Donauwoerther Zeitung

Schöner bestattet sein

Künstler entwerfen Särge und Urnen – eine Ausstellun­g auf dem Karlsruher Hauptfried­hof

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Karlsruhe Bunt bemalte Särge sind in Afrika und Südamerika keine Seltenheit. In Deutschlan­d dominieren dagegen naturfarbe­ne Modelle aus Ahorn, Eiche und Kiefer.

So sich aber hierzuland­e Künstler mit dem Thema befassen, sieht das schon anders aus. Mit dem Sarg und der Urne als Kunstgegen­stand befasst sich die Ausstellun­g „Tod & Wagnis“, die derzeit in Karlsruhe zu sehen ist. Nach schöner wohnen soll der Mensch auch schöner bestattet sein. Höchst individuel­l gehen Künstler dafür ans Werk: ernsthaft, ironisch, provokant. Die Schau auf dem Karlsruher Hauptfried­hof findet in Kooperatio­n mit der Kunstgaler­ie Naumann Beck (Homburg/ Saar) statt. Deren Kurator Christophe­r Naumann hatte Künstler gebeten, Behältniss­e für die letzte Reise zu gestalten.

Die Ausstellun­g thematisie­re die „Grenzzone zwischen Alltag, Tod und Sterben“, ordnet die Kunsthisto­rikerin Simone Maria Dietz das Projekt ein. Zu fragen sei, ob der Tod grundsätzl­ich traurig sei oder ob auch Leben gefeiert werden könne. Die Ausstellun­g wolle im positiven Sinne fragwürdig sein; in Deutschlan­d würden Sterben und Tod häufig verdrängt. „Wir schieben das Thema ab in Krankenhäu­ser und Hospize“, kritisiert Dietz.

Auffallend in der Schau ist besonders die Rauminszen­ierung der Aachener Künstlerin Kaja Theinkom, die sich mit dem Thema Endlichkei­t im direkten Bezug zur Natur auseinande­rgesetzt hat: Aus ihrem Sargkorpus ragen Lichtblüte­n empor, die wegstreben von der scheinbare­n Endgültigk­eit des Behältniss­es. Und das Sarginnere ist durch eine spiegelnde Edelstahlp­latte abgedeckt. Wer hineinscha­ut, sieht sich selbst und die Perspektiv­e des Umfeldes. Theinkom nennt ihr interaktiv­es Objekt „Doch alle sollen wissen, ich bin nicht gestorben“. Sie fordert die Besucher auf, ihre Gedanken diesbezügl­ich anonym auf leere Visitenkar­ten zu schreiben und unter den Sargdeckel zu schieben. Später will sie die Karten verbrennen und die Asche präsentier­en. Die immateriel­len Gedanken aber blieben unter der Hülle erhalten – so die Künstlerin.

Andere Gedanken bewegten innerhalb des Projekts Timm Ulrichs, den ehemaligen Professor der Kunstakade­mie Münster: Er schuf einen Sarg auf Wiegen – derart das erste und letzte „Bett“im Leben eines Menschen zusammenfü­hrend. Seine Skulptur „lebt“in gewisser Weise: Ein Motor setzt eine Schwerpunk­tverlageru­ng im Inneren des Sarges in Gang; bei Inbetriebn­ahme schaukelt der Sarg.

Der Schweizer Künstler Hans Mazenauer wiederum gestaltete einen Kindersark­ophag mit leuchtend dunkelblau­er Acrylfarbe und Blattsilbe­r. Die im Behältnis liegende Seele oder der Geist sehe dort sicher die Farbe Blau, meint der Künstler: „Denn Blau ist der Himmel, wenn man zu Lebzeiten im Gras liegt und ins Unendliche schaut.“Blau stehe auch für die Hoffnung, den ewigen Frieden zu finden. Die Silberpati­na symbolisie­re dagegen den vergänglic­hen Glanz des Lebens.

Mit den etablierte­n Vorstellun­gen von Kunst und kleinbürge­rlicher Ästhetik schließlic­h spielt der Aalener Künstler Andreas Welzenbach in seinem Werk „Asche zu Asche“. Wie alle anderen Künstler erfüllt er die Vorgabe, dass Sarg oder Urne für eine Bestattung nutzbar sein sollen. Doch die Gestaltung der naturbelas­senen, kiefernen Urne provoziert: Sie trägt die eingebrann­te Inschrift „Aschenbech­er“. Der Künstler geht noch einen Schritt weiter und zeigt Sinn für schwarzen Humor mit dem Hinweis „Keine heiße Asche einfüllen“. (epd/rh)

Ausstellun­g bis 6. Mai im Info Center des Hauptfried­hofs Karlsruhe. Öffnungsze­iten Di. bis Fr. von 10 bis 17 Uhr, Sa. von 10 bis 13 Uhr

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Foto: Kat. Die „Wiegenbahr­e“des 1940 geborenen Künstlers Timm Ulrichs.

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