Becksteins E Mail an die Kanzlerin
Politik Der frühere bayerische Ministerpräsident ist auf Einladung des Lions-Clubs Donauwörth im Zeughaus zu Gast. Dort spricht er über Europa und die Asylpolitik von Angela Merkel
Donauwörth Er war bayerischer Ministerpräsident, zuvor viele Jahre Innenminister. In diesen Zeiten zählte Günther Beckstein zu den am besten bewachten Politikern Deutschlands mit Dienstwagen und großem Gefolge. Heute ist er Pensionär und meist alleine unterwegs, wenn er immer noch zu zahlreichen Veranstaltungen gebeten wird, um über die verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Themen zu sprechen.
Auch auf der Fahrt nach Donauwörth, wo er vom örtlichen LionsClub zu einem Vortrag ins Zeughaus eingeladen wurde, sitzt der 73-jährige Franke selbst am Steuer seines Wagens. Er ist eine halbe Stunde zu spät. „Ein Stau auf der Autobahn“, entschuldigt er sich. Sein früherer enger Weggefährte Georg Schmid habe ihn per Telefon in die Rathausgasse gelotst.
Lions-Präsident Ulrich Schätzl begrüßt den Gast als „Zeitzeugen“der politischen Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, die er selbst in wichtigen Funktionen mitgestaltet habe. „Ist Europa noch ein Zukunftsmodell?“lautet das Thema des Abends.
Günther Beckstein wirkt sichtlich befreit von der Last und Verantwortung seiner früheren Funktionen, was er auch selbst einräumt. „Ich kann mich jetzt frei äußern und muss keine Rücksicht mehr nehmen, was ich sage. Davon mache ich auch reichlich Gebrauch“.
Gleich zu Beginn seines Vortrages äußert Beckstein seine Sorge über die weitere Zukunft Europas. Es gebe keinen „Bauplan“, wohin es sich entwickeln solle. Viele Fragen seien offen. Wie wirke sich der Brexit auf das Gesamtgefüge aus? Wie gehe es weiter mit der Flüchtlingsproblematik, angesichts der Tatsache, dass sich in dieser Frage die Staaten nicht einig seien. „Ich hoffe, dass die EU in allen offenen Punkten zu vernünftigen Regelungen kommt“, sagt der CSU-Politiker. Wohin konkret die Reise gehe, sei völlig offen. Weitere Ausstiege aus dem europäischen Gefüge erwarte er allerdings nicht, wenngleich immer wieder darüber spekuliert werde,
Für spannend halte er die Frage, ob es zu einer „Vergemeinschaftung“der Schulden in der Eurozone komme, wie dies beispielsweise auch der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, in seiner Eigenschaft als Präsident des EU-Parlaments immer wieder gefordert habe. Er glaube nicht, dass Schulz diese Ansicht im kommenden Wahlkampf wiederholen werde. „Das will ich ihm dann auch gar nicht übel nehmen. Er ist jetzt in einer anderen Funktion“, gibt sich Beckstein verständnisvoll.
Eine noch größere Herausforderung sieht der frühere Innenminister in der Flüchtlingsbewegung. Bei diesem Thema wird er deutlich. Die Entscheidung von Kanzlerin Merkel, im September 2015 Tausende von Flüchtlingen aus Ungarn unkontrolliert nach Deutschland einreisen zu lassen, sei ein großer Fehler gewesen. „Damit ist auch die Vereinbarung zusammengebrochen, dass Flüchtlinge in dem Land ihre Asylanträge stellen müssen, wo sie erstmals europäischen Boden betreten (Dublin-Abkommen).“Dies sei letztlich der Grund für den Ansturm von Flüchtlingen und Asylsuchenden nach Europa, speziell nach Deutschland gewesen. „Hier habe ich mich dann erstmals seit Langem wieder politisch eingemischt und der Kanzlerin eine E-Mail geschrieben, dass es so nicht gehe“.
Günther Beckstein streift in seinem über einstündigen Vortrag noch zahlreiche weitere Aspekte seines politischen Wirkens und lässt dabei unter anderem durchblicken, dass sein Verhältnis zu Edmund Stoiber, nach dessen Sturz belastet gewesen sei. Dessen Ratschläge seien häufig „mehr Schläge als Rat“gewesen.