Sind nur die weißesten Westen vorzeigbar?
Wenn Straßen, Gebäude oder Plätze nach einer Person der Zeitgeschichte benannt sind, dann bedeutet das nicht, dass jene Menschen gemeinhin eine vollends „weiße Weste“haben. Freilich will man verhindern, dass unzweifelhaft böse auftretende Zeitgenossen in diesem Zusammenhang noch gewürdigt werden – und das ist ja auch richtig so. Einen Hitler-Platz oder eine Stalin-Allee mag man sich nicht mehr vorstellen. Jene Zeiten sind vorbei. Gott sei Dank.
Doch es gibt im Zuge berechtigter Kritik an allerlei Tyranneien auch offenbar Grenzüberschreitungen. Etwa dann, wenn man sich eifernd aufmacht, darüber zu befinden, ob auch wirklich jeder, der im öffentlichen Raum mit Namensgebungen geehrt wird, auch ja eine voll und ganz weiße Weste anhat.
Im Bereich des weit zu fassenden Mitläufertums in der Zeit des Na- tionalsozialismus sind abschließende Urteile schwierig. Mag man sich auf den Richterstuhl schwingen?
In der Tat erscheint die diesbezügliche Frage von Donauwörths Alt-OB Alfred Böswald berechtigt: Wo endet ein richtiger Einspruch – und wo beginnt die falsche Hatz im Sinne eines vermeintlichen Perfektionsanspruches an die Menschen der Zeit?
Eine oberlehrerhafte (Staats-) Pädagogik erfüllte wohl kaum den Zweck, die Menschen zum wirklichen Nachsinnen über die Historie zu bringen. Will heißen: Es muss auch nicht unter jedes Lutheroder Bismarck-Denkmal ein Schild zu etwaigen bedenklichen politischen Aussagen gesetzt werden. Eine allgegenwärtige Pädagogik „von oben“, oder eben aus einer bestimmten politischen Motivation heraus diktiert, sie wird gemeinhin ungern angenommen. In Wien de- battiert man nun über eine Umbenennung des Heldenplatzes, der seit dem 19. Jahrhundert so heißt. In der Vorstellung einer vermeintlich „perfekten“Gesellschaft von links darf es scheinbar keine Helden mehr geben. Geschichts- und gesichtslos wirkt das. Doch zurück nach Schwaben. Was Egk angeht, ist es erschreckend, wie nervös das Schulamt in Augsburg hier reagiert. Von Haltung zeugt das nicht. Worin besteht die Schuld Egks (nach bekannter Faktenlage)? Ist der Musiker ähnlich schuldig wie der Mörder? Freilich, Debatten sind erlaubt. Doch das Aburteilen, das Entehren – man sollte sich vor eifernder Bewertung hüten. In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten. Man kann es auch getrost mit den Worten Jesu halten: „Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“An dieser Wahrheit hat sich nichts geändert.