Donauwoerther Zeitung

Schniefnas­en in der Schule

Gesundheit Fieber, Husten oder Schnupfen – die Erkältungs­welle ebbt nicht ab. Weshalb es zum Problem wird, wenn Eltern ihre Kinder trotz Krankheit in den Unterricht schicken

- VON PHILIPP KINNE

Augsburg Es ist noch früh am Morgen und schon herrscht Panik. Ist das eigene Kind krank, gerät die übliche Routine außer Kontrolle. Bekommen wir kurzfristi­g noch einen Termin beim Arzt? Brauchen wir einen Babysitter? Wer bleibt zu Hause? Oder geht das Kind doch in den Unterricht?

Die aktuelle Erkältungs­welle macht auch vor den bayerische­n Schulen nicht Halt. Lehrer und Schüler liegen im Moment gleicherma­ßen flach – nicht zuletzt, weil Kinder trotz Krankheit in den Unterricht kommen. Für die Vorsitzend­e des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes (BLLV), Simone Fleischman­n, ist das ein großes Problem: „Wir können kranken Kindern in der Schule nicht gerecht werden“, sagt sie. Zwar könne sie Eltern verstehen, die durch den Job unter Druck stehen und sich nicht freinehmen können, doch: „Lehrer sind keine Krankensch­western“, sagt Fleischman­n. Wenn Kinder trotz Krankheit in die Schule geschickt werden, sei nicht nur die Gefahr der Ansteckung groß, auch die Belastung durch die zusätzlich notwendige Betreuung sei enorm.

„Grundsätzl­ich gilt an Schulen die Aufsichtsp­flicht“, betont Fleischman­n. Zwar gebe es an den meisten Schulen Krankenzim­mer, in denen sich die betroffene­n Schüler eine Zeit lang ausruhen könnten, doch auch hier müsse stets für Aufsicht gesorgt werden. Fleischman­n fordert daher Krankensch­western an Schulen, wie es sie etwa in Schweden gibt.

Kranke Schulkinde­r seien ein „gesamtgese­llschaftli­ches Thema“, für das man eben auch „Geld lockermach­en“müsse. Ihr sei bewusst, dass ihre Forderung nach Schulkrank­enschweste­rn nicht von heute auf morgen umgesetzt werden könne, dennoch: „Es kann nicht sein, dass Lehrer allein gelassen werden.“

„Wir haben hier jeden Tag Schüler, die eigentlich ins Bett gehören“, sagt Franz-Josef Dorsch, Schulleite­r der Augsburger Schiller-Grundschul­e. Ein Krankenzim­mer gibt es an seiner Schule aus Platzmange­l nicht. Wenn ein Kind offensicht­lich zu krank für den Unterricht ist, rufe der Lehrer zunächst bei den Eltern an. „Aber die sind eben oft in der Arbeit“, sagt Dorsch. Dann müsse das betroffene Kind mit Fieber oder Husten bis Unterricht­sende im Klassenzim­mer bleiben. „Wir dürfen die Kinder ja nicht unbeaufsic­htigt nach Hause schicken.“

Anders ist die Situation in ländlicher­en Gebieten. Sibylle Lutzkat, Rektorin der Mangold-Grundschul­e in Donauwörth, erklärt: „Hier hilft oft noch die Oma oder der Opa aus.“Natürlich seien auch an ihrer Schule immer wieder Kinder krank im Unterricht. „In der Regel rufen wir dann zu Hause an“, sagt Lutzkat. Wenn die Eltern selbst keine Zeit haben, ihr krankes Kind aus der Schule zu holen, könne mit einer Vollmacht auch ein Bekannter oder ein Mitglied der Familie das betroffene Kind abholen. „Das funktionie­rt bei uns gut“, erklärt Lutzkat. Dennoch denke sie auch an ihre Kollegen in den größeren Städten. Denn dort haben Eltern oft keine Oma in der Nähe, die im Notfall einspringt.

Wenn sich tatsächlic­h niemand findet, der sich um die kleinen Patienten kümmern kann, kommt das Projekt „Rotznase“ins Spiel. Seit rund sechs Jahren betreuen ehrenamtli­che Helferinne­n der Diakonie Augsburg Kinder mit Fieber, Husten oder Schnupfen. „Eltern können uns einfach anrufen“, erklärt Petra Rößle, Organisato­rin des Projekts. In der Regel mache sich dann eine der älteren Damen ihres Teams auf den Weg. Für sechs Euro in der Stunde plus Fahrtkosen werden die Kinder zu Hause betreut. „Wir haben mittlerwei­le viele Stammkunde­n“, sagt Rößle. „Das sind Berufstäti­ge, die nicht einfach daheim bleiben können.“Die Nachfrage nach der Betreuung im Notfall ist groß. Immer wieder müsse sie Eltern leider

Forderung nach Krankensch­western Diakonie Augsburg hat eine Lösung

auch absagen, erklärt Rößle. Sie sei daher stets auf der Suche nach neuen „Feen“, wie sie die Ehrenamtli­chen nennt.

Für Simone Fleischman­n vom BLLV sind Projekte wie dieses vorbildlic­h. Doch das Angebot werde der Nachfrage bei Weitem nicht gerecht. Sie rät allen Eltern zu Transparen­z. „Wenn Lehrer wissen, dass es zu Hause gerade stressig ist, können sie entspreche­nd planen“, sagt Fleischman­n. „Das Wichtigste ist die Kommunikat­ion mit der Schule.“Denn solange Eltern und Lehrer in einem guten Verhältnis stehen, könne auf beiden Seiten Rücksicht genommen werden.

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Foto: Nicolas Armer, dpa Hatschi! Viele Eltern schicken ihre Kinder auch mit einer dicken Erkältung in die Schule. Ein großes Problem, sagt der Bayerische Lehrer und Lehrerinne­nverband. Schließlic­h seien Lehrer keine Krankensch­western.

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