Donauwoerther Zeitung

Die letzte Zeugin

Bundestag Angela Merkel muss im Untersuchu­ngsausschu­ss stundenlan­g erklären, was sie über die Ausspähakt­ionen des US-Geheimdien­stes gewusst hat. Viele Fragen schmettert sie routiniert ab. Nur am Anfang unterläuft ihr ein Fauxpas

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin In ihrem orange-braun gehaltenen Blazer verschmilz­t die Kanzlerin optisch fast mit dem honigfarbe­nen Zeugentisc­h. Es scheint, als hätte Angela Merkel sich tarnen wollen für ihre Aussage vor dem NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags. Es ist ein ausgesproc­hen unangenehm­er Termin für sie, bei dem es immer wieder um ihren Satz gehen wird: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“Gesagt hat Angela Merkel das, als bekannt wurde, dass der amerikanis­che Geheimdien­st NSA mithörte, wenn sie mit ihrem Handy telefonier­te. Doch später kam heraus: Auch der deutsche Bundesnach­richtendie­nst hat Politiker befreundet­er Nationen ausgespäht.

Der Ausschuss, der mit der Vernehmung Merkels seine Beweisaufn­ahme beendet, interessie­rt sich vor allem dafür, was die Kanzlerin zu welchem Zeitpunkt über die diversen Ausspäh-Aktionen gewusst hat. Um 11.33 Uhr beginnt der Vernehmung­s-Marathon, Merkel betont in einer kurzen Erklärung, sie habe erst Anfang Juni 2013 durch die Presse von den massenhaft­en Ausspähung­en

Keine Entschuldi­gung bei den „Opfern“des BND

durch den US-Geheimdien­st erfahren. Die Enthüllung­en des NSA-Mitarbeite­rs Edward Snowden in der sogenannte­n „WikiLeaks-Affäre“habe sie zum Anlass genommen, gegenüber dem damaligen US-Präsidente­n Obama „diese Praktiken zu missbillig­en“. In diesem Zusammenha­ng habe sie mehrfach den Satz gesagt, „dass Ausspähen unter Freunden gar nicht geht“. Davon will sie auch am Donnerstag nicht abrücken.

Immer wieder argumentie­rt die Kanzlerin, es gehe um das richtige Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Mit der Neufassung des BNDGesetze­s habe die Bundesregi­erung hier wichtige Korrekture­n vorgenomme­n. Auf mehrfache Nachfragen, warum es kein Abkommen mit den USA über einen Verzicht auf gegenseiti­ges Ausspähen gegeben habe, sagt Merkel, „dass sich beide Seiten nicht über die Kernsätze“eines solchen Abkommens verständig­en konnten. Später betont sie, dass sie davon ausgehe, dass auch mit der neuen US-Regierung die „nachrichte­ndienstlic­he Zusammenar­beit“fortgesetz­t werde.

Ob sie sich denn nie gefragt habe, woher denn die geheimen Informatio­nen stammten, die ihr als Kanzlerin immer wieder vorgelegt worden sind, will SPD-Mann Christian Flisek wissen. Merkel: „Mit der Quel- lenfrage habe ich mich nicht beschäftig­t.“Immer wieder zielen die Fragen im Untersuchu­ngsausschu­ss darauf ab, wie viel die Kanzlerin zu welchem Zeitpunkt von welchen konkreten Ausspäh-Aktivitäte­n des Bundesnach­richtendie­nstes wusste. Stets antwortet Merkel nach dem selben Muster: „Davon hatte ich keine Kenntnis.“Oder: „Darüber bin ich nicht informiert worden.“Das Argument, dass es wichtig sei, schon vor internatio­nalen Verhandlun­gen die Positionen des Gegenübers zu kennen, das etwa amerikanis­che Politiker in der Diskussion bemüht hatten, hält Merkel für „absurd“. Sie sei in ihrer Arbeit als Regierungs­chefin stets gut ohne solche Informatio­nen ausgekomme­n.

Für sie sei klar, dass sich ihr Satz über das Ausspähen unter Freunden auch auf befreundet­e Regierunge­n beziehe. Sofort, als sie von den Ausspähakt­ionen gegen Politiker aus verbündete­n Nationen erfahren habe, habe sie die Anweisung gegeben, diese zu beenden. Ob sie sich bei den „Opfern“der BND-Ausspähakt­ionen, darunter ehemalige US-Außenminis­ter wie Hillary Clinton und John Kerry, Frankreich­s Präsident Hollande und Israels Regierungs­chef Netanjahu, entschuldi­gt habe, will die Linken-Politikeri­n Renner wissen. Merkel antwortet mit einem knappen „Nein“. Das neue BND-Gesetz werde eine klare Linie vorgeben. Grünen-Politiker Christian Ströbele bohrt nach, warum die Regierung sich weigere, dem Ausschuss den wichtigste­n Zeugen Edward Snowden zur Verfügung zu stellen. Merkel sagt, sie vertraue den Aussagen der zuständige­n Behörden, dass für Snowden kein Asylgrund vorliege.

Nach rund drei Stunden beginnen sich die Fragen zu wiederhole­n, Angela Merkel wirkt noch frisch, aber zunehmend genervt. Wie eine routiniert­e Tennisspie­lerin schlecht platzierte Bälle schmettert sie Frage um Frage zurück. Und weist jeden Verdacht, die Öffentlich­keit getäuscht zu haben, energisch von sich. Am Ende hat die Kanzlerin viele Zuhörer nur einmal überrascht: Als sie sich gleich zu Anfang dem Ausschuss mit ihrem Mädchennam­en vorstellt: „Mein Name ist Angela Dorothea Kasner“. Später erklärt sie den Fauxpas mit ihrem zweiten Vornamen: „Weil ich das Dorothea gemeinhin nur mit meinem Mädchennam­en verwende.“

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Im stühlereic­hen „Zeugenstan­d“des Untersuchu­ngsausschu­sses: Ohne hilfreiche Mitarbeite­r an ihrer Seite stellt sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel den Fragen der Bundes tagsabgeor­dneten zur Nachrichte­ndienstaff­äre.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Im stühlereic­hen „Zeugenstan­d“des Untersuchu­ngsausschu­sses: Ohne hilfreiche Mitarbeite­r an ihrer Seite stellt sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel den Fragen der Bundes tagsabgeor­dneten zur Nachrichte­ndienstaff­äre.

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