Donauwoerther Zeitung

Kufen Künstler und Diva

Eishockey Der Tscheche Jaromir Jagr geht mit bald 45 Jahren immer noch in der besten Liga der Welt auf Torejagd. Nicht nur mit Rekorden sorgt der Tscheche für Schlagzeil­en

- VON DIRK SING

Sunrise/Florida Begnadete Künstler oder Sportler werden von der Öffentlich­keit nicht nur für ihre einzigarti­gen Fähigkeite­n bewundert und geliebt. Oftmals weisen diese auch sonderbare, ja zuweilen sogar skurrile Charakterz­üge auf. Wer sich im Umfeld von Jaromir Jagr aufhält, lernt schnell die vielen unterschie­dlichen Facetten des tschechisc­hen Eishockey-Stars kennen.

Genial, launisch, zuvorkomme­nd, abweisend, humorvoll, gereizt, geduldig – man weiß nie so recht, woran man bei Jagr gerade ist. Diese Erfahrung mussten in dieser NHL-Saison Journalist­en aus seinem Heimatland Tschechien machen. Jagr hatte soeben beim 4:3 seiner Florida Panthers gegen die Buffalo Sabres (21. Dezember) drei Assists beigesteue­rt und damit in der ewigen Punkte-Bestenlist­e der National Hockey-League (NHL) mit dem zweitplatz­ierten Mark Messier gleichgezo­gen (1887 Punkte), als nach der Partie mehrere Zeitungsre­dakteure sowie Radio- und Fernsehrep­orter, die eigens aus Tschechien angereist waren, in der Panthers-Umkleideka­bine (dort werden in Nordamerik­a die Interviews mit Spielern geführt) auf „ihren“Helden warteten. Dort beantworte­te der „Meister“zunächst die Fragen der amerikanis­chen Journalist­en.

Als seine Landsleute an der Reihe gewesen wären, zog es Jagr mit düsterer Miene vor, erst in den Kraftraum und dann unter die Dusche zu gehen. Das erhoffte Interview auf Tschechisc­h? Fehlanzeig­e! Dafür plauderte er 24 Stunden später bestens gelaunt mit einem deutschen Journalist­en über seine Rekorde, sein unvergessl­iches Deutschlan­dGastspiel im Jahr 1995 bei den Schalker Haien oder seine Zukunft.

Wer am Ende tatsächlic­h in den Genuss kommt, ein ausführlic­hes Gespräch mit der lebenden Eishockey-Legende zu führen, der trifft auf eine beeindruck­ende Persönlich­keit, deren Aura und Magie deutlich zu spüren ist.

Im Jahr 1990 war Jagr, der von den Pittsburgh Penguins (erst) an der fünften Stelle gedraftet wurde, in die NHL gekommen – und das, ohne ein Wort Englisch zu sprechen. „Die Verantwort­lichen der Pens haben mich unmittelba­r nach dem Draft in die Schule gesteckt, damit ich die Sprache lerne. Das war schon eine harte Zeit“, erinnert sich Jagr zurück.

Seinen sportliche­n Leistungen tat dies freilich keinen Abbruch. Im Gegenteil. An der Seite der damaligen Pittsburgh-Ikone Mario Le- mieux (Jagr: „Er war mein großer Mentor“) gewann der Mann mit der „wehenden Lockenmähn­e“unter dem Eishockey-Helm und der Trikot-Nummer 68 (zur Erinnerung an den „Prager Frühling“, bei dem sein Großvater im Gefängnis ums Leben kam) in den Jahren 1991 und 1992 den Stanley Cup – die höchste Mannschaft­strophäe im nordamerik­anischen Eishockey! Was folgte, waren zwar keine weiteren Meistersch­aften mit den „Pens“, dafür aber schon frühzeitig zahlreiche persönlich­e Auszeichnu­ngen und individuel­le Bestmarken. So brachte es der Stürmer in der Saison 1995/1996 auf sagenhafte 149 Punkte (62 Tore, 87 Assists) und sicherte sich damit – wie in den Jahren 1998, 1999, 2000 und 2001 – die „Art Ross Trophy“für den punktbeste­n Spieler der NHL-Hauptrunde.

Allerdings sorgte Jagr – mittlerwei­le längst zum Superstar aufgestieg­en – auch neben dem Eis für Schlagzeil­en. Die einstige „Traumehe“mit den Pittsburgh Penguins wurde 2001 nach einem Zwist mit seinem ehemaligen Mentor und Teamkolleg­en Lemieux geschieden und Jagr zu den Washington Capitals getradet. Rund zwei Jahre später berichtete­n amerikanis­che Medien über Spielschul­den in Höhe von 500000 Dollar, Ermittlung­en des Finanzamte­s wegen Steuerhint­erziehung in Millionenh­öhe sowie einer angebliche­n Spielsucht, was das Mitglied des exklusiven „Triple Gold Clubs“(Jagr ist einer von aktuell 27 Akteuren, die den Stanley Cup in der NHL sowie Gold bei Olympische­n Spielen und Weltmeiste­rschaft gewannen) jedoch vehement bestritt.

Nach mehreren Stationen bei einem KHL- und weiteren NHLKlubs landete Jagr im Februar 2015 im Rentner-Paradies Florida. Jedoch nicht etwa als Dauer-Urlauber. Vielmehr geht der Tscheche, der am morgigen Mittwoch seinen 45. Geburtstag – übrigens bei einem Auswärtssp­iel in San José – feiert, immer noch in der ersten Sturmforma­tion der Panthers auf Torejagd. Ein Ende der Karriere ist nicht abzusehen. „Ich treffe meine Entscheidu­ng von Saison zu Saison. Vielleicht können Sie mich ja in drei Jahren in einem Interview erneut fragen, wie lange ich noch spielen werde“, meint Jagr mit einem Augenzwink­ern. Vorausgese­tzt natürlich, man erwischt in diesem Augenblick den gut gelaunten Jagr.

Jagr sorgt auch neben dem Eis für Schlagzeil­en

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Foto: afp Der Tscheche Jaromir Jagr nimmt es mit Kontrahent­en auf, die locker seine Söhne sein könnten. Am Mittwoch feiert er Geburtstag.

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