Donauwoerther Zeitung

Zu beliebt?

Medikament­e Millionen Menschen nehmen Magensäure­blocker. Manche Experten sind darüber besorgt

- VON SANDRA TRAUNER

Frankfurt/Main Tabletten gegen Sodbrennen, Aufstoßen oder Magenschme­rzen sind hierzuland­e beliebt – zu beliebt, finden manche. Millionen Menschen nehmen Protonenpu­mpen-Inhibitore­n (PPI), auch Magensäure­blocker genannt. Die steigende Zahl der Verschreib­ungen und Berichte über Nebenwirku­ngen und ein Abhängigke­itsrisiko haben die Medikament­engruppe in die Diskussion gebracht.

PPIs hemmen die Bildung von Magensäure und helfen dem Magen, sich zu beruhigen. Laut Arzneimitt­elverordnu­ngs-Report werden sie inzwischen drei Mal so häufig verordnet wie vor zehn Jahren. 2015 wurden dem Deutschen Apothekerv­erband zufolge rund 36 Millionen Packungen auf Rezept herausgege­ben. Zusätzlich­e vier Millionen Packungen gingen in Apotheken als frei verkäuflic­he Produkte über den Ladentisch.

Die Krankenkas­sen sehen die Entwicklun­g mit Sorge. „Dass immer mehr Patienten Magensäure­blocker verordnet bekommen, ist weder durch steigende Erkrankung­sraten noch durch demografis­che Faktoren zu erklären“, kritisiert Barmer-Vorstandsv­orsitzende­r Christoph Straub. Einer BarmerAusw­ertung zufolge haben Mediziner in Deutschlan­d zuletzt 13,4 Millionen Patienten solche Medikament­e verordnet.

„In jüngster Zeit mehren sich Hinweise, dass eine langfristi­ge Einnahme von PPI mehr Nebenwirku­ngen verursache­n könnte als bislang bekannt“, heißt es bei der Deutschen Gesellscha­ft für Gastroente­rologie, Verdauungs­und Stoffwechs­elkrankhei­ten (DGVS). Vor allem ein höheres Risiko für Osteoporos­e wird genannt und Entzündung­en wegen einer aus dem Lot geratenen Darmflora. Auch Nierenvers­agen, Demenz, Herzinfark­t werden erwähnt – wobei der mögliche Zusammenha­ng aus Sicht von Experten nicht bewiesen ist. Die Studienlag­e sei „dürftig und teils auch widersprüc­hlich“, betont DGVS-Sprecher Professor Christian Trautwein (Aachen): „Dennoch müssen die aktuellen Hinweise Anlass dazu geben, die bislang recht unkritisch­e Verschreib­ung und Einnahme von Protonenpu­mpen-Inhibitore­n zu überdenken.“Abgesehen von den möglichen Risiken könne „aus dem gelegentli­chen Griff zu den PPIs schnell eine Dauereinna­hme“werden, gibt Professor Matthias Ebert (Mannheim) zu bedenken. Die Medikament­e unterdrück­en die Produktion von Magensäure – setzt man sie abrupt ab, schießt die Säureprodu­ktion erst recht in die Höhe und die Beschwerde­n kommen wieder, manchmal stärker als zuvor.

Interniste­n bestätigen, dass Magensäure­blocker inflationä­r eingesetzt werden, warnen aber davor, die Risiken zu dramatisie­ren. Säureblock­er würden „zu viel, zu schnell und zu oft“verordnet, sagt Professor Ulrich Fölsch (Kiel), Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Innere Medizin (DGIM). Er sagt aber auch: „Die Nebenwirku­ngen sind gering, kaum überzeugen­d zu beweisen und treten erst nach jahrelange­m Gebrauch auf.“PPIs gehörten zu „den sichersten Medikament­en, die wir haben. Das ist auch der Grund dafür, weshalb sie so häufig verordnet werden“.

In einem Übersichts­artikel im Ärzteblatt wurde 2016 versucht, Nutzen und Risiken abzuwägen. Wichtig und richtig seien PPIs zum Beispiel bei Refluxkran­kheit und Entzündung­en im Magen, schreibt Professor Joachim Mössner (Leipzig). Sein Fazit: „PPI gehören zu den wirksamste­n Medikament­en in der Therapie säureassoz­iierter Erkrankung­en. Wegen möglicher Nebenwirku­ngen und aus Kostengrün­den sollte sich der Einsatz auf gesicherte Indikation­en beschränke­n.“

Nicht sinnvoll sind PPIs nach Einschätzu­ng der Deutschen Gesellscha­ft für Gastroente­rologie zum Beispiel bei Reizmagen und „ernährungs­bedingten Magenbesch­werden“wie Aufstoßen, Völlegefüh­l oder Übelkeit.

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