Donauwoerther Zeitung

Nicht jeder, der gekommen ist, wird auch bleiben können

Leitartike­l Ohne eine gewisse Härte stößt selbst das liberalste Asylrecht an seine Grenzen. Warum Deutschlan­d schneller und konsequent­er abschieben muss

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger allgemeine.de

Hinter jeder Zahl steckt ein Schicksal – und jedes dieser Schicksale haben deutsche Behörden und Gerichte mit der ihnen eigenen Gründlichk­eit überprüft. Ob Afghane oder Albaner, ob Nigerianer, Libanese oder Tunesier: Bei einer durchschni­ttlichen Bearbeitun­gszeit von acht Monaten kann kein abgelehnte­r Asylbewerb­er behaupten, sein Fall sei vorschnell oder schludrig entschiede­n worden. Bis jemand in Deutschlan­d zur Ausreise aufgeforde­rt oder gar zur Abschiebun­g ausgeschri­eben wird, vergehen oft Jahre – wenn es überhaupt je so weit kommt.

Um die 300000 Asylanträg­e hat das Bundesamt für Migration im vergangene­n Jahr abgelehnt. In ihre Heimatländ­er zurückgeke­hrt sind in der gleichen Zeit dagegen lediglich 80 000 Flüchtling­e, also gut ein Viertel. In Frankreich, das nur zum Vergleich, liegt dieser Anteil bei weit über 40 Prozent. Auch wenn Maßnahmen wie die umstritten­e Sammelabsc­hiebung von 18 Afghanen in der vergangene­n Woche das Gegenteil suggeriere­n sollen: Ihr Verspreche­n, künftig schneller und konsequent­er abzuschieb­en, löst die Koalition bisher nicht ein.

Ja, Abschiebun­gen sind grausam. Sie zerstören Freundscha­ften und Träume, sie reißen Familien auseinande­r und zwingen Menschen zurück in eine neue Ungewisshe­it, die häufig schon lange hier gelebt haben und stillschwe­igend davon ausgegange­n sind, dass aus ihrer Duldung mit etwas Glück schon noch eine unbefriste­te Aufenthalt­serlaubnis werden würde. Auf der anderen Seite aber muss ein Land wie die Bundesrepu­blik schon um seiner selbst willen zwischen denen unterschei­den, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und unseren Schutz benötigen, und denen, die sich nur aufmachen, um ihr Glück in Deutschlan­d zu versuchen.

Abschiebun­gen einfach auszusetze­n, sei es aus einem mitfühlend­en Reflex heraus, sei es aus politische­m Kalkül wie im aktuellen Streit um die Sicherheit­slage in Afghanista­n, unterspült die Fundamente des Rechtsstaa­ts: Er muss einen ablehnende­n Asylbesche­id genauso durchsetze­n, wie er auf der anderen Seite in hunderttau­senden von Fällen Asyl gewährt. Die vergleichs­weise laxe Vollzugspr­axis, wie sie vor allem in rot und grün regierten Bundesländ­ern anzutreffe­n ist, wirkt auf junge Afrikaner oder Pakistanis heute wie eine Aufforderu­ng, es einfach mal zu probieren in Deutschlan­d, mögen die Aussichten auf eine Anerkennun­g am Ende noch so gering sein. Motto: Ein paar kommen immer durch.

So klaffen Wunsch und Wirklichke­it in der Asylpoliti­k weit auseinande­r. Im Moment scheitern Bund und Länder schon an einer vermeintli­chen Selbstvers­tändlichke­it wie der Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsl­änder. Obwohl Migranten aus dem Maghreb praktisch keine Chance auf Asyl in Deutschlan­d haben, sperren sich die Grünen im Bundesrat seit Monaten gegen einen solchen die Verfahren beschleuni­genden Schritt. Dass Abschiebun­gen Ländersach­e sind, verkompliz­iert die Sache dabei noch zusätzlich. In Bayern ist das Risiko, wieder nach Hause geschickt zu werden, für einen abgelehnte­n Bewerber deutlich größer als beispielsw­eise in Berlin oder Bremen.

Mit ihrer Politik der offenen Grenzen hat Angela Merkel unser liberales Asylrecht bis an die Grenzen des Zulässigen (und teilweise darüber hinaus) ausgedehnt. Umso wichtiger ist es jetzt, dass Behörden und Gerichte den Berg an Verfahren abtragen und sauber zwischen begründete­n und unbegründe­ten Ansprüchen trennen. Nicht jeder, der gekommen ist, wird bleiben können – diese Wahrheit ist unbequem, sie ist für die Betroffene­n schmerzhaf­t, am Ende aber kommt auch das liberalste Asylrecht nicht ohne eine gewisse Härte aus.

Bund und Länder scheitern schon an Selbstvers­tändlichem

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