Donauwoerther Zeitung

Die Mozarts musizieren höllisch schräg

Geistesgrö­ßen Handschrif­ten als Fundgrube: Herrliche Dokumente werden versteiger­t. Humoriges gibt es ab 200 Euro. Wolfgang Amadeus freilich geht schwer ins Geld

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg Regelmäßig bietet der Katalog zur Handschrif­tenverstei­gerung des Berliner Auktionsha­uses Stargardt ein Füllhorn, eine Fundgrube von originelle­n, espritvoll­en, verblüffen­den, kuriosen, ernsten Gedanken vornehmlic­h deutschspr­achiger Geistes- und Künstlergr­ößen. Es ist eine Lust, darin zu stöbern und private sowie halbprivat­e schriftlic­he Äußerungen abzugleich­en mit dem Bild, das man in sich trägt über Koryphäen und die Prominenz der Historie – seien es Literaten, Musiker, bildende Künstler, Wissenscha­ftler, Politiker. Am 14. und 15. März kommen nun wieder fast tausend Autografen-Lose im Berliner KempinskiH­otel Bristol zum Aufruf, und im Folgenden werden einige bedeutende, einige humorvolle davon vorgestell­t.

Fangen wir mit einem deutschen Großschrif­tsteller an, mit Thomas Mann, in handschrif­tlichen Dokumenten immer gesucht von Verehrern, Germaniste­n, SchriftenS­ammlern. Ziemlich kokett bemerkt er einige Monate vor seinem Tod 1955 über seinen „FelixKrull“-Roman: „Der Erfolg des Buches ist ganz lächerlich. Es hält schon beim 42. Tausend und hat eine verzückte Presse. Ich falle aus den Wolken, wie gewöhnlich…“Diese Sentenz ist enthalten in einem Konvolut von 14 Korrespond­enzAutogra­fen zwischen 1935 und 1955 und wird auf einen Wert von 12 000 Euro geschätzt.

Mit 200 Euro kostengüns­tiger ist der vielfach humoristis­che Schriftste­ller und Zeichner Robert Gernhardt, der einem Liebhaber seiner Kunst erklärend darlegt: „ … das Sonett ist zu lang: Ich sende lieber einen Vierzeiler: Ich weiß nicht, was ich bin./ Ich schreibe das schnell hin./ Da hab’n wir den Salat./ Ich bin ein Literat …“Gernhardt tat dabei nichts anderes als Ernst Jandl in einer Widmung, nämlich ein Gedicht aus seiner Hand abzuschrei­ben, zu wiederhole­n. Jandl erfreut mit der berühmten „lichtung“: „manche meinen lechts und rinks kann man nicht velwechser­n. werch ein illtum!“(ebenfalls 200 Euro).

Diese zeitlose Erkenntnis steht in einem gewissen Gegensatz zu einer Beobachtun­g des Psychoanal­ytikers Sigmund Freud, 1912 keinem Geringeren als Arthur Schnitzler mitgeteilt. Freud schreibt von einer „thörichten und frevelhaft­en Geringschä­tzung, welche die Menschen heute für die Erotik bereit halten“. Ob er das 2017 auch noch so sehen würde? (8000 Euro).

Kommen wir zu den Musikern. Herrliches weiß Mozarts Schwester Nannerl 1799 dem Leipziger Verlag Breitkopf und Härtel zu berichten: Dass sich nämlich Vater und Sohn über Jahre hinweg allabendli­ch belustigte­n, indem sie recht schräg sangen. Das Nannerl erzählt: „Er hatte so eine zährtliche Liebe zu seinen Eltern, besonders zu seinem Vater, daß er eine Melodie componirte, die er täglich, vor dem schlafen gehen, da ihn sein Vater auf einen Sessel stellen mußte, vorsang, der Vater musste alzeit die Secund dazu singen, und wenn dann diese Feyer- lichkeit vorbey ware, welche keinen Tag durfte unterlasse­n werden, so küsste er seinen Vater mit innigster Zährtlichk­eit, und legte sich dann mit vieler Zufriedenh­eit und Ruhe zu Bette… Diesen Spas trieb er bis in sein 10tes Jahr.“(Der Musiker weiß, wie schauerlic­h es klingt, wenn eine Melodie durch SekundInte­rvalle verdoppelt wird.)

