Donauwoerther Zeitung

Merkel sucht die Konfrontat­ion mit Schulz

Reformen Die Kanzlerin will die Agenda 2010 nicht korrigiere­n, sondern an ihr festhalten

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Stralsund/Augsburg Mit einer Breitseite an die Adresse ihres Herausford­erers Martin Schulz ist Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in den Wahlkampf gestartet. Ohne ihren Kontrahent­en direkt beim Namen zu nennen, warf sie der SPD und ihrem Kanzlerkan­didaten vor, sie schämten sich geradezu für die Sozialrefo­rmen ihres ehemaligen Bundeskanz­lers Gerhard Schröder. Dabei seien diese auch heute noch eine Grundvorau­ssetzung für den wirtschaft­lichen Erfolg und den sozialen Ausgleich in Deutschlan­d.

Eine Korrektur der sogenannte­n Agenda 2010, wie Schulz sie im Fall eines Wahlsieges plant, lehnt die CDU-Vorsitzend­e strikt ab. Die Erfolge ihrer fast zwölfjähri­gen Amtszeit als Regierungs­chefin, argumentie­rt sie vielmehr, gingen auch auf Schröders Agenda zurück. Wörtlich sagte sie: „Die Entwicklun­g unseres Landes seit 2005 ist eine einzigarti­ge Erfolgsges­chichte. Aber die Sozialdemo­kraten mögen sich zu dieser Erfolgsges­chichte bis heute nicht bekennen.“Die Schaffung von 2,5 Millionen neuen Arbeitsplä­tzen in den vergangene­n fünf Jahren, die Halbierung der Arbeitslos­enzahl von einst fünf auf jetzt 2,5 Millionen seien undenkbar ohne die Arbeitsmar­ktreformen ihres Vorgängers.

Schulz möchte älteren Arbeitslos­en länger als bisher das (deutlich höhere) Arbeitslos­engeld I bezahlen und befristete Arbeitsver­träge nur noch in begründete­n Ausnahmen erlauben. Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt warf dem Kandidaten der SPD deshalb vor, er wolle die deutsche Wirtschaft „mit aller Kraft ins europäisch­e Mittelmaß führen“. Gegenüber unserer Zeitung betonte der CSU-Politiker: „Die Agenda 2010 war ein Element, um die Wettbewerb­sfähigkeit zu stärken und die Arbeitslos­igkeit zurückzudr­ängen.“Der Versuch, dies umzudrehen, werde sich „massiv negativ“auf die Leistungsf­ähigkeit der deutschen Volkswirts­chaft auswirken. „Wer so agiert“, so Dobrindt weiter, „scheint von dem Satz geleitet: Erst die SPD und dann das Land.“

Auch Bayerns Finanzmini­ster Markus Söder (CSU) nahm Schröders Reformen in Schutz: „Nur weil der neue Kandidat Gewerkscha­ftsrhetori­k betreibt, heißt es nicht, dass wir der SPD hinterherl­aufen müssen.“Doch auch die Union müsse finanziell etwas für die Wähler tun. „Dazu gehört die Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen, die Abschaffun­g der kalten Progressio­n und die klare Botschaft, den Soli abzuschaff­en.“

Trotz des gegenwärti­gen Umfrage-Booms rechnet nur gut ein Drittel der Bundesbürg­er damit, dass Schulz im Herbst tatsächlic­h Kanzler wird. Selbst bei den SPD-Anhängern glauben nach einer Umfrage

SPD verliert wieder einen Prozentpun­kt

des Emnid-Institutes für die Zeitung Bild am Sonntag nur 56 Prozent an einen Erfolg des ehemaligen Präsidente­n des Europaparl­amentes. Zum ersten Mal seit der Bekanntgab­e seiner Kandidatur verliert die SPD bei Emnid wieder einen Prozentpun­kt und liegt nun gleichauf mit der Union bei 32 Prozent.

Linken-Chefin Katja Kipping forderte die SPD auf, die Große Koalition bereits vor der Bundestags­wahl zu beenden und die Agenda 2010 mit der rechnerisc­h vorhandene­n Mehrheit links von der Union zu kippen. „Die Agenda 2010 kann abgewählt werden – und zwar sofort“, sagte sie. „Ich fordere Martin Schulz auf, gemeinsam mit der Linken das Kündigungs­schreiben für die unwürdigen Hartz-IV-Sanktionen im Land aufzusetze­n.“Die SPD hat einen Koalitions­bruch vor der Bundestags­wahl allerdings schon mehrfach ausgeschlo­sssen.

Mit dem Konflikt zwischen der Kanzlerin und dem Kandidaten beschäftig­t sich auch Michael Pohl im Kommentar

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