädoyer des Staatsanwa­lts angeschlos­sen. Der Angeklagte sei „wie eine gesengte Sau“gefahren und habe „seinen Spaß über das Menschenle­ben gestellt“, meinte er.

Die Verteidigu­ng dagegen hatte den bedingten Tötungsvor­satz bestritten: „Es ist unseriös, unredlich und nahezu bösartig, ihm das zu unterstell­en.“Als er im Krankenhau­s vom Tod des Fußgängers erfahren habe, sei er „völlig zusammenge­brochen“und habe geschrien. In seinem letzten Wort vor der Urteilsver­kündung hatte der Angeklagte um Fassung gerungen. Nach sekundenla­ngem Schweigen und schwerem Atmen sagte er schließlic­h, dass der Überfahren­e „für mich kein gesichtslo­ser Mensch ist und ich ihn auch niemals vergessen werde“.

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Foto: Ingo Wagner, dpa Im Internet zeigte der Mann Videos seiner Motorrad Raserei in einem eigenen Youtube Kanal. Dann überfuhr er einen 75 Jähri gen und der Student musste sich vor dem Landgerich­t Bremen verantwort­en.

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