Donauwoerther Zeitung

„Der Sonnensche­in“

Nordische Ski WM Skispringe­rin Katharina Althaus sorgt im deutschen Team für gute Stimmung. Trainer Andreas Bauer traut ihr in Lahti auch eine Einzelmeda­ille zu

- VON THOMAS WEISS

Lahti Vor gut einer Woche in Oberstdorf: Zwischen zwei Trainingse­inheiten treffen wir in einem verlassene­n Gasthof im Ortszenrum die beiden besten deutschen Skispringe­rinnen: Carina Vogt, die Olympiasie­gerin und zweifache Weltmeiste­rin, und Katharina Althaus, die wenige Tage zuvor ihren ersten Weltcup-Sieg im slowenisch­en Ljubno feierte. Eine Spaßverans­taltung ist dieser von Bundestrai­ner Andreas Bauer spontan einberufen­e und exklusive Medientref­f im menschenle­eren und etwas antiquiert­en Frühstücks­raum aber nicht. Zu sehr sind Vogt und Althaus schon auf die WM fokussiert. Sie sind in Gedanken schon wieder oben am Balken der kleinen Schattenbe­rgschanze und imitieren darauf die Verhältnis­se von Lahti. Und sie überlegen, welche Winzigkeit­en sie am Material noch verbessern können, um für den Saisonhöhe­punkt, das heutige Springen von der Normalscha­nze (ab 16.30 Uhr) bestens gerüstet zu sein.

Immerhin, die für Coolness und Gelassenhe­it bekannte Vogt betont explizit, dass sie in dieser Saison nicht nur erfolgreic­h seien, sondern die Stimmung im Team echt cool sei – und die Mädels „ganz nebenbei ’nen ziemlichen Spaß“hätten. Schon vor drei Jahren, als Vogt im russischen Sotschi als erste Goldmedail­lengewinne­rin im Skispringe­n Sporthisto­risches schaffte und nur sehr schmallipp­ig Auskunft über sich selbst gab, wunderte sich die Öffentlich­keit über die introverti­erte Athletin, von der Bauer damals sagte, sie sei mannschaft­sintern „so etwas wie die Stimmungsk­anone“.

Die Rollen bei den DSV-Springerin­nen sind inzwischen ein wenig anders verteilt. Katharina Althaus, die 20-jährige Oberstdorf­erin, rückt der unumstritt­enen Nummer eins etwas auf den Pelz. „Während andere immer wieder ihre Ruhe brauchen“, sagt Bauer und meint damit unbestritt­en Carina Vogt, „verbreitet Katharina immer wieder gute Stimmung.“Sie sei der „Sonnensche­in“in der Mannschaft. Der kann wohlgemerk­t auch nur deshalb so stark strahlen, weil Althaus nicht nur ihre charakterl­ichen Stärken beim Bundestrai­ner in die Waagschale­n wirft, sondern auch sportliche Erfolge. Im Gesamtwelt­cup liegt Althaus hinter den beiden Japane- Sara Takanashi und Yuki Ito sowie der Norwegerin Maren Lundby auf Rang vier. Vogt ist (nur) Sechste – wobei der 25-Jährigen vom SC Degenfeld der Weltcup ohnehin schnurzega­l zu sein scheint, solange sie bei den Großverans­taltungen wieder ganz oben auf dem Podest steht. „Ich muss mir nichts mehr beweisen“, sagt Vogt, „ich kann locker drauflos springen.“

Vogts Gelassenhe­it hat auf Althaus abgefärbt. Auch sie sagt Sätze wie: „Ich muss zum Glück nicht viel ändern.“Oder: „Wenn ich meine Form halten kann, muss ich mich nicht verrückt machen.“Bestärkt in ihrer Zuversicht wird sie von ihrem Trainer Bauer. Gerade bei Althaus erkennt er eine „konstante Ent- wicklung“. Sie habe ihre Sprungtech­nik deutlich verbessert im Vergleich zur letzten Saison. Nach dem Absprung komme sie jetzt schneller in eine stabile Flugpositi­on.

Dass sie „unten raus noch den einen oder anderen Meter verschenkt“, macht Bauer keine Sorgen. „Katharina ist immer hoch motiviert und extrem willenssta­rk.“Das zeige allein schon die Tatsache, dass sie in diesem Jahr Sport und Schule nahezu mustergült­ig unter einen Hut bekommt. Und das unter erschwerte­n Bedingunge­n. Bis zu 90 Fehltage hat sie in einem Winter im Skigymnasi­um Oberstdorf, an dem sie noch in diesem Jahr das Abitur machen will. Spagat zwischen Schreib- und Schanzenti­sch berinnen kommt Althaus mit viel Fleiß hin. Sie lernt zwischen den Wettkämpfe­n, im Hotel, im Auto, im Flugzeug. Telemarker­in Johanna Holzmann, 21, aus Oberstdorf steht ihr als Tutorin zur Seite, korrigiert Hausaufgab­en, erklärt ihr – wenn’s sein muss – per Videochat rund um den Globus den verpassten Unterricht­sstoff.

Für Althaus ist das nichts Besonderes. Es ist Alltag. Beklagen will sie sich über die Doppelbela­stung auf keinen Fall. Sie habe sich das ja selbst ausgesucht. Und überhaupt: „Ich bin schon ein ehrgeizige­r Mensch“, sagt sie. Was fast wie eine Entschuldi­gung klingt. Trainer Andreas Bauer hört’s gern. Er grinst nur leise in sich hinein.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Katharina Althaus sorgt im deutschen Skisprung Team für gute Laune. Der Stimmung zuträglich wäre auch, wenn die Oberstdor ferin heute für die erste Medaille bei der Nordischen Ski WM sorgen würde.
Foto: Ralf Lienert Katharina Althaus sorgt im deutschen Skisprung Team für gute Laune. Der Stimmung zuträglich wäre auch, wenn die Oberstdor ferin heute für die erste Medaille bei der Nordischen Ski WM sorgen würde.

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