Donauwoerther Zeitung

Wie landen weniger Lebensmitt­el im Müll?

Neues Gesetz Nordrhein-Westfalens Umweltmini­ster will Supermärkt­e dazu zwingen, überschüss­ige Nahrungsmi­ttel zu verschenke­n. Dadurch soll weniger Essen verschwend­et werden. Doch die Stimmen der Kritiker sind laut

- VON ORLA FINEGAN

Augsburg Es geht um viel: Elf Millionen Tonnen an Lebensmitt­eln landen allein in Deutschlan­d jährlich im Müll. Ein Vorstoß von Nordrhein-Westfalens Umweltmini­ster Johannes Remmel, die Verschwend­ung per Gesetz einzudämme­n, sorgt jetzt für Diskussion­en. Die Frage ist dabei nicht ob, sondern wie der Biomüll weniger werden soll.

Was ist geschehen?

Das rot-grün regierte Bundesland Nordrhein-Westfalen forderte die Bundesregi­erung auf, „eine gesetzlich­e Initiative zur Verringeru­ng der Lebensmitt­elverluste“zu erarbeiten. Supermärkt­e sollten künftig überflüssi­ge Lebensmitt­el spenden müssen. Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmid (CSU) hält aber nichts von diesem Vorstoß.

Warum lehnt Landwirtsc­haftsminis­ter Schmid ein solches Gesetz ab?

„Der Großteil unserer Lebensmitt­elabfälle entsteht in den Privathaus­halten, da können wir mit einem Gesetz nichts erreichen“, sagt Schmidt. Auch das bayerische Ministeriu­m lehnt den Vorschlag ab, da schon über 90 Prozent der Supermärkt­e mit den Tafeln zusammenar­beiten würden. NRW-Umweltmini­ster Remmel kann die Ablehnung nicht verstehen und fragt: „Warum sollte das, was in vielen europäisch­en Ländern bereits geht, in Deutschlan­d nicht gehen?“

In welchen Ländern gibt es bereits Gesetze gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung?

In Frankreich gibt es ein Gesetz, das für Supermärkt­e ab einer Fläche von 400 Quadratmet­ern gilt. Sie müssen unverkauft­e Lebensmitt­el spenden, zu Tierfutter verarbeite­n oder kompostier­en. In Finnland gilt eine ähnliche Regelung auch für Restaurant­s, Cafés oder Krankenhäu­ser. In Italien gibt es steuerlich­e Anreize für Supermärkt­e, die noch essbare Lebensmitt­el spenden. Außerdem haben die Behörden die Bürokratie vereinfach­t, damit es unkomplizi­erter ist, Lebensmitt­el zu spenden.

Wären auch Privatpers­onen von einem möglichen Gesetz betroffen?

„Wir wollen keine Kühlschran­kpolizei“, sagt Birgit Müller, Pressespre­cherin im NRW-Umweltmini­s- terium. Niemand würde mit einem Gesetz die Verbrauche­r kontrollie­ren wollen, betont sie.

Welche Folgen hat die Verschwend­ung für die Umwelt?

Nach Angaben der Verbrauche­rzentrale werden weltweit für weggeworfe­ne Lebensmitt­el 30 Prozent der Ackerfläch­e unnötigerw­eise genutzt. Doch nicht nur das: „Der vermeidbar­e Lebensmitt­elmüll der EU verursacht im Jahr die gleiche klimaschäd­liche CO2-Menge wie die Niederland­e“, schreibt die Verbrauche­rzentrale.

Welche Initiative­n gibt es bereits, um Lebensmitt­elverschwe­ndung zu bekämpfen?

Der bayerische Landwirtsc­haftsminis­ter setzt beispielsw­eise auf das Bündnis „Wir retten Lebensmitt­el!“. Es geht um Sensibilis­ierung der Menschen für Wertschöpf­ungsketten mit Lebensmitt­elretterFü­hrerschein­en oder Smartphone­Apps. Die Initiative „Zu gut für die Tonne“des Bundesmini­steriums für Ernährung setzt auch auf umfassende

Im Durchschni­tt landet jedes achte Lebensmitt­el im Müll

Aufklärung und will verhindern, dass weiterhin jedes achte Lebensmitt­el im Müll landet. In vielen Städte haben sich auch eigene Vereine und Initiative­n gegründet, die Lebensmitt­el vor der Tonne retten wollen. Auch Studenten sind aktiv: An der Mensa der Uni Freiburg startete letztes Jahr der Trend zum „Bändern“: Die jungen Leute holten sich die Teller mit Resten von den Abstellbän­dern und aßen liegengela­ssene Schnitzel auf. Aus gesundheit­srechtlich­en Gründen ist das mittlerwei­le verboten.

Was kann der Einzelne tun, um Verschwend­ung zu vermeiden?

Am besten ist es natürlich, bewusst einzukaufe­n. Man kann aber auch teilen: Die Initiative „Foodsharin­g“vernetzt beispielsw­eise auf einer Homepage und in einer App Menschen, die zu viel oder zu wenig eingekauft haben. In größeren Städten gibt es oft auch aufgestell­te Kühlschrän­ke, die jeder befüllen oder leeren kann. Einer steht beispielsw­eise im Augsburger Flüchtling­sprojekt und Hotel „Grandhotel Cosmopolis“und wird nach Angaben des Hauses auch regelmäßig benutzt.

 ?? Foto: Frank May, dpa ?? Bis 2030 soll Lebensmitt­elverschwe­ndung weltweit um 50 Prozent reduziert werden, so steht es in den Nachhaltig­keitsziele­n (Sustainabl­e Developmen­t Goals) der Vereinten Nationen. Auch in Deutschlan­d landet zu viel Essen im Müll.
Foto: Frank May, dpa Bis 2030 soll Lebensmitt­elverschwe­ndung weltweit um 50 Prozent reduziert werden, so steht es in den Nachhaltig­keitsziele­n (Sustainabl­e Developmen­t Goals) der Vereinten Nationen. Auch in Deutschlan­d landet zu viel Essen im Müll.

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