„Wir überreden niemanden“
Tourismus Terror hat das Reiseverhalten stark verändert. Urlauber meiden Länder wie die Türkei. Wie Veranstalter mit dieser Angst der Reisenden umgehen
Sicherheit geht vor – das ist für viele Menschen in deutschland offenbar weiterhin die Devise bei der Urlaubsplanung. Aus Angst vor Terror winken die Kunden im Reisebüro nach wie vor bei Ländern wie der Türkei ab. Schon im vergangenen Jahr blieben dort die Strände weitgehend leer. Für den Sommer 2017 verzeichnet DER Touristik sogar ein weiteres Minus bei den Buchungen. Die Gründe erläutert René Herzog, CEO, also Geschäftsführer, des Unternehmens für den Bereich Zentraleuropa.
In der Türkei hält die Flaute im Tourismus an. Woran liegt das?
Wir hatten zum einen sehr öffentlichkeitswirksame Anschläge. Gleichzeitig haben wir aus deutscher Perspektive eine schwierige politische Entwicklung. Es gibt immer wieder Nachrichten über die Türkei. Das hat eine emotionale Wir- kung. Es ist nicht so, dass man dann rationale Entscheidungen trifft und sich denkt: Um Gottes willen, die Türkei ist gefährlich. Das ist sie natürlich nicht. Aber manche Gäste sagen emotional: Ach, ich geh’ lieber woanders hin.
Sie sagen, die Türkei ist nicht gefährlich. Wie erleben denn Urlauber die Situation vor Ort?
Es gibt nichts, was sie dort negativ wahrnehmen würden.
Ist die Angst vor Terror also unbegründet oder übertrieben?
Das würde ich nicht sagen, weil man Terroranschläge schlecht vorhersehen kann. Fakt ist aber, dass das Auswärtige Amt bezüglich der touristischen Zonen und Hotelanlagen sagt, dass man unbesorgt dahin reisen kann. Bei Städten und Altstadtbesuchen sieht die Einschätzung anders aus. Das allein hält einige Leute schon vom Reisen ab, das ist ganz natürlich. Wir können nur sagen: Momentan ist es ruhig, es gibt keine Störung im touristischen Betrieb.
Wie gehen die Hoteliers mit der Angst vor Terror um – gibt es zum Beispiel erhöhte Sicherheitsmaßnahmen im Hotel?
Das ist schon länger so, an den Einfahrten gibt es eine Kontrolle, es wird ein Spiegel unter den Wagen gehalten, das Gepäck wird einmal durchleuchtet, das ist Standard.
Fühlen sich die Urlauber dadurch sicherer – oder rückt es das Thema nur noch mehr ins Bewusstsein?
Das ist die Frage: Gibt es ein gutes Gefühl, wenn zum Beispiel auf einem deutschen Weihnachtsmarkt Polizisten mit Maschinenpistolen stehen, oder gibt es ein schlechtes? Ich weiß es nicht. Da ist die Antwort immer sehr individuell.
Wie versuchen Sie, den Kunden im Reisebüro die Angst zu nehmen?
Ich würde gar nicht versuchen, die Angst zu nehmen. Wir können nur aufklären. Wir können darauf hinweisen, welche Situation es gibt in den Ländern, und dann muss der Reisegast seine eigene Entscheidung treffen.
Und wie weisen Ihre Mitarbeiter im Reisebüro darauf hin – sprechen die das Thema Terror von sich aus an?
Im Beratungsprozess wird der Reisehinweis des Auswärtigen Amts stets kommuniziert. Der wird auch nicht relativiert. Wir überreden niemanden und sagen: Fahrt doch dahin, da ist es sicher. Das machen wir nicht. Das wäre eine Aussage, die dürfen wir nicht treffen. Denn wir wissen es nicht.
Nun gab es ja nicht nur in der Türkei Anschläge, sondern auch in Frankreich und Deutschland. Rechnen Sie damit, dass die Menschen sich mit der Zeit daran gewöhnen werden, dass Sie immer wieder Nachrichten über Terror hören?
Den Begriff gewöhnen finde ich zwar nicht schön. Aber wir müssen sehen, dass das ein Phänomen ist, das bei uns inzwischen zum Alltag dazugehört.
Haben Sie noch Hoffnung, dass die Türkei in diesem Jahr zurückkommt?
Das Preis-Leistungs-Verhältnis in der Türkei ist hervorragend. Und Mallorca wird genauso voll wie letztes Jahr. Wenn es jetzt drei, vier Monate ruhig ist und die innenpolitische Situation sich beruhigt hat, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass die Buchungen wieder anziehen. Ich denke, wir werden wie im letzten Jahr einen Anstieg der Türkei-Buchungen sehen, so ab Mai.
René Herzog ist beim Reiseveranstalter DER Touristik für den Bereich Zentraleuropa verant wortlich. Es ist fast ein bisschen wie im „Grand Budapest Hotel“, Sie wissen schon, dem skurrilen Film von Wes Anderson. Die Rezeption mit ihrer Holztheke, auf deren Font Goldbordüren ein großes Z-Initial umschmeicheln – herrlich kitschig. Dann die Einrichtung der Zimmer im russischen Empire-Stil mit Rotund Goldtönen und dazu hellbraunen Wandvertäfelungen – herrlich aus der Zeit gefallen im ansonsten so hippen Berlin. An der Wand hinter Rezeption der Hotelklassiker: drei Uhren mit Moskau-, NewYorkund Berlin-Zeit. Und irgendwie erinnert man sich dadurch auch an die Zeit, als Deutschland zwischen den beiden Weltmächten stand und Prenzlauer Berg zum russischen Sektor gehörte. Im Rücken rauscht der Verkehr auf der Schönhauser Allee, darüber rattert die als Hochbahn verkleidete U-Bahn in die Haltestelle „Eberswalder Straße“.
Davon bekommt man in den 4-Sterne-Hotelzimmern nichts mit. Denn die befinden sich im Gegensatz zur Rezeption im zweiten Hinterhaus des Jugendstilgebäudes. Dort ist es nicht nur schön ruhig. Man durchquert beim „Heimkommen“oder Fortgehen auch zwei Höfe und sieht Bewohner „normaler“Wohnungen auf ihren Balkonen – dabei macht sich ein bisschen das Gefühl breit, man sei wohntechnisch ein Berliner, man gehört irgendwie dazu. Das Gefühl ist noch stärker, wenn man eines der Zarenhof-Appartements gebucht hat, mit eigenem Wohnzimmer und eigener Küche.
Ungewöhnlich ist übrigens auch das Frühstücksbuffet. Das „Zarenfrühstück“bietet neben den Standards auch hausgemachte russische Salate, gebeizten Lachs, russische Pfannkuchen (Blinis) und Tee aus dem Samowar. Ein „Must-Eat“für viele Berlinbesucher gibt’s übrigens genau vor dem Zarenhofkomplex an der Kreuzung Schönhauser Allee/Eberswalder Straße: Currywürste von Konnopke unter der Hochbahn. Die Bude ist irgendwie auch nett skurril. Lea Thies Hotel Zarenhof, Schönhauser Allee 140, 10437 Berlin, Tel. (030) 802 088 0, Mail: ber lin.pb@hotel za renhof.de, DZ ab 61 Euro.