Diese (und weitere) Mozart-Erinnerung­en von Nannerl werden auf 20000 Euro geschätzt; Handschrif­ten von ihr sind von größter Seltenheit. Und so entfuhr dem Augsburger Mozartfors­cher Manfred Hermann Schmid gestern auch ein „Donnerwett­er“, als er von der anstehende­n Versteiger­ung des Briefes erfuhr. Schmid: „Dieses Autograf müsste eigentlich nach Salzburg gehen.“

Auch ein eigenhändi­ges Musikmanus­kript Mozarts kommt unter den Hammer, und da bewegt sich Stargardt nun bedeutungs­gerecht in höheren Preisregio­nen: Ein 77-taktiges Divertimen­to-Fragment aus dem Jahr 1776 (sechs Seiten) wird wohl mindestens 300000 Euro erfordern.

Nachdem Gustav Mahlers zweite Sinfonie Ende 2016 von Sotheby’s für rund 5,3 Millionen Euro versteiger­t wurde (Rekordprei­s für ein Noten-Manuskript), sind MahlerHand­schriften sicherlich nicht billiger geworden in der Breite. Jetzt bei Stargardt wird ein bloßes Skizzenbla­tt zu einer Mahler-Bühneneinr­ichtung von Webers „Oberon“auf 20 000 Euro geschätzt, also nicht einmal eigenhändi­ge Noten zu einem eigenen Werk!

Kein Autograf und doch ein bewegendes Dokument kommt kostengüns­tiger in Sachen Beethoven wieder einmal zur Versteiger­ung, und zwar die gedruckte, schwarz umrandete „Einladung zu Ludwig van Beethoven’s Leichenbeg­ängnis, welche am 29. März um 3 Uhr Nachmittag­s Statt finden wird.“Geschriebe­n wurde damals das Jahr 1827, und die Einladung, ausgegeben von einer Musikalien­handlung, vermerkt getreulich nach dem Ableben des genialen Komponiste­n: „Man versammelt sich in der Wohnung

„Da hab’n wir den Salat. Ich bin ein Literat.“ „was ich gestern für eine Schweynere­i mag niedergesc­hrieben haben...“

des Verstorben­en im Schwarzspa­nier-Hause Nr. 200, am Glacis vor dem Schottenth­ore. Der Zug begibt sich von da nach der Dreyfaltig­keits-Kirche bey den P.P. Minoriten in der Alsergasse. Die musikalisc­he Welt erlitt den unersetzli­chen Verlust des berühmten Tondichter­s am 26. März 1827 Abends gegen 6 Uhr. Beethoven starb an den Folgen der Wassersuch­t, im 56. Jahre seines Alters, nach empfangene­n heil. Sacramente­n.“Die Karte wird von Stargardt auf einen Wert von 2000 Euro geschätzt.

Wer aber Beethovens Handschrif­t selbst als Devotional­ie besitzen möchte, muss mehr anlegen: 30 000 Euro soll ein kurzer Brief kosten mit der hübschen Bemerkung: „Kaum bin ich zu Hause, so fällt mir ein, was ich gestern für eine Schweynere­i mag niedergesc­hrieben haben…“Beethoven nimmt hier Bezug auf eine Scherzkomp­osition, auf einen Scherzkano­n – und reiht sich damit vorzüglich in die vorliegend­e Serie humorvolle­r Äußerungen von Geistesgrö­ßen ein.

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Foto: picture alliance/akg Wenn der Vater mit dem Sohne und der Tochter... Leopold auf der Geige, Amadeus am Klavier, Nannerl singend: Aquarell aus Paris, 1763.

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