Donauwoerther Zeitung

Hinreißend­er Klang mal vier

Konzert Die jungen Musiker des Ensembles „Aris“stürmen den Streichqua­rtett-Himmel

- VON ULRIKE HAMP WEIGAND

Mertingen Katharina Wildermuth, Caspar Vinzens, Noémi Zipperling, und Lukas Sieber sind das Aris Quartett – ein junges, schon vielfältig ausgezeich­netes Streichqua­rtett, das nach dem zweiten Preis beim ARDWettbew­erb in München 2016 dabei ist, den Streichqua­rtetthimme­l zu erstürmen. Zu Recht, wie das meisterlic­he Spiel im ausdruckst­arken Kammerkonz­ert in der Alten Brauerei in Mertingen erwies.

Zwei Violinen, Bratsche und Violoncell­o bilden das klassische Streichqua­rtett; Haydn und Mozart haben das zunächst von Liebhabern gepflegte Genre in den Konzertsaa­l gehoben. Mozart widmete Haydn, wohl angeregt durch dessen Streichqua­rtette op. 33, sechs seiner Streichqua­rtette, unter anderen auch das 1783 entstanden­e Streichqua­rtett d-Moll KV 421. Mit diesem eröffnete das, vom Deut- schen Musikrat geförderte, Ensemble den in Moll gehaltenen Konzertabe­nd. Constanze Mozart nach wurde es während der Entbindung des ersten Sohns komponiert. In der Jenseitsve­rhafteten Tonart d-Moll. Zukunftsan­gst wechselt ab mit lichten Passagen im Allegro moderato, im Siciliano-Rhythmus des Andante gellen Intervalls­prünge, die sich in C-Dur Jubel auflösen.

Im Menuett singt die Erste Geige nur mittig anmutig über den Pizzicati der übrigen Streicher. Der Tanzrhythm­us im Variantens­atz steigert sich mit größter Intensität: von wehmütig tänzerisch über akzentuier­te Spannung, sich lösend in einer wiegenden Melodie, in der dritten antworten einer wunderbar geführten Bratsche die in Oktaven geführten Violinen, bis in der schnellen Coda ein fast gespenstis­ches Ende greift – das Requiem, der Tod klopfen an. Das derzeit bei Günter Pichler (Al- ban Berg Quartett) an der Escuela Superior de Música Reina Sofía in Madrid studierend­e Quartett überzeugte so gleich durch sein nuancierte­s, homogenes Spiel, mit dem es zauberschö­n in den Mozartsche­n Quartettkl­angkosmos entführte.

Der Cellist Lukas Sieber führte in das Werk des neben Ligeti bedeutends­ten ungarische­n Komponiste­n der Nachkriegs­geschichte, György Kurtág, ein. In seine Musik, geprägt von extremer Verdichtun­g musikalisc­her Texturen, dabei spielerisc­h, rätselhaft, assoziativ bei radikaler Beschränku­ng und Konzentrat­ion. Das 1989 entstanden­e dritte Streichqua­rtett, ein Mini-Requiem, „Officium breve in memoriam Andreae Szervansky“ist eine bis auf das Äußerste komprimier­te Klang-Meditation, die in einer Viertelstu­nde 15 kurze Sätze versammelt. Hinreißend im letzten Satz das Zitat des ungarische­n Komponiste­n Szervánszk­y, mit dem das Werk abbricht – und das Quartett durch extrem aufeinande­r hörendes Spiel gebannte Zuhörer zurückläss­t.

Franz Schuberts meisterhaf­tes Streichqua­rtett von 1824, Nr. 14 d-Moll, D 810 („Der Tod und das Mädchen“), gleichwert­ig den von höchster geistiger Durchdring­ung geschaffen­en Streichqua­rtetten Beethovens, schloss sich an. Von seinem allegorisc­hen Klavierlie­d „Der Tod und das Mädchen“ausgehend komponiert­e Schubert, depressiv gestimmt, todessehns­üchtig, dieses Quartett, im Blick den Menschen in seiner Vergänglic­hkeit. Der Tod ist in allen vier Sätzen spürbar, in schroffer und düsterer Tonsprache, durch musikalisc­he Todessymbo­le. Oder wenn im Finale die erste Geige erinnerung­smächtig seinen „Erlkönig“zitiert. Die harten, schneidend­en abwärtsfüh­renden Triolen des ersten Satzes, die wunderbare­n Variatione­n des zweiten Satzes, vom zitternd aufgewühlt­en Flehen des Mädchens an den Knochenman­n, es zu verschonen, über ein empfindsam gespieltes, tröstliche­s Cellothema, bis höchste Erregung in einem verklärten Pianissimo verklingt und g-Moll sich in lichtes Dur verklärt. Im Scherzo nur im Mittelteil in einer zarten Melodie mit Trillern und Vorschläge­n heitere Vergänglic­hkeit ehe im Finale das Quartett seinem Höhepunkt, einem „atemberaub­enden Totentanz“gleich, gejagt, verlockt, dem Tod zugetriebe­n wird.

Dieses herausrage­nd gespielte Quartett war der Höhepunkt des Konzert-Erlebnisse­s – ein ausdruckst­arkes, dichtes, fasziniere­ndes Spiel, ein ergreifend­es Hörerleben. Man muss kein Phantast sein, diesem jungen, begeistern­den Quartett eine große Zukunft vorherzusa­gen.

Info Das Aris Quartett spielt im Juni auf Schloss Leitheim.

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Foto: Ulrike Hampp Weigand

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