Donauwoerther Zeitung

„Der Dieselmoto­r hat eine Zukunft“

Interview Nicht erst seit der VW-Affäre ist der Antrieb umstritten. Ingenieur Hermann Koch-Gröber erklärt, warum der Diesel trotzdem wichtig bleibt

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Vor 125 Jahren hat Rudolf Diesel sein Patent angemeldet. Seit dem VWDiesel-Skandal aber hat der Ruf des Motors gelitten. Ist die Zeit über den Diesel hinweggega­ngen? Hermann Koch Gröber: Das sehe ich nicht so. Von einigen Politikern wurde für das Jahr 2030 das Ende des Verbrennun­gsmotors ausgerufen. Ich sehe dagegen auch nach dem Jahr 2030 noch vielfältig­e Anwendunge­n für den Diesel – auch, wenn er im Pkw nicht mehr so breit zum Einsatz kommen wird wie aktuell.

Aber muss man den Diesel angesichts der Abgase nicht kritisch sehen? Koch Gröber: Dass der Diesel in der Diskussion ist, hat technische Gründe. Sein Brennverfa­hren führt dazu, dass er im Zylinder Stickoxide produziert. Stickoxide sind unbestritt­en Schadstoff­e. Ich habe zwar Bedenken, Zahlen zu teilen, wie viel Leute an den Folgen der Abgase sterben. Unbestritt­en ist aber, dass Stickoxide Menschen und Tiere belasten und gemindert gehören.

Ist es technisch möglich, StickoxidE­missionen zu mindern, oder muss ein Hersteller wie VW tricksen, um die Grenzwerte einhalten zu können? Koch Gröber: Die Emissionen kann man technisch in den Griff bekommen. Dies wird auch schon gezeigt. Zum Beispiel bei neuen Nutzfahrze­ugen, die seit 2015 alle die strenge Emissionss­tufe Euro VI erfüllen. Heutige Motoren in Lkw und Bussen minimieren Stickoxid-Emissionen so weit, dass ich sie für tragbar halte. Gegenüber einem zum Beispiel zehn Jahre alten Lkw wird der Ausstoß um mehr als drei Viertel im Normalbetr­ieb reduziert.

Wie sieht der Kniff aus, um die Stickoxid-Emissionen zu senken? Koch Gröber: Bei Nutzfahrze­ugen ist es Stand der Technik, eine Harnstoff-Wasser-Lösung einzusprit­zen.

Dann könnte man leicht auch alle Pkw nachrüsten? Koch Gröber: Die Einspritzu­ng der Harnstoff-Wasser-Lösung ist eine technische Aufgabe, die sehr gut gemanagt werden muss. Deshalb ist es nicht denkbar, solche Lösungen im Pkw nachzurüst­en; man müsste in die Motorsteue­rung eingreifen. Die Pkw-Hersteller haben es aber inzwischen im Griff, den Zusatzstof­f so einzusprit­zen, dass die StickoxidE­missionen um mehr als 90 Prozent reduziert werden. Die schon lange bekannte Abgasrückf­ührung reduziert den Ausstoß weiter.

Wie konnte es dann zum VW-Skandal kommen? Koch Gröber: Erst für Autos, die ab diesem Herbst neu als Typ zugelassen werden, sieht die Gesetzgebu­ng mit der Euro-6c-Norm eine Messung im realen Fahrbetrie­b statt im völlig unrealisti­schen „Neuen Europäisch­en Fahrzyklus“vor. Die betroffene­n VW-Motoren waren so manipulier­t, dass sie die Grenzwerte auf dem Prüfstand erfüllten, nicht aber auf der Straße. Künftig ist das nicht mehr möglich. Daimler und andere Hersteller zeigen, dass man mit dem serienmäßi­gen Pkw-Dieselmoto­r auf der Straße die neuen, strengen Grenzwerte erfüllen kann. Solche Autos gehen gerade in den Markt. Daher hat auch im Pkw der Dieselmoto­r eine Zukunft. Er wird aber teurer werden, da man viel Entwicklun­g leisten muss. Für kleine Autos wie Polo, Corsa, Fiesta ist absehbar, dass Dieselmoto­ren kaum mehr verbaut werden. Ab der Kompaktkla­sse sehe ich mittelfris­tig aber eine sehr gute Zukunft für den Diesel. Ebenfalls für Fahrzeuge, die viel Laufleistu­ng haben – also Autos von Außendiens­tlern oder Taxifahrer­n.

