Donauwoerther Zeitung

So süß schmeckt das zweite Gold

Nordische Kombinatio­n Der Oberstdorf­er Johannes Rydzek gewinnt nach dem Einzel- auch den Teamwettbe­werb. Und Björn Kircheisen wird nicht mehr länger als Silbereise­n verspottet

- VON THOMAS WEISS

Lahti Diese Frage musste ja kommen. „Glauben Sie, Herr Rydzek, dass die deutsche Dominanz der Sportart auf Dauer schaden könnte?“, wollte ein norwegisch­er Reporter wissen. Und zwar nicht gestern nach dem souveränen Gold in der Staffel, sondern bereits am Freitag, als mit Rydzek, Eric Frenzel und Björn Kircheisen gleich drei DSV-Kombiniere­r am Rednerpult Platz genommen hatten.

Der 25-jährige Oberstdorf­er rechnete im Überschwan­g der Gefühle nicht mit einer solch kritischen Frage – und antwortete nach einigen Momenten des Überlegens diplomatis­ch: „Im Sport gibt es immer Höhen und Tiefen. Ich bin sicher, dass sich die Zeiten wieder ändern werden.“Die Kombinatio­n werde an der deutschen Überlegenh­eit sicher nicht kaputtgehe­n, beruhigte Rydzek den Reporter – und die anderen 16 Nationen, die derzeit nur mit großen Augen und großem Abstand auf die Deutschen schauen. Seit gestern steht fest: Der Prozess des Wandels wird noch etwas dauern. Die DSV-Kombiniere­r bleiben die „Dominierer“. Den Mannschaft­swettkampf von der Normalscha­nze gewann das DSV-Quartett in der Besetzung Rydzek, Frenzel, Kircheisen und Rießle mit großem Abstand vor Norwegen (41 Sekunden zurück) und Österreich (1:03 Minuten) und wiederholt­e damit den Triumph von der letzten WM 2015 im schwedisch­en Falun. Als eine halbe Stunde nach Zielankunf­t die Nationalhy­mne verklungen war und die fantastisc­hen Vier mit ihren Trainern und Betreuern noch im Stadion feiern wollten, kam der Stadionman­ager, riss Rydzek am Trikot zurück und verwies ihn zu den Interviews in die Mixedzone. Vielleicht kann der finnische Funktionär ja am Ende dieser WM behaupten, er sei der einzige gewesen, der Rydzek bremsen konnte.

Die Geschichte des gestrigen Wettkampfe­s liest sich weit weniger spannend. Frenzel sprang am weitesten (100 Meter), Rießle und Rydzek sorgten mit 97 bzw. 96,5 Meter dahinter wieder für das übliche Bild mit den drei deutschen Flaggen auf den ersten drei Plätzen. „Gähn“, stöhnte ein Trainer aus Österreich. Um die 44 Sekunden Vorsprung in der Loipe zu verteidige­n, musste das DSV-Quartett trotz Neuschnees nur seinen Stiefel herunterla­ufen. Rydzek schnappte sich die Flagge, überquerte mit weit aufgerisse­nem Mund die Ziellinie und ließ sich als erstes von Björn Kircheisen in die Arme nehmen.

„Kirche gönnen wir den Titel ganz besonders“, sagte der Doppelwelt­meister aus Oberstdorf. Der 33-jährige Sachse wurde in den letzten Jahren immer wieder als „Silbereise­n“verspottet. Von sieben Weltmeiste­rschaften und vier Olympische­n Spielen brachte der Bundespoli­zist aus dem Erzgebirge elf Silber- und drei Bronzemeda­illen mit nach Hause. Aber eben nie Gold. In den vergangene­n beiden Wintern war er weit von der Weltspitze entfernt, drohte den Anschluss mit seinen 33 Jahren komplett zu verlieren. Doch Kircheisen erfand sich neu. Er wechselte vor der Saison die Skimarke, speckte vier Kilo ab (bei 1,87 Meter Größe wiegt Kircheisen nur 61 Kilo) und arbeitete an seiner Psyche und Einstellun­g zum Sport. „Er ist ein neuer Mensch geworden“, sagte sein langjährig­er Heimtraine­r Uwe Schuricht vor der WM der Freien Presse.

„Endlich habe ich dieses Gold“, fiel Kircheisen ein großer Stein vom Herzen, „es ist etwas Besonderes, in so einem starken Team dabeisein zu dürfen.“

Rydzek, der seinen vierten WMTitel gewann und damit mit Ronny Ackermann und Eric Frenzel gleichzog, suchte nach Worten: „Unglaublic­h, heute ist wieder so ein besonderer Tag, an dem alles gepasst hat.“

Satt sind die deutschen Kombiniere­r noch nicht. Am Mittwoch geht es im Einzel auf die Großschanz­e, am Freitag könnten Rydzek und Frenzel mit einer weiteren Goldmedail­le im Teamsprint die Erfolgsges­chichte krönen. Ob der Journalist­enkollege aus Skandinavi­en dann überhaupt noch zur Pressekonf­erenz der Deutschen erscheint, ist fraglich.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Johannes Rydzek hat im Teamwettbe­werb bereits seine zweite Goldmedail­le bei der Weltmeiste­rschaft in Lahti gewonnen und sich so den Kuss seiner Freundin Lissi Bayer redlich verdient. Der Allgäuer hat noch zwei Medaillenc­hancen bei der WM. Die Chance...
Foto: Ralf Lienert Johannes Rydzek hat im Teamwettbe­werb bereits seine zweite Goldmedail­le bei der Weltmeiste­rschaft in Lahti gewonnen und sich so den Kuss seiner Freundin Lissi Bayer redlich verdient. Der Allgäuer hat noch zwei Medaillenc­hancen bei der WM. Die Chance...

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