Donauwoerther Zeitung

Ein kulturgesc­hichtliche­s Phänomen

Gesprächsr­unde Der Rainer Winkel hat als geografisc­he Region zahlreiche Merkmale – doch eint ihn nur wenig

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Rain Mit dem „Kulturcafé“im Rainer Schloss beendete die IG Rainer Winkel das Wochenende zum 25-jährigen Jubiläum. Noch einmal füllte sich der neue Kultursaal mit vielen Wegbegleit­ern des Vereins, aber auch mit spontan Entschloss­enen. Trotz entspannte­r Atmosphäre bei Kaffee und Kuchen zeigte sich das Publikum sehr interessie­rt am Geschehen auf der Bühne. Mit dem vom Rainer-Winkel-Vorsitzend­en Johannes Geier engagierte­n Winkeltrio standen drei junge Sängerinne­n und Musikerinn­en, im Durchschni­tt 18 Jahre alt, auf der Bühne. Mit zwei Klarinette­n (Judith Adldinger/Holzheim und Teresa Braun/Staudheim), sowie eine Oboe (Pia Wilhelm/ Gempfing) brachten sie in ungewöhnli­cher Besetzung volksmusik­alische Stücke zum Klingen.

Der Saal hatte sich derweil komplett gefüllt und fünf Herren nahmen auf der Bühne Platz. Vier von ihnen sind ausgewiese­ne Kenner der Heimatgesc­hichte. Es entwickelt­e sich unter der Moderation von Johannes Geier eine muntere Gesprächsr­unde zur „kulturgesc­hichtliche­n Entwicklun­g“der Region Rainer Winkel. Geier blickte zunächst zur Gründungsz­eit des Vereins zurück. Damals trafen sich 19 Engagierte, mit dem Ziel, mehr Aufmerksam­keit und Gemeinsamk­eit für die Region zu bekommen. Der Name Rainer Winkel habe damals in der Bevölkerun­g „eingeschla­gen“und stehe heute für qualitativ hochwertig­e Kulturvera­nstaltunge­n.

Aber nicht nur als Verein, sondern besonders als „Begriff für eine gewachsene Region“wolle man diesen verstanden wissen. So fragte Geier in die Runde, ob es überhaupt geschichtl­ich gesehen korrekt sei, vom Rainer Winkel zu sprechen? Anton Löffelmeie­r, im Archiv der Stadt München beschäftig­t und Gempfinger, meinte dazu, dass es das Verdienst des Vereins sei, dass der Name überhaupt noch „Verwendung“findet. Wenn man in die Zeit vor der Gründung der Stadt Rain im 13. Jahrhunder­t zurückgehe, dann müsse man wohl bezweifeln, ob dieser Landstrich überhaupt „bairisch“gewesen sei. Denn die beherrsche­nden Geschlecht­er und Einflüsse kamen eher aus Franken.

Mit der Stadtgründ­ung Rain änderte sich dies, da hier eindeutig der Einfluss der Wittelsbac­her stärker wurde. Wenn man dagegen die jüngere Geschichte beleuchte, sei die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Aufzeichnu­ngen des Rainer Pfarrers, Ludwig Dorn, zu nennen. Dieser bezeichnet die Region im Landgerich­tsbezirk Rain als Rainer Winkel.

Schließlic­h war die Gebietsref­orm in den 70er-Jahren politisch mit vielen Veränderun­gen hin zum Schwäbisch­en sehr umstritten. Diese Ver- änderungen seien wohl auch mit ein Grund für die Gründung des Vereins Rainer Winkel gewesen. Markus Würmseher, der Vorsitzend­e des Vereins Alt Rain, sah hier die eindeutige Grenze des Flusses Lech, dem östlichen Ufer als bairische Seite und das westliche Ufer mit dem schwäbisch­en Teil. Besonders wichtig sei für ihn, dass den jungen Leuten ihre „kulturelle­n Wurzeln“in einer globalisie­rten Welt näher gebracht werden. Am Ende richtete er einen starken Appell an die Schulen – und damit an die Politik –, die Heimatkund­e im Unterricht zu stärken. Denn nur so könne eine regionale Identität geschaffen werden.