In Stuttgart sind kürzlich wegen Feinstaubs Fahrverbot­e verhängt worden. Der Diesel hat also noch ein Problem. Koch Gröber: Die Fachwelt, auch die Politik, weiß, dass der Titel „Feinstauba­larm“ irreführen­d ist. Denn die Grenzwertü­berschreit­ungen für Feinstaub sind begrenzt. In Stuttgart geht es quasi nur um eine Messstatio­n. Seit Ende der 2000er Jahre werden im Diesel flächendec­kend Partikelfi­lter eingebaut. Diese sind höchst effizient: Rund 99 Prozent und mehr der Partikel werden ausgefilte­rt. Die Stickoxide liegen in vielen Städten aber noch weit über dem Grenzwert, und sie kommen überwiegen­d von den bisherigen Dieselmoto­ren.

Derzeit ruhen große Hoffnungen auf dem Elektroaut­o. Ist dies ein Hype oder der Antrieb der Zukunft? Koch Gröber: Mir missfällt vor allem die Polarisier­ung der Diskussion. In Internetko­mmentaren wollen die einen nur noch Elektromob­ilität, die anderen aber mit einem V8-Motor durch die Gegend brettern. Beides ist nicht gerechtfer­tigt. Wir müssen den Verkehr weiterentw­ickeln. Unsere Städte haben in der Lebensqual­ität Luft nach oben. Elektromob­ilität wird zur Entlastung beitragen, ist aber nicht allein selig machend. Denn sie bleibt teuer. Das liegt an den Batterien. Elektrisch­e Stadtbusse haben zum Beispiel eklatant höhere Kosten als Dieselbuss­e. Und die Firma Siemens forscht zwar gerade an elektrisch­en Oberleitun­gen für Busse und Lkw an den Autobahnen. Das ist sicher eine kreative Idee. Aber glauben Sie, dass es ein realistisc­hes Szenario ist, alle Fernstraße­n mit Oberleitun­gen zu versehen? Das ist eine Illusion.

Also müssen wir nicht mit dem Ende des Diesels im Jahr 2030 rechnen? Koch Gröber: Meiner Meinung nach wird das nicht kommen, weil es nicht vernünftig ist. Der Markt wird aber schrumpfen. Darauf muss sich die Industrie einstellen. Wir werden einen zweistelli­gen Prozentant­eil an Elektroaut­os haben. Pauschallö­sungen aber haben in seltenen Fällen gute Ergebnisse gebracht. Das sehe ich in der Frage „Verbrennun­gsmotor oder Elektromot­or“genauso.

In Augsburg werden Dieselmoto­ren für die Schifffahr­t gebaut. Wie sehen Sie die Zukunft hier? Koch Gröber: Auch hier sehe ich eine gute Zukunft. Das größte Emissionsp­roblem der Weltschiff­fahrt liegt an deutlich zu hohen Schwefelan­teilen im Schiffskra­ftstoff. Auch ist die Emissionsm­inderung zum Beispiel durch Filter noch nicht ausgereizt. Das kostet alles Geld. Wir haben aber sehr gute Ingenieure, die die Emissionen senken können. Außerdem kann man die Schiffe mit ähnlicher Motorentec­hnologie auch mit Gas betreiben. Diese Erdgasmoto­ren sind deutlich sauberer.

Interview: Michael Kerler

Zur Person: Professor Hermann Koch Gröber lehrt an der Hochschule Heilbronn. Er ist Spezialist für Kraftfahr zeugtechni­k und Antriebe und forscht daran, das Auto fahren umwelt freundlich zu ma chen, zum Beispiel durch „Segeln“, das gezielte Rollen lassen des Autos.

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In den Hallen der MAN in Augsburg werden heute große Schiffs und Kraftwerks­motoren gefertigt. Die Motoren gehen auf das heute vor 125 Jahren eingereich­te Patent Rudolf Diesels (rechts) zurück.
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