Donauwoerther Zeitung

München im Rossini Glück

Oper „Semiramide“hat alles, womit eine Star-Sopranisti­n brillieren kann

- VON STEFAN DOSCH

München Letzten Herbst, als Meryl Streep im Kino in der Rolle der Florence Foster Jenkins zu sehen war, gab es zeitgleich auch eine Filmdoku über diese „schlechtes­te Sängerin der Welt“– wunderbar schauerlic­h dargestell­t von der in Wirklichke­it wunderbar singenden Starsopran­istin Joyce DiDonato. Ob Foster Jenkins sich je an der Partie der Semiramide aus Gioacchino Rossinis gleichnami­ger Oper versucht hat, ist nicht überliefer­t. Das Ergebnis aber müsste ein Spektakel sonderglei­chen gewesen sein – hört man sich jetzt in München an, was Joyce DiDonato als Semiramide stimmlich zu leisten hat: pausenlose vokale Achterbahn­fahrten, gewaltige Sprünge, endlose Ketten von Verzierung­en.

Rossini, hierzuland­e vorwiegend als Schreiber leichter Musikkomöd­ien im Bewusstsei­n, hat eine ganze Reihe dramatisch­er Opern verfasst. Dazu gehört auch „Semiramide“(1823) um die altorienta­lische Königin gleichen Namens. Einst hat sie mithilfe Assurs ihren Mann ermordet, ihr Sohn verschwand auf ungeklärte Weise. Nun kehrt dieser unter dem Namen Arsace so unwissend wie unerkannt zurück. Semiramide will ihn zum Mann, doch das will wiederum Assur verhindern, und so entfaltet sich die Handlung, in die noch weitere Figuren und Interessen verflochte­n sind, in ödipaler Explosivit­ät. Für Rossini eine Steilvorla­ge, hatte er hier doch Gelegenhei­t, alle nur erdenklich­en Leidenscha­ften in Musik zu setzten, was bei ihm vorzugswei­se heißt: in Gesang.

Inszeniert für die Bayerische Staatsoper hat das selten aufgeführt­e Stück ein alter Bekannter: David Alden war unter der früheren Intendanz von Peter Jonas einer der Protagonis­ten der Münchner HändelRena­issance. Seine einstige Lust zum szenischen Gegen-den-StrichBürs­ten vermisst man allerdings bei der „Semiramide“, Alden beschränkt sich hier hauptsächl­ich aufs Bebildern. Lokalisier­t ist das Geschehen in einem heutigen, sichtlich orientalis­chen Umfeld, das jedoch hinreichen­d Anspielung­en bereithält für Despotien jeglichen Orts und jeglicher Zeit. Kein Zufall wohl, dass die von Bühnenbild­ner Paul Steinberg an die Wände beorderten Gemäldesch­inken den Ex-Regenten des Landes mit hervorstec­hend gelbblonde­r Haartolle zeigen ...

Musikalisc­h ist diese Produktion eine Wucht. Wegen Joyce DiDonato, die die Künstlichk­eit des verzierten Gesangs in reinen Gefühlsaus­druck umzuwandel­n versteht; wegen stimmlich nicht weniger agiler Sängerkoll­egen wie Daniela Barcellona (in der Hosenrolle des Arsace), Alex Esposito (Assur) und Lawrence Brownlee (Idreno). Ganz wesentlich aber auch wegen des HausDebüta­nten am Pult: Michele Mariotti dirigiert Rossini voller Wärme und Lockerheit, ohne die Musik dieses Operndrama­s je zu leichtgewi­chtig zu nehmen. Dazu ein trennschar­fes, blitzendes Staatsorch­ester, ein auch im Leisen packender Chor: Eine Produktion, die den Besuch vor allem für Gesangslie­bhaber lohnt, auch wenn dafür vier Stunden Sitzfleisc­h erforderli­ch sind.

Aufführung­en Im Nationalth­eater wieder am 15., 18., 23., 26. Februar

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Foto: Wilfried Hösl/Staatsoper Jetzt geht’s der Mutter an den Kragen: Joyce DiDonato (vorne) als Semiramide, Daniela Barcellona als Arsace.

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