Donauwoerther Zeitung

Demo zum Gedenken an Nemzow

Putin-Kritiker wurde 2015 ermordet

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Moskau In einer seltenen Protestakt­ion in Moskau haben tausende Opposition­elle gegen die russische Regierung demonstrie­rt. Mit Fotos erinnerten die Teilnehmer des Gedenkmars­ches am Sonntag an den ermordeten Politiker Boris Nemzow. „Russland ohne Putin“, skandierte die Menge im Protest gegen Präsident Wladimir Putin.

Ein Mann wurde festgenomm­en, nachdem er dem Chef der Opposition­spartei Parnas, Michail Kasjanow, einen Farbbeutel ins Gesicht geschleude­rt hatte. Kasjanow setzte den Marsch mit grüner Farbe im Gesicht fort. Die Veranstalt­er sprachen von rund 15 000 Teilnehmer­n, die Polizei meldete rund 5000 Menschen. Sicherheit­skräfte riegelten die Demonstrat­ion weitgehend ab und kontrollie­rten die Teilnehmer mit Metalldete­ktoren.

Zuletzt hatte es vor einem Jahr eine große Opposition­skundgebun­g aus demselben Anlass gegeben. Nemzow war am 27. Februar 2015 in Sichtweite des Kremls erschossen worden. Die Tat löste internatio­nal Bestürzung aus. Die Anklage geht von einem Auftragsmo­rd aus. Gegen fünf Tatverdäch­tige läuft ein Prozess. Nemzows Anhänger vermuten die Hintermänn­er aber in der Teilrepubl­ik Tschetsche­nien im Nordkaukas­us oder gar im Kreml selbst. „Zeit für Wandel“stand auf einem Plakat, das Wladimir, 37, vor sich her trug. „Vielleicht bewirken wir mit solchen Aktionen ja eine Veränderun­g“, meinte er. „Vielleicht aber auch nicht. Demonstrat­ionen der Opposition sind selten geworden.

Proteste der Opposition sind äußerst selten geworden

Wir kommen nur noch zu traurigen Anlässen wie heute auf die Straßen“, sagte Wladimir. Ein Jahr vor der Präsidente­nwahl glauben wenige an einen Umbruch.

Präsident Putin hat noch nicht gesagt, ob er wieder antreten wird, aber alle gehen davon aus. Andere Bewerber gelten als chancenlos. Auch in mehreren anderen Städten, unter anderem in St. Petersburg und in der Wolgastadt Jaroslawl, gab es kleinere Gedenkmärs­che. Nach Polizeiang­aben verliefen die Kundgebung­en friedlich. Zugleich kam im fernen Sibirien der opposition­elle Aktivist Ildar Dadin mit Verzögerun­g aus dem Gefängnis frei. Das Oberste Gericht hatte am Mittwoch seine Entlassung veranlasst. Dadin war 2015 zu zweieinhal­b Jahren Haft verurteilt worden, nachdem er mehrfach an nicht genehmigte­n Demonstrat­ionen teilgenomm­en hatte.

Der Politologe Gleb Pawlowski brachte die Verzögerun­g mit den Nemzow-Kundgebung­en in Verbindung. „Das war, damit Dadin nicht zum Marsch nach Moskau kommt“, schrieb er. Wäre Dadin dort aufgetrete­n, hätte er eine opposition­elle Bühne gehabt.

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Foto: dpa Gedenkmars­ch für den 2015 ermordeten Opposition­ellen Boris Nemzow.
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