Das Nördlinger Ponykarussell bleibt
Streit Die Reitbahn auf der Mess’ ist Thema im Bauausschuss des Stadtrates. Die Mitglieder sind sich nicht einig, die Mehrheit ist aber deutlich. Animals United kündigt Widerstand an
Nördlingen Kaum unterschiedlicher konnten die Meinungen sein, die kürzlich indirekt aufeinandertrafen. Denn im Bauausschuss des Nördlinger Stadtrates ging es um die Reitbahn auf der Mess’. Für die einen eine recht harmlose Attraktion, die es Kindern ermöglicht, echte Pferde kennenzulernen und auf ihnen erstmals zu reiten. Für die anderen – allen voran die Tierrechtsorganisation Animals United – eine Tortur für die Tiere, etwas, das nur Leid verursacht und deshalb verboten werden muss. Es oblag den Mitgliedern des Ausschusses, sich für eine Seite zu entscheiden. Und das Votum fiel deutlich aus.
Zunächst hatte der Leiter des Ordnungsamtes, Jürgen Landgraf, einen Film über das gleiche Thema aus Regensburg gezeigt, dann den Standpunkt der Verwaltung recht energisch deutlich gemacht. Der Kern seiner Argumentation: Erstens bescheinigten die Veterinärämter in Donauwörth und Augsburg dem Betreiber der Reitbahn, der Firma Ronny Kaiser aus Meitingen, einen „einwandfreien Betrieb.“Und damit gebe es zweitens rechtlich keinen Grund, die Attraktion nicht mehr zuzulassen. Landgraf ging auf die Stellungnahmen, Briefe und Facebook-Kommentare der Gruppe Animals United ein. Grenzen seien überschritten worden, er selbst persönlich angegriffen worden. Der Vorwurf der Tierschützer, so Landgraf: Er selbst habe ein „inniges Verhältnis“zu Kaiser, mache mit diesem regelmäßig Brotzeit, die Verwaltung betreibe Vetternwirtschaft. Das treffe „in keinster Weise“zu, betonte Landgraf. Gegen diese Unterstellungen habe die Stadt jetzt sogar Strafanzeige erstattet.
Im Gremium selbst stellte sich nur die Fraktion Grüne/Frauenliste auf die Seite von Animals United, die Organisation hatte nach eigenen Angaben rund 10000 Unterschriften für ihre Sicht gesammelt. Andrea Eireiner sagte: „Ponys und Pferde gehören in der heutigen Zeit nicht mehr auf den Rummel.“Kinder könnten in einem Reitbetrieb, der auf das Tierwohl abgestimmt sei, ihre Erfahrungen machen. Auf der Mess’ gelte das Motto höher, schneller, lauter und greller. Der Geräuschpegel sei ein deutlich anderer als noch vor 20 oder 30 Jahren, deutlich mehr Menschen besuchten das Nördlinger Fest. Vier Stunden müssten die Tiere im Kreis laufen, in einem immer gleichen Radius – das sei für sie „bestimmt nicht opti- mal.“Das Unternehmen Kaiser selbst wollte Eireiner nicht anzweifeln. Doch sie forderte eine grundsätzliche Entscheidung – gegen die Reitbahn.
Auch die SPD hatte sich dafür eingesetzt, dass das Thema im Stadtrat behandelt wird. Erich Geike sagte, die an die Fraktion herangetragenen Informationen hätten die sachliche Ebene verlassen. Er dankte Landgraf für die umfangreichen Unterlagen: „Jetzt kann sich jeder ein Bild machen.“
Was Thomas Mittring (Stadtteilliste) von der Sache hielt, war eindeutig: Wenn die Mehrheit der Mess’-Besucher die Reitbahn ablehnen würde, dann würde sie auch keiner mehr benutzen: „Das ist aber nicht so.“Vielleicht sei die Attraktion ein Auslaufmodell, aber das zeige sich erst mit den Jahren. Wenn man jetzt beginne, die Reitbahn zu verbieten – was mache man dann beim Scharlachrennen oder bei den Umzügen? „Sollen wir die Brauereiwagen und Kutschen beim Stadtmauerfest ziehen?“Auch die PWG argumentierte gegen das Verbot: Tierrecht sei Sache der Bundesregierung, so Alexander Deffner, nicht die eines Stadtrates. Johannes Ziegelmeir warnte davor, eine Weltanschauung als Entscheidungskriterium anzuführen. Man könne sich nicht anmaßen, die Sachlage besser als die Veterinärämter einzuschätzen.
Oberbürgermeister Hermann Faul stellte sich klar auf die Seite der Befürworter der Reitbahn auf der Mess’: Das Pferd sei früher kein Luxusgegenstand, sondern ein Arbeitstier gewesen, das beispielsweise Aufzüge bedient hätte: „A bisserl was kann man von einem Tier auch in der heutigen Zeit erwarten.“Mit 10:2 Stimmen votierte der Bauausschuss letztendlich für die Reitbahn auf der Mess’.
Animals United reagierte sogleich per E-Mail und bezeichnete Landgrafs Vortrag als „Skandal“und „an Unseriosität kaum zu überbieten.“Die Tierschützer fühlen sich persönlich angegriffen. Das Thema sei „polemisch derart verzerrt“worden, „dass ein ernsthafter politischer Diskurs nicht möglich war.“Animals United kündigte an, jetzt nicht nachzugeben, sondern „erst richtig Fahrt aufnehmen.“