Bayern SPD: Kohnen will eine Urwahl
Landespolitik Noch am Freitag standen in der Partei die Zeichen auf Sturm. Die Kandidatin für den Landesvorsitz aber entschärfte den Streit. Warum sie sich einem Votum der Mitglieder stellen will
München Die zweite Überraschung innerhalb weniger Tage in der Bayern-SPD: Nach dem vorzeitigen Rücktritt des Landesvorsitzenden Florian Pronold hat die von ihm favorisierte Nachfolgerin, Generalsekretärin Natascha Kohnen, bei der Klausur des Landesvorstands angekündigt, sich einer Urwahl stellen zu wollen. Sie meldete ihre Kandidatur an, verzichtete aber von sich aus auf eine formelle Nominierung als Kandidatin des Vorstands. „Wenn jemand anderes in unserer Partei ein anderes Angebot hat, dann begrüße ich das sehr“, sagte Kohnen.
Mögliche Gegenkandidaten haben nun bis Ende Februar Zeit, sich zu melden. Pronold zeigte sich nach der Sitzung erleichtert: „Ich finde es bemerkenswert, dass dieser Vorschlag von Natascha Kohnen einstimmig, ohne Gegenstimme und ohne Enthaltung vom Landesvorstand beschlossen worden ist.“
Noch am Freitag standen in der Partei die Zeichen auf Sturm. Es gab zwar einiges Verständnis für Pronolds Schritt und viel Zustimmung für seinen Personalvorschlag, aber eben auch lautstarke Kritik. Pronold wurde vorgehalten, als Spitzenkandidat der Bayern-SPD für die Bundestagswahl im Herbst hätte er den Landesvorsitz nicht vorzeitig abgeben dürfen und bis nach der Wahl durchhalten müssen. Außerdem wurde ihm vorgeworfen, Kohnen ohne Rücksprache mit Präsidium oder Landesvorstand aufs Schild gehoben zu haben. Und auch gegen Kohnen wurden Vorbehalte laut. Ausgerechnet der Vorsitzende ihres eigenen Bezirksverbandes Oberbayern, Ewald Schurer, stellte in den Raum, „einen alternativen Personalvorschlag zu machen.“
Dazu haben er und alle anderen in der Partei jetzt Gelegenheit. Kohnen, die vor der Klausur kein einziges Interview gegeben und in der Öffentlichkeit geschwiegen hatte, erklärte der SPD-Führungsriege zwar ihre Kandidatur für den Landesvorsitz. Sie verzichtete aber ausdrücklich auf ein Votum des Landesvorstands zu ihren Gunsten.
Stattdessen trug sie ihre Ideen für den künftigen Kurs der BayernSPD vor: Statt sich „an der Staatsre- gierung abzuarbeiten“, solle die SPD „für die Menschen fühlbar werden“. Nötig sei dazu „ein anderer Politikstil“. Es müsse klar werden, dass die Partei für eine Gesellschaft arbeite, in der junge Menschen keine Angst vor der Zukunft haben müssen, sondern Perspektiven, „um sich entwickeln und entfalten zu können“. Es sei, wie der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sage, „Zeit für Gerechtigkeit“.
Die SPD müsse sich „klar beken- nen zu der Aussage, dass die, die viel haben, auch etwas für alle beitragen“. Als konkrete Beispiele nannte Kohnen vollständige Gebührenfreiheit für Kindergärten und eine Begrenzung der Bodenpreise. „Ich mache ein Angebot an die Partei. Wenn sie mit mir gehen möchte, dann wird es auf diese Weise sein“, sagte die 49-jährige Landtagsabgeordnete aus Neubiberg (Landkreis München). Wenn jemand anderes antreten wolle, dann wolle sie eine Urwahl, bei der alle Mitglieder der Bayern-SPD ihre Stimme abgeben können. „Das ist Angesicht zu Angesicht, es ist ehrlich, es ist offen“, sagte Kohnen. Am Ende dieses Prozesses brauche die Partei „absolute Geschlossenheit“.
Pronold unterstützt diesen Kurs. „Ich halte das für ein faires Vorgehen, dass man in so einer Situation für Klarheit sorgt“, sagte Pronold, konnte sich einen Seitenhieb auf den oberbayerischen SPD-Bezirkschef Schurer nicht verkneifen: „Ich glaube, dass Ewald Schurer sehr glücklich ist, bald seine Kandidaten präsentieren zu können.“
Schurer nahm das betont gelassen. „Das lasse ich jetzt mal unkommentiert so stehen“, sagte er auf Nachfrage unserer Zeitung. Er blieb dabei, dass es „völlig falsch und semiprofessionell bis amateurhaft“gewesen sei, schon eindreiviertel Jahre vor der Landtagswahl eine
Kohnen sagt, ein anderer Politikstil sei jetzt nötig Gegner müssen jetzt aus der Deckung kommen
Spitzenkandidatin der SPD vorzuschlagen. Er bekräftigte auch seine Kritik an der Art und Weise, wie Pronold vorgegangen ist. „Das Mindeste wäre gewesen“, sagt Schurer, „vorab das Präsidium einzubeziehen.“
Dennoch zeigte er sich zufrieden mit dem Ergebnis der Klausur. Die Forderung des größten SPD-Bezirksverbandes Oberbayern, sich auf ein Verfahren zur Besetzung des Landesvorsitzes zu verständigen, sei erfüllt worden. „Allein ein Wettbewerb zwischen zwei Persönlichkeiten würde der SPD guttun“, sagte Schurer. Und auch er betonte, am Ende des Prozesses müsse die Bayern-SPD „mit ganzer Kraft hinter dem Spitzenmann oder der Spitzenfrau stehen.“
Tatsächlich könnte eine Urwahl, die nach der Satzung der SPD jederzeit möglich ist, für eine Disziplinierung der Partei sorgen. Zwar hat laut Satzung der Parteitag immer das letzte Wort. Auch ein Kandidat, der bei einer Urwahl eine Mehrheit findet, muss vom Parteitag gewählt werden. Mögliche Gegenkandidaten aber stehen jetzt unter Druck, früher aus der Deckung zu kommen. Wer erst beim Parteitag gegen Kohnen antreten würde, ohne sich zuvor einem Votum aller Parteimitglieder gestellt zu haben, hätte sehr wahrscheinlich ziemlich schlechte Karten. »Kommentar