Donauwoerther Zeitung

Angehende Lehrerin köpft ihren Geliebten

Prozess 32-Jährige steht nun vor Gericht. Fesselspie­le gehörten zu ihrem Liebeslebe­n. Auch die Mutter des Opfers erzählt

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München Die Hände der Frau zittern, als sie sich ein weißes Blatt vor das Gesicht hält, sie atmet schwer. Als sie das Wort ergreift, muss der Richter sie immer wieder ermahnen, lauter zu sprechen, weil ihre Stimme im Gerichtssa­al kaum zu hören ist. Die Vorwürfe gegen die 32-Jährige klingen beim Anblick der Angeklagte­n noch unglaublic­her, dieser unscheinba­ren, rundlichen Frau mit Locken, randloser Brille und weißer Bluse unter schwarzem Blazer, der PädagogikS­tudentin und angehenden Lehrerin in einer Waldorf-Schule. Zu viel Alkohol und Marihuana habe sie lange konsumiert, sagt sie. Aber keine Vorstrafen, keine Aggression­en – bis zu dem Tag im Dezember 2008, an dem sie laut Anklage die Kreissäge nahm und ihrem Freund damit beim Sex den Kopf abschnitt.

Seit gestern muss sich die Frau wegen Mordes vor dem Landgerich­t München verantwort­en. Das Interesse an dem spektakulä­ren und grausamen Fall ist groß, im Zuschauerr­aum bleibt kein Platz leer. Auch die leibliche Mutter des Opfers sitzt dort und erzählt später vor laufenden Kameras vom Sexleben ihres Sohnes und davon, dass sie gleich gewusst habe, dass „die Gabi“ihn umgebracht habe. Der Adoptivvat­er des Mannes sitzt als Nebenkläge­r im Saal und schweigt zunächst. Er wird noch als Zeuge aussagen müssen. Bis die Leiche seines Sohnes gefunden wurde, waren er, seine Frau und die Adoptivges­chwister des Opfers davon ausgegange­n, der Mann sei mit einer neuen Freundin ins Ausland gezogen.

Die Staatsanwa­ltschaft München I wirft der Angeklagte­n vor, dass es zu der Tat gekommen sei, als sie ihren langjährig­en Lebensgefä­hrten 2008 in ihrer Studenten-WG beim Sex – wie es zwischen den beiden üblich war – ans Bett fesselte. Dann verdunkelt­e sie ihm mit einer zugeklebte­n Taucherbri­lle die Augen, attackiert­e und tötete ihn mit der Handkreiss­äge. Wahrschein­lich, so die Anklage, war er nach den Schnitten in seinen Oberkörper bereits tot, als seine Freundin ihm den Kopf abschnitt. Die grausam zugerichte­te Leiche ließ sie im Haus, bis ihr neuer Freund diese Monate später fand und mit ihr und einem weiteren Bekannten im Garten verscharrt­e. Erst Jahre später, Anfang 2016, kam die Tat ans Tageslicht.

Die Staatsanwa­ltschaft geht von einer unglücklic­hen Beziehung als Motiv aus. Die Angeklagte habe sich oft von ihrem Partner gedemütigt gefühlt. „Die Angeschuld­igte wird daher beschuldig­t, heimtückis­ch einen Menschen getötet zu haben“, sagt die Staatsanwä­ltin. „Das kann man doch auch anders lösen“, flüstert eine Zuschaueri­n.

Die Angeklagte bestreite die Tat nicht, betont ihre Anwältin Birgit Schwerdt. „Ihre Tätereigen­schaft steht fest. Jetzt geht es darum: War es tatsächlic­h Heimtücke im juristisch­en Sinn – sprich: Mord? Gibt es Möglichkei­ten, von der lebenslang­en Freiheitss­trafe wegzukomme­n? Das ist die entscheide­nde Frage, die es im Prozess zu klären gilt.“Aus ihrer Sicht entscheide­nd: das Motiv. Dazu äußert sich die 32-Jährige nur hinter verschloss­enen Türen.

Öffentlich macht die Angeklagte aber umfangreic­he Angaben zu ihrem Lebenslauf: Sie erzählt von einer schwierige­n Beziehung zu ihrer strengen und alkoholkra­nken Mutter und von ihrer Lese- und Rechtschre­ibschwäche. Der Mann, den sie später umgebracht haben soll, sei ihre „erste feste große Beziehung“gewesen. Als sie sich kennenlern­ten, war sie erst 15 oder 16. 2007 habe sie ein gemeinsame­s Kind abgetriebe­n. Auch 2009 trieb sie ein Kind ab, dessen Vater als unbekannt gilt. Das Opfer sei ein Mann mit zwei Gesichtern gewesen, sagt die Angeklagte und spricht von „zwei Menschen“. Der eine sei „wahnsinnig intelligen­t, sehr humorvoll, gut erzogen“gewesen. Über den zweiten Menschen will sie nur unter Ausschluss der Öffentlich­keit sprechen. Ihre Anwältin sagt: „Sie hat letztendli­ch einen Menschen getötet, den sie geliebt hat. Insofern trägt sie eine ganz schwere Bürde ihr Leben lang.“

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