Donauwoerther Zeitung

Sind nur die weißesten Westen vorzeigbar?

- Kommentar VON THOMAS HILGENDORF redaktion@donauwoert­her zeitung.de »

Wenn Straßen, Gebäude oder Plätze nach einer Person der Zeitgeschi­chte benannt sind, dann bedeutet das nicht, dass jene Menschen gemeinhin eine vollends „weiße Weste“haben. Freilich will man verhindern, dass unzweifelh­aft böse auftretend­e Zeitgenoss­en in diesem Zusammenha­ng noch gewürdigt werden – und das ist ja auch richtig so. Einen Hitler-Platz oder eine Stalin-Allee mag man sich nicht mehr vorstellen. Jene Zeiten sind vorbei. Gott sei Dank.

Doch es gibt im Zuge berechtigt­er Kritik an allerlei Tyranneien auch offenbar Grenzübers­chreitunge­n. Etwa dann, wenn man sich eifernd aufmacht, darüber zu befinden, ob auch wirklich jeder, der im öffentlich­en Raum mit Namensgebu­ngen geehrt wird, auch ja eine voll und ganz weiße Weste anhat.

Im Bereich des weit zu fassenden Mitläufert­ums in der Zeit des Na- tionalsozi­alismus sind abschließe­nde Urteile schwierig. Mag man sich auf den Richterstu­hl schwingen?

In der Tat erscheint die diesbezügl­iche Frage von Donauwörth­s Alt-OB Alfred Böswald berechtigt: Wo endet ein richtiger Einspruch – und wo beginnt die falsche Hatz im Sinne eines vermeintli­chen Perfektion­sanspruche­s an die Menschen der Zeit?

Eine oberlehrer­hafte (Staats-) Pädagogik erfüllte wohl kaum den Zweck, die Menschen zum wirklichen Nachsinnen über die Historie zu bringen. Will heißen: Es muss auch nicht unter jedes Lutheroder Bismarck-Denkmal ein Schild zu etwaigen bedenklich­en politische­n Aussagen gesetzt werden. Eine allgegenwä­rtige Pädagogik „von oben“, oder eben aus einer bestimmten politische­n Motivation heraus diktiert, sie wird gemeinhin ungern angenommen. In Wien de- battiert man nun über eine Umbenennun­g des Heldenplat­zes, der seit dem 19. Jahrhunder­t so heißt. In der Vorstellun­g einer vermeintli­ch „perfekten“Gesellscha­ft von links darf es scheinbar keine Helden mehr geben. Geschichts- und gesichtslo­s wirkt das. Doch zurück nach Schwaben. Was Egk angeht, ist es erschrecke­nd, wie nervös das Schulamt in Augsburg hier reagiert. Von Haltung zeugt das nicht. Worin besteht die Schuld Egks (nach bekannter Faktenlage)? Ist der Musiker ähnlich schuldig wie der Mörder? Freilich, Debatten sind erlaubt. Doch das Aburteilen, das Entehren – man sollte sich vor eifernder Bewertung hüten. In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagte­n. Man kann es auch getrost mit den Worten Jesu halten: „Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“An dieser Wahrheit hat sich nichts geändert.

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