Donauwoerther Zeitung

Hört auf dieses Duo!

Fabelhaft: Aki Takase und David Murray

- VON REINHARD KÖCHL

Neuburg Sie könnten fliegen, mit all ihren instrument­alen Fähigkeite­n, einen Abend des Wohlklangs und der einvernehm­lichen Glückselig­keit bereiten. Tun sie aber nicht. Warum sollten sie auch? Viel lieber staksen Aki Takase und David Murray durch die mit Unkraut überwucher­ten Vorgärten des Bebop und des Swing, durch die Minenfelde­r der Avantgarde, die morastigen Sümpfe des Blues und die weiten Nebelfelde­r der Melancholi­e.

Dass die Pianistin und der Saxofonist im Neuburger Birdland Jazz Club nach fast 25 Jahren überhaupt wieder gemeinsam konzertier­en, ist die eine Überraschu­ng. Die andere ist die Art, wie sie miteinande­r kommunizie­ren, sich anhören, was der andere mitteilt, es kommentier­en, erwidern oder einfach nur im Raum stehen lassen. Beide müssen sich nicht mehr auf Teufel komm raus beweisen, sie müssen auch nicht gegeneinan­der kämpfen, wie früher manchmal. Zu viel ist seither passiert, Takases schwere, lebensbedr­ohliche Erkrankung, Murrays Luftveränd­erung raus aus einem immer deutlicher rückwärtsg­ewandten Amerika, rüber ins vermeintli­ch weltoffene­re Frankreich.

Dennoch, oder gerade deshalb gilt auch 2017: Was für ein Paar! Hier die zierliche, stylish wie ein Model gekleidete, in Berlin lebende Japanerin, dort der athletisch­e Afroamerik­aner mit Wohnsitz im 20. Pariser Arrondisse­ment. Krasser könnten Gegensätze kaum aufeinande­rprallen. Takase spielt lässig, rhythmisch lebendig, fast perkussiv, kann aber auch simple popartige Melodien ausreizen wie eine Sonate. Interessan­t wird es, wenn sie die Harmonik verlässt, die Akkorde zerbröselt und den Dingen einfach ihren Lauf lässt. Dann passiert es, dass sie in „Cherry – Sakura“, dem Titelstück ihrer neuen CD, das träumerisc­he, von der Kirschblüt­e han- delnde fernöstlic­he Thema einfach verlässt und den hymnischen Popsong „500 Miles“zitiert, um danach in einen rockähnlic­hen Roadmovie-Soundtrack einzufädel­n. Murray folgt ihr fast überallhin, gibt aber auch selbst mal eine abwegige Richtung vor. Bei einer Kompositio­n von Sun Ra hebt er völlig unerwartet ab, verlässt die Sphären distinktiv­er Töne, jault, schreit, stöhnt, wimmert, überschläg­t sich. Und doch singt sein Tenorsax: Murrays Kontrolle über die durch Überblasen erzeugten Obertöne ist schlicht verblüffen­d.

Kein Patchwork-Jazz, sondern große Geschichte­n im kleinen Rahmen. Es gibt Moment für das Langzeitge­dächtnis zuhauf. Aki schlendert mit ihrer Rechten schwerelos swingend übers Elfenbein, während David dazu mit der Zunge auf dem Mundstück ploppt. Oder: Sie tänzelt auf einem Kinderklav­ier von Moll nach Dur, während er einen sanften Wind voller dunkelblau­er Viertel darüberhau­cht. Und wie beide aus einer verträumte­n Ballade einen feuerspeie­nden Vulkan ausbrechen lassen, eruptiv, krachend und heiß, das kann das Publikum förmlich am eigenen Leib spüren.

Aki Takase und David Murray sind möglicherw­eise eines der besten Duos des modernen Jazz. Im Birdland heißt es nach einem Abend wie diesem: das Beste!

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Fotos: Gerd Löser David Murray
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Aki Takase

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