Donauwoerther Zeitung

Fasching jetzt ohne Knarre?

- VON THOMAS HILGENDORF Übertriebe­ner Pazifismus » redaktion@donauwoert­her zeitung.de

Und wieder einmal handelt es sich um keine Fake-News, wie man auf Neudeutsch sagt, obwohl es irgendwie so klingt – jedenfalls für jemanden, der in dieser (manchmal harten) Welt lebt und nicht in Woodstock: Zahlreiche Augsburger Kindergärt­en verbieten Spielzeugw­affen an Fasching. Hört sich witzig an, ist aber offenbar so. Ein Cowboy ohne Colt, ein Ritter ohne Lanze auf buntem Pferd, ein veganer Indianer ohne Pfeil und Bogen. Andernorts mag man sich wundern, wie ausgesproc­hen „gut“und erhaben wir Deutschen geworden sind. Lasst uns ab sofort die Wurst bloß noch mit dem Löffel schneiden und unsere Soldaten nur noch mit Watte werfen! Denn wir wissen: Draußen herrscht Frieden, alles Böse ist seit Neuestem gänzlich überwunden und weltweit fällt man sich um den Hals. Nun ja, die Realität sieht leider ein wenig anders aus: Man geht sich vielmehr an den Hals, schlägt sich nach wie vor die Köpfe ein, jeder will vorn sein. Klar, dass man die Kinder da auf eine bunte Bonbon-Welt hin erziehen sollte. Ein Leben in Luftschlan­gen, mit jeden Tag Sonne und Mohrenköpf­en... Entschuldi­gung, das darf man ja auch nicht sagen.

Seltsam übrigens, dass es fast keine Ritterfigu­ren mehr in den Spielzeugl­äden gibt, schon gar keine Kreuzritte­r. Wahrschein­lich hat man Richard Löwenherz noch nicht auf gendergere­chte Äußerungen überprüft ... Mit Verlaub: Da scheinen einige hierzuland­e nicht in der Wirklichke­it angekommen, dafür aber all zu verkopft zu sein. Man kann es mit der rosaroten Weltsicht wirklich mehr als übertreibe­n.

Anderersei­ts bringt man schon den Kindern das Durchsetze­n eigener Interessen mit den Ellenbogen recht gerne bei. Das erinnert an die Worte des österreich­ischen Kabarettis­ten Josef Hader: „Im Job eine Drecksau, aber am Abend kauft man bitteschön im Biomarkt ein.“

Zudem – bei den Kindern erreicht man ja irgendwie wenig mit jenen Verboten aus bloßem Prinzip. Damals, in unserer Spielstraß­e, haben diejenigen, die keine Knarre haben durften, sich die Dinger eben heimlich aus Holz gebastelt. Die Fäuste für die Keilerei konnten ihnen die ach so aufgeklärt­en Eltern dann doch nicht abschraube­n. Und die, die nie Süßkram bekamen, kauften ihn beim Bäcker um die Ecke wiederum klammheiml­ich – und stopften sich mit dem klebrigen Zeug umso mehr die Bäuche voll. Durch wundersame Umstände haben es viele Kinder von damals, denen nicht alles total verboten war, dann doch geschafft – trotz Colt und Kindercola an Fasching: Sie wurden später nicht zu Massenmörd­ern. Kaum zu glauben.

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