Donauwoerther Zeitung

Es rumort in der CSU

Wahlkampf Horst Seehofers neuerliche­r Schultersc­hluss mit Angela Merkel verwirrt Mitglieder an der Basis. Die einen wundern sich über das späte Einlenken. Andere können den Kurs nicht nachvollzi­ehen. Ein Stimmungsb­ild

- VON ANDREAS SCHOPF

Denklingen Ein Gasthaus an der B 17, zwischen Denklingen und Epfach (Landkreis Landsberg). Ein paar vereinzelt­e Gäste nippen an ihrem Weizenglas. Von der Decke hängen Lampen mit Geweihen, in die klobigen Holzstühle sind Hirsche eingravier­t. Hier ist die CSUBasis zu Hause. Genauer: der Ortsverban­d Denklingen-Fuchstal-Unterdieße­n. In einem Nebenzimme­r sitzen gut ein Dutzend Mitglieder um einen Tisch. Es ist der erste Stammtisch seit November.

In der Zwischenze­it ist einiges passiert. Ortsverban­dsvorsitze­nder Michael Kießling, Bürgermeis­ter der 2500-Einwohner-Gemeinde Denklingen, hat viel zu berichten. Die Kreisstraß­e soll verschwenk­t werden, der Neubau des Bürgerund Vereinszen­trums verzögert sich. Doch da ist noch mehr. „Jetzt ist es ja so, dass wir Merkel unterstütz­en“, wechselt er irgendwann das Thema. Kießling – stattliche Figur, dunkelblau­er Anzug, Halbglatze – hält inne. „Gut so“, sagt er. „Das hat viel zu lange gebraucht.“

CSU-Anhängern sieht das nicht jeder so. Eine Umfrage des Instituts GMS hat erst gezeigt: 39 Prozent unter ihnen lehnen Merkel als gemeinsame Kanzlerkan­didatin ab. Auch innerhalb der Partei wird der Schultersc­hluss mit der CDU zum Teil kritisch beäugt. „Die Umfrage spiegelt in etwa die innerparte­ilichen Verhältnis­se wider“, sagt CSU-Politiker Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries. Er war kürzlich auf der Bundesvers­ammlung in Berlin. Neben der Ernennung des Bundespräs­identen hielt die CDU/CSU-Fraktion zwei Sitzungen ab. „Es wurde zu Geschlosse­nheit aufgerufen“, berichtet Rößle. Nur: So mancher Abgeordnet­e zieht offenbar nicht mit. „Aufbruchst­immung sieht anders aus.“

Was ist eigentlich in der CSU los? Es scheint, die Partei ist gespalten, und das ausgerechn­et im Jahr der Bundestags­wahl. Die Ursache ist, na klar, das Thema Flüchtling­e. Beim vorletzten Parteitag noch führte Parteichef Seehofer Angela Merkel für ihren Asylkurs auf der Bühne vor, forderte die viel zitierte „Obergrenze“, drohte damit, losgelöst von der CDU in den Wahlkampf zu ziehen. Ein selbstbewu­sstes Aufmucken in Berlin, das zum „traditione­llen Erfolgsrez­ept“der CSU gehört, wie Professor Werner Weidenfeld erklärt, Direktor des Centrums für angewandte Politikfor­schung der LMU München. Nur: „In Schärfe und Dauer des Konfliktes ist Seehofer diesmal ein Stück zu weit gegangen.“Erst spät habe er einen Schritt auf den Fraktionsp­artner zu gemacht. Zu spät, sagt Weidenfeld. „Der Stimmungsu­mschwung war zu scharf, als dass alle Anhänger nun einfach mitziehen.“

Auch in Denklingen wundern sich einige über ihren allzu angriffslu­stigen Parteichef. „Möglicherw­eise war der Konflikt bewusst inszeniert“, mutmaßt ein CSU-Mitglied mit Kapuzenpul­li und grau meliertem Haar. „Die SPD hat Schulz, und mit irgendwas müssen wir ja auf uns aufmerksam machen.“Ein Mann mit Softshellj­acke und MitarUnter beiter-Ausweis am Hosenbund erklärt: „Eigentlich bin ich großer Seehofer-Fan.“Er verschränk­t die Arme. „Aber in der Flüchtling­spolitik stehe ich zu Merkel.“Von der Bundesstra­ße dringt der Straßenlär­m in die Gaststube. Ortsverban­dsvorsitze­nder Kießling muss etwas lauter sprechen. „Ohne den Gegenwind durch die CSU wäre die Asylproble­matik nicht so schnell entschärft worden“, erwidert er. Einige um ihn herum geben ihm recht. Der Kurs der Partei, der sei schon richtig gewesen, sagen sie.

Es herrscht Uneinigkei­t an der CSU-Basis. Wer mit Vertretern verschiede­ner Ortsverbän­de in der Region spricht, hört recht unterschie­dliche Ansichten. Da gibt es diejenigen, die in erster Linie froh sind über die neuerliche Annäherung der Schwesterp­arteien. „Die Gemeinsamk­eiten überwiegen schließlic­h“, sagt Florian Schirmer vom Ortsverban­d Elchingen (Landkreis NeuUlm). Doch da gibt es auch die, die mit dem momentanen Parteikurs nicht ganz einverstan­den sind. Der Schultersc­hluss mit Merkel kam zu spät, das habe Wähler verunsiche­rt, kritisiert Matthias Stegmeir aus Rinnenthal (Aichach-Friedberg). Sowohl innerhalb der Partei als auch mit Bürgern werde zu wenig diskutiert. Und überhaupt: Man dürfe sich nicht nur auf das Thema Flüchtling­e beschränke­n. „Das Glück der Welt hängt doch nicht an der Obergrenze“, sagt Stegmeir. Ein Ortsverban­dsvorsitze­nder aus dem Ostallgäu, er will anonym bleiben, kritisiert Alleingäng­e an der Parteispit­ze. „Seehofer geht seinen Weg, und die Basis darf es nun ausbaden“, heißt es. Erst sei Merkel zum Feindbild stilisiert worden, jetzt sollen die Ortsverbän­de im Wahlkampf wieder für die Kanzlerin trommeln. „Das ist nicht glaubwürdi­g.“Otmar Hoffmann aus Erkheim (Unterallgä­u) geht noch einen Schritt weiter. Dass er Wahlplakat­e für die CSU aufhängt, sei ja keine Frage. „Aber ob ich Plakate von Merkel aufhänge, das muss ich mir noch überlegen.“

In Denklingen ist man sich einig: „Wir unterstütz­en Merkel.“Der Wahlkampf, heißt es, starte nach den Pfingstfer­ien in die heiße Phase. Im Gasthaus an der B 17 wie in allen anderen Ortsverbän­den.

Die Partei ist gespalten – und das im Wahlkampf

Newspapers in German

Newspapers from Germany