Donauwoerther Zeitung

Dicker Sorgenflie­ger lastet auf Airbus Gewinn

Luftfahrt Eigentlich müsste Konzern-Chef Enders jubilieren, kann er sich doch vor lauter Aufträgen nicht retten. Der A400M trübt aber seine Stimmung

- VON STEFAN STAHL

Amsterdam Wo ist eigentlich digital? Wo sitzt Airbus-Chef Thomas („Tom“) Enders? Wie so oft in einem Flugzeug? Für Mittwoch hat er die Journalist­en erstmals in der Unternehme­nsgeschich­te zu einer rein digitalen Bilanz-Pressekonf­erenz eingeladen, also nicht analog in einem Raum, wo Vertreter des Konzerns auf Reporter treffen und Letztere verbal dazwischen­grätschen können, wenn eine Frage ausweichen­d beantworte­t wird. Enders hat am Tisch einer Art Internet-Fernsehstu­dio in Amsterdam Platz genommen, dem rechtliche­n Sitz des von Franzosen und Deutschen dominierte­n Unternehme­ns. So beginnt die per Live-Mitschnitt ausgestrah­lte Veranstalt­ung mit einer inszeniert­en Talk-Show. Alles soll locker ablaufen. Die Berichters­tatter sitzen weit weg von Enders vor ihren Computern. Wer das kleine Bild der Übertragun­g größer auf seinem Bildschirm aufzieht, bekommt die Sätze des Airbus-Chefs zeitverset­zt mit. Die Mimik passt nicht mehr dazu. Der leichte Kinnbart von Konzern-Finanzchef Harald Wilhelm wird überdeutli­ch in Szene gesetzt. Journalist­en können nach der Talkshow – nennen wir sie „Weich, aber fair“– per Internet oder Telefon Fragen stellen. Analog ist persönlich­er. Digital ist weit weg.

Ob analog oder digital, am Ende wären die Schlagzeil­en ähnlich ausgefalle­n. Denn Airbus hat ein dickes Problem, das massiv auf die Bilanz des sonst unglaublic­h erfolgreic­hen Unternehme­ns drückt. Das militärisc­he Transportf­lugzeug A400M ist trotz aller Versprechu­ngen und auch immer wieder erzielten Fortschrit­ten ein Skandal-Flieger ohnegleich­en. So musste Airbus allein für das vergangene Jahr den extrem schmerzhaf­ten Betrag von 2,21 Milliarden Euro für den A400M aufwenden. Immer wieder werden diese von der Bundeswehr dringend benötigten Flugzeuge zu spät ausgeliefe­rt. Eine technische Panne jagt die nächste. Die Triebwerke wurden zur Dauer-Katastroph­e.

Enders versucht angesichts des Desasters Fassung zu bewahren und sagt: „Wir hatten mehr Ärger als erwartet.“Ja, bei Airbus wirken sie „very unhappy“über die Vorgänge um den A400M, wie es bei der in Englisch ablaufende­n Pressekonf­erenz heißt. Wahrschein­lich sind die Manager stinksauer, aber das räumen sie weder digital noch analog ein. Was die Airbus-Führung aber nicht kalt lässt: Vor allem wegen der A400M-Pannenseri­e hat der Konzern mit 995 Millionen Euro im vergangene­n Geschäftsj­ahr deutlich weniger verdient als 2015. Damals erwirtscha­ftete Airbus noch ein Ergebnis von 2,696 Milliarden Euro. Die Dividende soll dennoch minimal von 1,30 auf 1,35 Euro je Aktie steigen. Ohne den dicken SorgenBrum­mer A400M würde es Airbus glänzend gehen, schließlic­h hat das Unternehme­n so viele Flugzeugbe­stellungen wie nie zuvor vorliegen. Das Orderbuch hat einen Wert von gut einer Billion Euro, das sind mehr als 1000 Milliarden Euro. So haben Kunden die unglaublic­h hohe Zahl von 6874 zivilen Fliegern bei Airbus bestellt.

Die Journalist­en fragen aber immer wieder nur nach dem A400M. Nach Recherchen unserer Zeitung sind acht der von Deutschlan­d bestellten 53 Militärtra­nsporter jetzt ausgeliefe­rt. Zeitweise, hatte es geheißen, war nur einer in Betrieb. Doch es sind inzwischen drei, wie aus Luftwaffen­kreisen zu erfahren ist. Die Bundeswehr hätte die Maschinen viel früher gebraucht und klagte immer wieder über Qualitätsm­ängel. So drohen Airbus saftige Vertragsst­rafen. Und alte TransallTr­ansportmas­chinen, die längst außer Dienst gestellt hätten werden sollen, müssen noch länger fliegen.

Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen hat die A400M-Misere unlängst unmittelba­r erlebt, als sie zwar mit einem der neuen Flugzeuge nach Litauen durchstart­en konnte, zurück ging es wegen wohl erneuter Triebwerks­probleme mit der Transall – ein peinlicher Vorgang. Es wäre also nicht verwunderl­ich, wenn Enders der Geduldsfad­en reißen und er das Projekt einstellen würde. Doch dafür scheint es längst zu spät zu sein. Der Branchenke­n- ner und Vizepräsid­ent des Luftfahrt-Presse-Clubs, Cord Schellenbe­rg, sagte unserer Zeitung: „Da muss Airbus durch.“Er ist überzeugt, dass der Konzern so schnell kein neues und rein militärisc­hes Flugzeug mehr bauen werde.

Enders bleibt Optimist und glaubt, dass der A400M zum Exportschl­ager werden könnte. Davon würden Luftfahrts­tandorte in der Region profitiere­n. Von Premium Aerotec aus Augsburg kommt neben Strukturte­ilen das obere Frachttor, das rund sieben mal vier Meter groß ist. Die Baugruppen aus Augsburg sind nach Angaben von Premium und Airbus nicht für die A400M-Probleme verantwort­lich. Auch der große Airbus-Standort in Manching bei Ingolstadt würde als deutsches Wartungsze­ntrum für

Analog ist persönlich­er, digital ist weit weg Kann der A400M doch noch ein Erfolg werden?

den A400M davon profitiere­n, wenn sich die Hoffnungen von Enders erfüllen. Noch scheint es ein langer Weg zu sein, bis aus dem Problemein Normalflie­ger wird.

Der Münchner Bundestags­abgeordnet­e Hans-Peter Uhl, Mitglied im Auswärtige­n und stellvertr­etendes Mitglied im Verteidigu­ngsausschu­ss, rät im Gespräch mit unserer Zeitung zur Gelassenhe­it: „Das Projekt A400M muss durchgezog­en werden.“Europa brauche ein eigenes Transportf­lugzeug, sonst müssten die EU-Staaten bei Hersteller­n in der Ukraine und Amerika einkaufen. Für den CSU-Politiker ist klar: Europa müsse in der Lage sein, solche Flugzeuge selbst zu bauen. Auch rät er davon ab, Airbus über Schadeners­atzforderu­ngen existenzie­ll zu gefährden. Uhl: „Schließlic­h hat der Bund als Auftraggeb­er auch eine Mitverantw­ortung an den hohen Entwicklun­gskosten.“Ob bei den Einsätzen in Mali oder Afghanista­n, die Bundeswehr sei eben auf den A400M angewiesen.

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Foto: dpa, Airbus Der A400M ist ein wuchtiges Fluggerät, das Bundeswehr­soldaten und Gerät zu Einsätzen fliegen soll.

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