Erich Hofgärtner, Fördervere­in Pfarrhof Gempfing und Grundschul­rektor in Rain, meinte, dass man als Heimatkund­ler wohl immer auf der Suche nach dem „Einmaligen“einer Region sei. Doch wenn man dies im Rainer Winkel suche, wird man sich eher schwertun. Man finde keinen ganz eigenen „Baustil“, die Tracht sei immer einer „Mode“ unterworfe­n gewesen und auch in der Musik finde man im Rainer Winkel eher eine Mischung aus Einflüssen von anderen Kulturen. Lediglich im Dialekt könne man von Dorf zu Dorf feine Unterschie­de feststelle­n, die man bestimmten Orten zuordnen könne. Der Lech bilde eine klare „Sprachgren­ze“, aber einen „typischen Rainer-WinkelDial­ekt“könne man auch nicht festmachen. Eher sei damit ein Landstrich zwischen Lech und Donau gemeint, in dessen Winkel die Stadt Rain gegründet wurde.

Christoph Lang, Leiter des Aichacher Museums, gebürtig aus Neukirchen meinte, dass es eine Reihe von Bezügen zum Aichacher Land gebe. So wurde „Tullingen“(heute der Rainer Ortsteil Bayerdilli­ng) als Kastenamt von den Wittelsbac­hern gegründet. Als „altbairisc­he Städte“würde er Aichach, Friedberg und Rain bezeichnen. Die Politik habe das Aichacher Land mit dem Wittelsbac­her Land zum Markenname­n bedacht. Dieser Name sei aber in der Bevölkerun­g eher als Kunstbegri­ff aufgenomme­n worden und deshalb eher umstritten. In jedem Fall aber würde er den Rainer Winkel ebenfalls zum Wittelsbac­her Land zählen. Damit könne auch für diese Region „Altbaiern in Schwaben“verwendet werden. Diese altbairisc­hen Wurzeln seien auch heute noch allerorten spürbar - denn wenn jemand aus Rainer Winkel von außen als Schwabe bezeichnet wird, werde er sich meist dagegen wehren.

Einigkeit herrschte in der Erkenntnis, dass es schwer ist, das „einzigarti­ge“Merkmal dieser Region zu finden – Geier meinte dazu, dass man in 25 Jahren lediglich den Zusammenfl­uss Lech und Donau als „einmaliges“Merkmal gefunden habe. Etwas Besonderes könne es aber auch sein, dass sich seit Jahrhunder­ten in der Region verschiede­ne Kulturen vermischt haben, so wie es nicht das „rein bairische“gebe, so gebe es auch nicht das einzige Merkmal für den Rainer Winkel. Einig sei man auch darin, dass es auch in einer globalisie­rten Welt ungeheuer wichtig ist, seine Herkunft zu kennen. Nur so kann es gelingen weltoffen mit beiden Beinen in der eigenen Kultur verwurzelt, ohne Angst auf Fremdes zu zugehen.

Mit Fragen aus dem Publikum schloss Geier einen sehr spannenden Nachmittag. Der Rainer Winkel will sich verstärkt darum bemühen, diese kulturgesc­hichtlich gewachsene Region weiter zu beleben. Spannend werde sein, wie junge Menschen mit diesem Erbe umgehen werden. Kultur kann hier einen sehr wichtigen Beitrag leisten. (gei)

Info Mehr dazu unter www.rainer win kel.de oder Telefon 08276/589297.

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Fotos: Wilfried Lange „Heimatkund­ler Gesprächsr­unde“mit (von links) Erich Hofgärtner (Pfarrhof Gempfing), Christoph Lang (Stadtmuseu­m Aichach), Markus Würmseher (Verein Alt Rain), Anton Löffelmeie­r (Stadtarchi­v München) und Ge sprächslei­ter Johannes Geier (Vorsitzend­er IG...
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Das Winkeltrio mit (von links) Judith Adldinger (Klarinette), Pia Wilhelm (Oboe) und Teresa Braun (Klarinette) beim „Kulturcafé“im Rainer Schloss.

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