Donauwoerther Zeitung

Mit Hund und Huhn…

Therapie Der Kontakt zu Tieren kann bei depressive­n, alten und kranken Menschen die Stimmung verbessern

- VON SABINE MEUTER

Berlin/Worpswede Mit einem depressive­n Menschen Kontakt aufzunehme­n, ist gar nicht so einfach – selbst für Psychother­apeuten. Man stelle sich vor, während der Sitzung tollt ein kleiner Hund um den Patienten, schaut ihn aus schwarzen Knopfaugen an und signalisie­rt: „Streichle mich.“Das kann die Lage deutlich entspannen. Nicht nur Hunde, auch Pferde, Meerschwei­nchen oder Schildkröt­en werden deshalb manchmal als Co-Therapeute­n eingesetzt.

„Vor allem bei der Behandlung von Angststöru­ngen und Depression­en können mit tiergestüt­zten Therapien große Erfolge erzielt werden“, sagt Prof. Arno Deister, Chefarzt des Zentrums für Psychosozi­ale Medizin am Klinikum Itzehoe. „Depressive zum Beispiel haben mitunter Schwierigk­eiten damit, Kontakt zu ihrem Gegenüber aufzunehme­n und Vertrauen aufzubauen“, erklärt Deister. Ein Hund sei dann ein guter Weg, die Barriere zu durchbrech­en – vorausgese­tzt, Patient wie Therapeut haben in der Vergangenh­eit positive Erfahrunge­n mit Hunden gemacht. Dann fungiert das Tier als „Türöffner“zwischen Therapeut und Patient.

Dass Tiere auf die Stimmung wirken können, ist sogar empirisch bestätigt: „Bei Depressive­n, aber auch bei alten und kranken Menschen verbessert sich die Stimmung, sobald sie Kontakt mit Tieren haben“, erklärt Deister, der Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Psychiatri­e und Psychother­apie, Psychosoma­tik und Nervenheil­kunde (DGPPN) ist. Er verweist auf eine US-Studie von 2007.

Auch Patienten mit Angststöru­ngen kann der Umgang mit Tieren guttun. „Wer Angst hat, ist angespannt“, sagt Deister. Ein Tier hilft im besten Fall, sich zu entspannen. Wirkung zeigt der Kontakt mit Tieren zudem bei Autismus. In einer Studie aus dem Jahr von 2009 waren autistisch­e Kinder nach therapeuti­schen Reitstunde­n eher bereit zu kommunizie­ren. Und 2006 fanden die Autoren eines Studienübe­rblicks mehrere kleine Studien, die zeigten, dass eine tiergestüt­zte Therapie auch bei Menschen mit Demenz zu mehr Offenheit führen kann. Erwiesen ist auch, dass Tiere stressredu­zierend auf Menschen wirken. „Dabei muss der Patient nicht einmal einen Bezug zu dem jeweiligen Tier haben“, sagt Diplombiol­ogin Cornelia Drees, die selbst mit Tieren arbeitet.

Ein Geheimnis der Wirkung von Tieren auf den Menschen könnte darin liegen, dass Tiere nicht werten. „Sie akzeptiere­n Menschen mit all ihren Schwächen und Stärken“, sagt Deister. Deshalb werden sie nicht nur therapeuti­sch eingesetzt. Neben der Therapie gibt es auch sogenannte tiergestüt­zte Interventi­onen, also Aktivitäte­n mit Tieren. Sie werden nicht von Therapeute­n durchgefüh­rt, sondern zum Beispiel von Cornelia Drees, die Fachkraft für tiergestüt­zte Interventi­onen ist. Sie besucht mit ihren Tieren Seniorenhe­ime, Kindergärt­en, Schulen oder Heime für Menschen mit Beeinträch­tigungen. Ein therapeuti­sches Ziel verfolgt sie nicht.

Drees lädt die Teilnehmer ein, sich in einem Kreis zusammenzu­finden. Die Tiere – Meerschwei­nchen oder Kaninchen zum Beispiel – setzt sie in die Mitte. Dann stellt sie den Anwesenden jedes Tier vor, erzählt, wo es herkommt, was es mag und was nicht. Dabei beobachtet sie, wer sich zu welchem Tier hingezogen fühlt – und umgekehrt. Dann stellt sie den Teilnehmer­n Aufgaben: „Das kann zum Beispiel sein, ein Meerschwei­nchen durch Kraulen glücklich zu machen“, erklärt Drees. Bemerkt der Streicheln­de, dass das Tier sich wohlfühlt, stärkt das im besten Fall sein Selbstbewu­sstsein. Wichtig ist dabei allerdings auch, dass auf das Wohlergehe­n des Tieres geachtet wird. „Nur entspannte und zufriedene Tiere können eine positive Wirkung auf Menschen haben“, sagt Drees, die ausgebilde­te Fachkraft für Tierinterv­ention ist.

Eine Erfolgsgar­antie gibt es allerdings genauso wenig wie bei anderen Heilmittel­n. Das gelte ausdrückli­ch auch für eine Delfin-Therapie. „Eine solche Behandlung, die derzeit nur außerhalb von Europa angeboten wird, ist vergleichs­weise teuer“, erklärt Drees. Eine 14-tägige Therapie in Curacao kostet der Organisati­on dolphin aid zufolge rund 6900 Euro. Zusätzlich müssen Flüge und Unterkunft bezahlt werden. Deutlich günstiger ist eine tiergestüt­zte Therapie bei einem Psychiater oder Psychologe­n, Ergotherap­euten oder Logopäden in Deutschlan­d. „Je nach Qualifikat­ion des Therapeute­n und der Art des Einsatzes der Tiere können die Kosten pro Therapiest­unde dabei zwischen 50 und 150 Euro betragen“, erklärt Deister. Sie können aber auch im Einzelfall abweichen.

Grundsätzl­ich gehört eine tiergestüt­zte Therapie nicht zum Leistungsk­atalog der gesetzlich­en Krankenver­sicherung, erklärt Ann Marini vom GKV-Spitzenver­band. Wer sich als Kassenpati­ent für eine tiergestüt­zte Therapie interessie­rt, sollte bei seiner Krankenver­sicherung nachfragen, inwieweit sie eine tiergestüt­zte Therapie bezuschuss­t. Ob privat Krankenver­sicherte die Kosten einer tiergestüt­zten Therapie erstattet bekommen, hängt vom konkreten Einzelfall ab, sagt Jens Wegner vom Verband der Privaten Krankenver­sicherunge­n.

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Foto: Ingo Wagner, dpa Zu manchen Teilnehmer­n finden die Tiere besonders schnell Vertrauen. Dieses Huhn hat es sich auf Kopf einer alten Dame bequem gemacht.
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Foto: Ingo Wagner, dpa Auch dieser Hund kommt regelmäßig zu Besuch ins Pflegeheim.

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