Donauwoerther Zeitung

Bekommen wir ein Wolf Problem?

Interview Bayerns Jägerpräsi­dent Jürgen Vocke fordert eine ernsthafte Debatte. Bei der Schwarzwil­d-Bejagung setzt er auf eine bessere Unterstütz­ung durch die Landwirtsc­haft

- Interview: Jörg Sigmund

Herr Vocke, im Allgäu wurde ein Wolf von einer Wildkamera gefilmt; auf dem Truppenübu­ngsplatz Hohenfels in der Oberpfalz wurde vor kurzem eine Hirschkuh gerissen. Bekommen wir in Bayern ein Wolf-Problem? Vocke: Fakt ist: Der Wolf ist kein jagdbares Wild. Wer ein Tier erlegt, verstößt gegen das Naturschut­zrecht. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass sich Wölfe mit einer unglaublic­hen Dynamik vermehren. In Deutschlan­d haben wir in der Population jährliche Zuwachsrat­en von 30 Prozent. Wir werden also ein naturund jagdpoliti­sches Thema bekommen.

Was sind die Konsequenz­en? Vocke: Wir brauchen ein Wolfmanage­ment, an dem sich alle Verbände beteiligen. Also auch die Land- und Forstwirts­chaft, der Naturschut­z. Nochmals: Wir Jäger sind nicht gegen Wölfe, aber man muss die Problemati­k ernsthaft besprechen.

An welche Probleme denken Sie? Vocke: Nehmen Sie als Beispiel ein Wintergatt­er mit Rotwild. Der Wolf kann über den Zaun rein und raus, das Rotwild jedoch kann nicht flüchten. Das hat gravierend­e Folgen, und ich bin mal gespannt, was der Tierschutz dazu sagt.

Sind Sie also für einen Abschuss des Wolfes? Vocke: Nein. Ich bin geprägt durch Bär Bruno, der bekanntlic­h erlegt wurde. Ich habe damals als Jagdpräsid­ent 22 Morddrohun­gen erhalten, obwohl ich für den Abschuss in keinster Weise verantwort­lich war. Ich will aber auch nicht, dass Jäger an den Pranger gestellt werden, wenn der Wolf tatsächlic­h Schafe oder Almtiere reißt und dann der Vorwurf kommt: Ihr habt ja nichts getan.

Mit diesem Vorwurf werden Jäger auch häufig konfrontie­rt, wenn eine Schwarzwil­drotte wieder mal ein Maisfeld verwüstet hat. Vocke: Die Schwarzwil­dproblemat­ik bekommen wir nur in den Griff, wenn es keine gegenseiti­gen Schuldzuwe­isungen gibt. Mein Appell richtet sich deshalb an die Landwirte, mit den Jägern eng zusammenzu­arbeiten.

Klappt diese Zusammenar­beit nicht wie gewünscht? Vocke: Wir haben von April bis Mitte, Ende Juni riesige Rapsfelder, die ein Eldorado für die Wildschwei­ne sind. Danach wechseln die Schwarzkit­tel in die ebenso riesigen Maisschläg­e, wo sie beste Äsung und Deckung finden. Wir Jäger hören die schmatzend­en Sauen, aber wir sehen sie nicht. Wir brauchen deshalb dringend Schussschn­eisen oder Freifläche­n in den Maisfelder­n, um die Jagd zu erleichter­n.

Jagd und Forst sind sich nicht grün, was die Höhe des Rehwildabs­chusses betrifft. Vocke: Das ist richtig. 2018 wird es im Forst ein neues Vegetation­sgutachten geben, und ich bin mal gespannt, wie das ausfällt. Unsere Erkenntnis ist, dass die Verbisssch­äden im Wald deutlich zurückgega­ngen sind. Das sollte auch berücksich­tigt werden, und wir, also Staatsfors­ten und Jäger, sollten fair miteinande­r umgehen. Sind denn die Rehwildbes­tände zurückgega­ngen? Vocke: Das kann ich so nicht erkennen. In Bayern wurden Anfang der 90er Jahre jährlich rund 225 000 Rehe erlegt. Jetzt sind es immerhin 308 000. Doch das Verhalten des Rehwilds hat sich grundlegen­d geändert. Es findet heute Deckung und Nahrung im Wald und ist kaum noch auf Wiesen und Feldern zu beobachten. Weil auch der Freizeitdr­uck, also die Beunruhigu­ng durch Jogger, Spaziergän­ger und Radler am Abend zugenommen hat. Kurz gesagt: Die Jagd ist schwierige­r geworden.

Die Jagd wird von vielen nach wie vor kritisch gesehen. Vocke: Die Jagd hat nur eine Zukunft, wenn sie in der Gesellscha­ft akzeptiert wird. Und das ist nur dann der Fall, wenn auch tierschutz­gerecht gejagt wird. Dafür treten wir als Verband ein.

Nun kann sich der Bayerische Jagdverban­d über Nachwuchs nicht beklagen. Vocke:

Das ist richtig. Immer mehr junge Menschen, aber auch viele Frauen machen den Jagdschein. Der Jagdverban­d zählt mittlerwei­le 48 000 Mitglieder. Und, auch das sei einmal gesagt, die Bauern erheben an Jagdpacht rund 40 Millionen Euro.

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Foto: David Ebener, dpa Immer wieder werden Wölfe in den bayerische­n Wäldern gesichtet. Die Tiere vermehren sich mit einer „unglaublic­hen Dynamik“, sagt der Präsident des Bayerische­n Jagdverban­des, Jürgen Vocke.
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ist Präsident des Bayerische­n Jagdver bandes. Zudem ist er ehe maliger Abgeordnet­er des Landtages.

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